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Gründerinnen in der Nachhaltigkeitsbranche – wie der FEMALE FOUNDERS POP UP MARKET war und was wir davon mitnehmen
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Wenn du letztes Wochenende durch die bunte Metalltür in der Schwanthalerstraße 57 gegangen, an der MUCBOOK Leuchtschrift vorbei und einmal links abgebogen bist, hast du dich mitten auf dem FEMALE FOUNDERS POP UP MARKET in unserem MUCBOOK Clubhaus “Franzi” wiedergefunden. Rote Backsteinwände, grauer Betonboden, Vintage Sofas, eine Bühne, eine Bar. Und mittendrin: insgesamt 16 Stände von Gründerinnen aus München und Umgebung, die ihre nachhaltigen Produkte aus- und vorgestellt haben.
Beispielsweise Sarah, die Gründerin des nachhaltigen und feministischen Sexshops Die Tilde, welcher über die Standard-Spielzeugwiese hinausgeht. Sie will mit dem und über den Verkauf hinaus sexuelle Freiheit, Körperbewusstsein und Achtsamkeit fördern.
Die Gründerin Julia Ickert von NINA REIN stellt mit ihrem Label nachhaltige Businessmode für Frauen her. Ihr Motto: “Man muss nicht Öko aussehen, um die Welt zu retten”.
Außerdem mit dabei war Rosalie mit dem Less Waste Club, welcher nachhaltige Körperpflege in Pulverform verkauft. Sie habe nämlich festgestellt, dass die gängigen Drogerie-Produkte zu 90% sowieso nur aus Wasser bestehen. Bei ihren Produkten verzichtet das Team auf jegliche Flüssigkeiten und auf Plastikverpackungen und setzen auf die puren Inhaltsstoffe in Pulverform und auf nachhaltiges Design.
“In jedem Kunden steckt auch ein nachhaltiger Kunde”
In unserem Panel Talk zum Thema Nachhaltige Mode hat Fabienne Fuss vom MUCBOOK Clubhaus mit Julia Ickert, Mirjam Smend von Pureviu und der Greenstyle München und Sabine Resch von der Akademie der Mode München gesprochen. Laut Slow Fashion Monitor 2021 würden 79% der Bürger*innen nachhaltige Mode kaufen, jedoch bleiben diese meist tatenlos. Auch die anwesenden Gründerinnen können das bestätigen. Die meisten von ihnen haben noch einen Zweitjob, um ihren Lebensunterhalt zu finanzieren. Ihre Produkte werden leider immer noch zu wenig nachgefragt und es wird noch zu häufig Fast Fashion und Fast Beauty bevorzugt.
Mirjam Smend fragt sich: Wieso werden diese Produkte letztendlich nicht gekauft? Wie kann man diese Menschen motivieren nachhaltiger einzukaufen? Laut Sabine Resch muss sich vor allem eines ändern: Die Wertschätzung gegenüber dem Produkt Kleidung. Nachhaltig und qualitativ einzukaufen anstatt billig und quantitativ. Julia Ickert glaubt, dass in jedem Kunde auch ein nachhaltiger Kunde stecke, man müsse nur das in ihm wecken, was ihm wichtig ist – seien es faire Arbeitsbedingungen oder natürliche Materialien. Man müsse mit den Leuten sprechen und sie an ihre Werte erinnern.
Über die Frauenquote, das Gründergen und das Scheitern
Ein weiterer Panel Talk drehte sich um Female Founders mit den Sprecherinnen Julia Post, Stadträtin München und selbständige Social Business Beraterin, Lena Späth, Autorin und Gründerin von The Story Market und Superstack und Astrid Reintjes, CEO der Miss Pompadour GmbH. Die Zahlen sprechen für sich: Der Frauenanteil bei Start-up-Gründungen beträgt in Deutschland gerade einmal 11,9 Prozent (Quelle: Female Founders Report 2021). Wieso ist das so? Was können wir dagegen tun?
Astrid Reintjes will keine Unterschiede zwischen Gründern und Gründerinnen machen, sondern für die eigenen Qualitäten geschätzt werden: “Ich bin Gründerin und Unternehmerin – und zufällig auch ‘ne Frau.” Auf individueller Ebene sei das ein schöner Gedanke meint Julia Post, es gebe aber leider auch Probleme auf struktureller Ebene. Schon im Kindergarten und in der Schule werden Jungen und Mädchen Geschlechterrollen zugewiesen und unterschiedlich gefördert oder Investoren bevorzugen männliche Gründer, da diese nicht schwanger werden können. Sie befürwortet daher beispielsweise die Frauenquote: “Man sieht eine strukturelle Benachteiligung, also muss man auch eine strukturelle Bevorteilung schaffen”, beispielsweise beim Vergeben von Gründerstipendien.
Auf die Frage, ob es einen richtigen Zeitpunkt zum Gründen gebe, antwortet Julia Post: “Immer! Es gibt keinen richtigen Zeitpunkt für ein Baby und so gibt es auch keinen richtigen Zeitpunkt für das Gründen. Ich würde mich von keiner Krise abhalten lassen.” Viele Frauen sehen neben den aktuellen Krisen, auch Schwanger- und Mutterschaft als Problem. Astrid Reintjes findet es aber sogar von Vorteil gleichzeitig Gründerin und Mutter zu sein. Sie selbst hätte bestimmt keine vier Kinder, wenn sie sich die Zeit nicht immer hätte frei einteilen könnte. Sie erzählt, sie habe beispielsweise schon drei mal in ihrem Leben gegründet. Sie habe das “Gründergen”, sie müsse ihr eigener Chef sein und werde, auch wenn ein Unternehmen ein Ablaufdatum hat, immer und immer wieder gründen.
Besonders problematisch findet Astrid Reintjes die Angst vor dem Scheitern. Die Angst vor dem Fall sei so groß. Dabei müsse man sich bewusst machen: Man fällt in Deutschland nicht tief. Das Problem sei eher das Image. Auch von der Gesellschaft werde das Auflösen eines Unternehmens immer als Scheitern betrachtet. Selbst wenn man nach fünf Jahren aufhört, weil es nicht mehr funktioniert, sei es kein Scheitern, weil man in diesen Jahren etwas zur Gesellschaft was beigetragen hat. Man habe doch Arbeitsplätze geschaffen, Leute ausgebildet, gewirtschaftet, selbst Fähigkeiten erlernt und Erfahrung gesammelt.
Und was sind Charaktereigenschaften, die Gründerinnen haben müssen? Julia Post sagt: “Zu wissen, dass es einem nicht jeden Tag Spaß macht und sich dennoch motivieren zu können, diese Tage durchzustehen”. Lena Späth ergänzt: “Neugierde und sehr viel Hinterfragen.” Astrid Reintjes findet vor allem “Mut und Fleiß!” Außerdem habe man jeden Tag mindestens eine Situation hat, bei der man nicht weiß, wie etwas funktioniert. Also: “bereit sein, jeden Tag zu lernen und bereit sein, immer als Letzter das Licht auszumachen.” Sie ergänzt: “Gründen ist übrigens auch nicht nur die shiny Start-Up-Welt, die wir auf LinkedIn sehen, das sind auch hier die kleinen Gastronomien um das Bahnhofsviertel, Obststände, Bäckereien”.