Kultur, Nach(t)kritik
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Mit einer Neuinszenierung von Giuseppe Verdis letzter Oper Falstaff spielte das Gärtnerplatztheater erstmals in der Umbauphase, in der das Theater geschlossen ist, in einer Ausweichspielstätte, dem Prinzregententheater. Gleichzeitig verabschieden sich der Intendant Dr. Ulrich Peters und viele Ensemblemitglieder mit der Oper vom Münchner Publikum.
Falstaff hat seine besten Zeiten hinter sich, einst war er ein schlankes, hübsches Kerlchen am Hof, das es bis zum Ritter gebracht hat, jetzt ist er Alkoholiker und fett. Seine Selbstwahrnehmung ist doch etwas getrübt und so meint er, sein leerer Geldbeutel ließe sich füllen, wenn er ein paar reiche Damen verführt. Also flugs an Alice Ford und Meg Page geschrieben, der Einfachheit halber einen gleichlautenden Brief, mit verschiedenen Namen. Die Damen entdecken den Schwindel und beschließen, dem Aufschneider einen Streich zu spielen und verabreden sich mit ihm. Brenzlig wird es allerdings, als Alices eifersüchtiger Mann Wind von der Sache bekommt. Dann gibt es da auch noch Bardolfo und Pistola, Falstaffs Diener, auf die wunderbar der bayerische Spruch “wie der Herr so’s Gscherr” zutrifft. Weil sie Falstaff einmal zu viel auf die Nerven gegangen sind, hat er sie vor die Tür gesetzt. Aus Rache verbünden sie sich mit seinen Gegnern. Ebenfalls mischt noch Dr. Cajus mit, der gerne die süße Nannetta, die Tochter der Fords, heiraten würde. Die aber liebt Fenton und es ist sicher nicht zu viel verraten, dass sie ihn am Ende nach turbulentem Verwechselspiel, echten und falschen Hochzeiten auch bekommt.
Eine Komödie also, die vom Wortwitz lebt. Da passt leider so gar nicht, dass die Oper entgegen der Tradition des Gärtnerplatztheaters als Volkstheater auf Italienisch mit Übertiteln gespielt wird. Im Prinzregententheater sind die Übertitel zwar gut lesbar, hatten aber ein paar sehr hanebüchene Fehler drin und waren manchmal viel zu schnell, so dass ich nicht mehr mitgekommen bin. Leider ziehen mich Übertitel auch immer magisch an, so dass ich praktisch immer hinsehen muss und das Geschehen auf der Bühne nur am Rande mitkriege. Nur bei Opern, die ich sehr gut kenne, gelingt es mir, sie zu ignorieren. Da ich mir die anderen sieben Vorstellungen noch ansehen werde, ändert sich das vermutlich noch und ich kann etwas tiefer in das szenische Geschehen eintauchen. Dazu kommt, dass ein ähnlicher Stoff in Die lustigen Weiber von Windsor von Otto Nicolai verarbeitet ist und diese Oper liebe ich, die Musik ist so mitreißend, dass ich am liebsten aufspringen möchte und mitmachen. Dagegen kommt der Stoff bei Verdi etwas trocken rüber.
Was ich jedoch mitbekommen habe, hat mir außerordentlich gut gefallen. Die Bühne von Christian Floeren ist sehr wandlungsfähig. Die Handlung ist angesiedelt zur Entstehungszeit, wohl aber eher in London als in Windsor. Teils sieht man Backsteingebäude, am Horizont auf der anderen Seite des Flusses ein Kraftwerk, das die Battersea Power Station sein könnte, die allerdings erst 1933 in Betrieb genommen wurde. Es gibt viele witzige Kleinigkeiten, wie Theaterplakate und ein tatsächlich nasser Falstaff, der der Themse entsteigt. Die Kostüme, ebenfalls von Christian Floeren passen zur Epoche. Ulrich Peters erzählt die Geschichte als das, was sie ist – eine Komödie. Und wie sagt schon Otfried Fischer: Schwer ist leicht was. Das hat Tempo, Slapstick, ein bisschen Loriot. Eine Labsal für alle eurotrash geschädigten Opernliebhaber. Wenn ein Regisseur auf die Musik hört und nicht krampfhaft innovative Interpretationsansätze sucht, kann man als Zuschauer auch mal das reine Werk genießen.
Musikalisch war es ein toller Abend. Die Akustik im Prinzregententheater kommt den Protagonisten entgegen und so konnte man sich an dem wunderbaren Verdiklang des Orchesters unter Lukas Beikircher erfreuen. Der Star des Abends war unzweifelhaft Gregor Dalal, der den Falstaff nicht nur ganz ausgezeichnet sang, sondern auch ebenso spielte. Ihm zur Seite standen Mitglieder des Nochensembles des Gärtnerplatztheaters. Es spricht für den Ensemblegedanken, wenn man Partien bis in die kleinste Nebenrolle mit ausgezeichneten und motivierten Sängern besetzen kann. Leider wird man die Abendbesetzung zukünftig zum größten Teil nicht mehr in München erleben können, da der neue Intendant auf wenige große Namen (oder wen er dafür hält) in den Hauptpartien setzt. Gary Martin, immer noch in guter Erinnerung als Joseph Süß im gleichnamigen Stück von Detlev Glanert, zeigte seine Wandlungsfähigkeit und lieferte einen fulminanten Ford, der vom Publikum gefeiert wurde. Robert Sellier ließ nicht nur Nannettas Herz höher schlagen mit seinem gesanglich und szenisch wunderbaren Fenton. Hans Kittelmann verkörperte den Dr.Cajus fabelhaft, leider muss man zukünftig bis Nürnberg fahren, wenn man ihn erleben will. Mario PodreÄnik ist als Spieltenor in der Rolle des Bardolfo eine Klasse für sich. Er singt ausgezeichnet und zeigt Slapstick, dessen sich Stan Laurel nicht schämen müsste. Das Duo ergänzt Martin Hausberg als Pistola famos. Ulrich Peters hat sich noch eine Figur ausgedacht, Dieter Kettenbach tritt als Freund Falstaffs in einer fast stummen Rolle auf. Er gleicht Verdi aufs Haar und kommentiert mit seinen Auftritten ohne Worte das Geschehen. Schön, diesen sympathischen Schauspieler nochmal in einer auf ihn zugeschnittenen Rolle erleben zu dürfen.
Die weibliche Riege führt Sandra Moon als Alice Ford an. Sie singt wunderschön, in der Rolle hätte ihr allerdings ein wenig mehr Pep gut getan. Ich erinnere mich immer noch sehr gerne an ihre Gräfin Almaviva, die sie fantastisch gesungen und mit unglaublicher Komik bereichert hat. Christina Gerstberger begeisterte als Nannetta mit glockenhellem Sopran, Franziska Rabl als Meg Page agiert ganz fabelhaft und Ann-Katrin Naidu nimmt man die Kupplerin Mrs Quickly unbesehen ab. Dass sie am Ende mit Falstaff flirtet, passt zu ihr. Der Chor, sehr gut einstudiert von Jörn Andresen, zeigte sich wie immer von seiner besten Seite, hatte aber leider wenig zu tun.
Ein sehr unterhaltsamer Abend! Man darf schon sehr gespannt sein auf die Alternativbesetzungen, am 23.05. wird Heike Susanne Daum die Alice Ford singen und am 27.05. Ella Tyran die Nannetta. Restkarten gibt es bei allen bekannten Vorverkaufsstellen. Weitere Vorstellungen am 22., 23., 26., 27. und 31.5. sowie am 2. und 4.6.
Fotos Hermann Posch