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60 Jahre Rundfunkgeschichte vor dem Aus? Kulturschaffende protestieren gegen den Abriss des BR-Studiobaus

Simon Hirler

Für seine Fürsprecher ist er ein legendäres Stück Rundfunkgeschichte, für die Geschäftsleitung des Bayerischen Rundfunks jedoch hat er längst ausgedient – der Studiobau des Bayerischen Rundfunks an der Marsstraße soll abgerissen werden. Macht der Denkmalschutz dem BR nun einen Strich durch die Rechnung?

300 Millionen Euro – so viel würde eine Sanierung des Gebäudes internen Gutachten zufolge kosten, die der BR in Auftrag gegeben hat. Eine Finanzierung wäre nur über den Rundfunkbeitrag und den Gesamtetat des BR möglich, ginge also zu Lasten des künftigen Programms des ÖRR. „Investitionen in das Programm haben Vorrang“, teilte der Verwaltungsdirektor des BR, Dr. Albrecht Frenzel, in einem FAQ zur Zukunft des Studiobaus mit. Ein Erhalt des Gebäudes sei insgesamt unwirtschaftlich. Im kommenden Jahr solle ein erheblicher Teil der Mitarbeitenden auf das Rundfunkgelände in Freimann umziehen. Danach sei eine Neubebauung des Areals in der Innenstadt geplant: Auf dem Gelände solle ein „lebendiger Campus“ entstehen, der auch der Öffentlichkeit und Nutzungspartnern zur Verfügung stehen soll.

Bayerische Rundfunkgeschichte im Steinklotz

Der Studiobau des Bayerischen Rundfunks ist ein beeindruckendes Gebäude, das jedoch im Gegensatz zu den Zukunftsplänen veraltet wirkt. Der steinerne Klotz in der Nähe des Hauptbahnhofs präsentiert sich auf den ersten Blick wenig einladend.
Doch als das Gebäude 1963 eingeweiht wurde, war es seiner Zeit weit voraus: Die massive Bauweise sollte dem damals expandierenden Rundfunkbetrieb bestmögliche Akustik und Aufnahmequalität garantieren. Bis heute werden die Räume des Gebäudes deshalb von Musiker*innen geschätzt. Die Innenausstattung des Gebäudes strahlt das Flair der 60er Jahre aus – Foyers mit im Boden eingelassener Mosaikkunst, edle Holzvertäfelungen. Das Gebäude beherbergt Büroräume, drei Publikumsstudios, mehrere Proben- und Aufnahmeräume sowie ein hauseigenes Bibliotheksarchiv.

Der Studiobau ist vielen Künstler*innen ans Herz gewachsen, seine Fürsprecher*innen sehen in ihm ein einzigartiges Stück Rundfunkgeschichte: Zahlreiche Radioklassiker wie etwa die Pumuckl-Hörspiele oder der erste interaktive „Radio-Tatort“ wurden hier produziert. Bayerische Unterhaltungsgrößen wie Gustl Bayrhammer, Gerhard Polt oder die Well-Brüder gaben sich hier die Klinke in die Hand, Persönlichkeiten wie Günther Jauch und Thomas Gottschalk begannen hier ihre Karriere.

Der Brandbrief „Kein Abriss des Studiobaus!“

Für viele Kulturschaffende ist der geplante Abriss daher ein großer Verlust. So sieht es auch Eva Demmelhuber. Sie hat viele Jahre im Hörfunk des BR gearbeitet, der Studiobau war ihre „Heimat“, wie sie erzählt. Der Erhalt des Gebäudes habe aber an sich nichts mit „sentimentalen Gefühlen“ zu tun, es gehe schlicht um die Qualität der Studios und deren Akustik: „Die Akustik ist heute einfach nicht mehr so herstellbar, weil sie zu teuer ist.“ In ganz Bayern gäbe es keinen Konzertsaal mit vergleichbarem Klang. Einen Abriss lehnen Demmelhuber und die anderen Unterzeichner des Brandbriefs „Kein Abriss des Studiobaus!“ klar ab. Sie halten eine Generalsanierung nach rund 60 Jahren intensiver Nutzung für machbar. Die vom BR genannten Kosten von 300 Millionen Euro befinden sie dagegen für unrealistisch, nicht zuletzt, weil der BR seine Gutachten nicht offenlegen will. Für Demmelhuber scheint die BR-Spitze unabhängig von möglichen Kompromisslösungen klar auf Abriss zu setzen.

Die Initiative rund um den Brandbrief kann sich verschiedene Möglichkeiten der Nachnutzung vorstellen: Die Nutzung der Säle für Konzerte und Events, das Einrichten einer Ausstellung zur Rundfunkgeschichte, die Öffnung der hauseigenen BR-Bibliothek für die Bürger*innen oder die Vermietung von Büroräumen an Start-Ups und Musikproduktionsfirmen. Für die Initiative wäre der Erhalt des Studiobaus damit auch ein klarer Gewinn für Kunst und Kultur in der Stadt.

Lichtblick Denkmalschutz?

Obwohl die Geschäftsleitung des BR am Abriss des Studiobaus festhält, könnte sie möglicherweise Gegenwind vom Landesamt für Denkmalpflege bekommen: Der Denkmalstatus wurde bereits in den Jahren 2019 und 2021 geprüft und damals abgelehnt. Nun beschäftigt sich das Landesamt erneut mit dem Gebäude. Die Prüfung der Denkmaleigenschaft sei noch nicht abgeschlossen, erklärte eine Sprecherin des Landesamts gegenüber der Süddeutschen Zeitung. Obwohl das Ergebnis abzuwarten bleibt, begrüßen die Verteidiger des Studiobaus die erneute Prüfung und hoffen auf ein positives Ergebnis. Für sie ist das Gebäude ein wichtiges Stück bayerischer Geschichte, das noch lange nicht ausgedient hat.

Foto: © Eva Demmelhuber

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