Kinogucken, Leben

Anarchy in the N.K. – “Sons of Norway”

Thomas Empl

Eine Feel-Good-Komödie aus Norwegen? Kann man sich eigentlich kaum vorstellen. Schließlich sind Skandinavier hier vor allem für ihre düsteren Filme bekannt. Brutale Thriller (Drive), Blicke in den menschlichen Abgrund alá Lars von Trier und natürlich Krimis (Verblendung). Solche Sachen. Poster und Werbetext zu Jens Liens Sons of Norway machen aber eindeutig einen fröhlicheren Eindruck. Können und wollen die Norweger so etwas überhaupt? Ja und nein.

SonsOfNorway(c)AlamodeFilm-

Denn hinter dem, was auf dem Plakat nach Nudistenvater und Punk-Sohn auf glücklicher Reise aussieht, steckt dann doch ein bisschen mehr. Im Norwegen des Jahres 1979 treffen wir auf eine anscheinend glückliche Familie. Magnus, der Hippie-Vater, erzieht seine beiden Söhne antiautoritär, behängt an Weihnachten den Baum mit Bananen, um gegen Religion zu protestieren, und scheint generell Spaß am Leben zu haben. Auch der Rest der Familie ist zufrieden. Bis – natürlich – ein schreckliches Ereignis das Familienglück zerstört. Die Mutter stirbt bei einem Autounfall, der jüngere Sohn muss daraufhin zu Tante und Onkel. Nur noch Magnus und sein Sohn Nikolaj bleiben übrig. Die beiden müssen nun gemeinsam den Tod der Mutter verkraften und weiterleben. Nikolaj entschließt sich, inspiriert von seinem Vorbild Johnny Rotten von den Sex Pistols, Punk zu werden.

Wie man gleich merkt, behandelt Sons of Norway ungewöhnlich viele Themen. Auf Verlust und Trauer folgen Wut und Außenseiterdenken, aber auch Lebensfreude und Zusammenhalt. Denn, anders als man es von den meisten Eltern erwarten würde, versucht Magnus nicht auf die Veränderung seines Sohnes mit Verboten zu reagieren. “Wenn die Jugend aufhört zu rebellieren, bleibt die Welt stehen”, sagt er und hilft ihm beim Schulschwänzen oder unterstützt begeistert seine Punk-Band “Dirt”, deren Ziel es ist, “so scheiße wie möglich zu klingen.” Kann natürlich auch nicht gut gehen. Wer will schon seinen eigenen Vater in seiner Band? Und wie soll ein Mann, der nie so recht erwachsen geworden ist, seinem Sohn bei eben jenem Erwachsenwerden helfen?

Der Regisseur Jens Lien stand wahrscheinlich vor keiner leichten Aufgabe, als er sich entschloss diese ungewöhnliche Geschichte vom Drehbuchautor Nikolaj Frobenius (Insomnia) zu verfilmen. Es hätte leicht passieren können, dass die komischen Momente dem Tragischen die Kraft rauben und die traurigen den lustigen Szenen den Humor. Lien hat sich davon aber zum Glück nicht beeindrucken lassen und findet eine ungewöhnliche Mischung. Ja, es gibt humorvolle Feel-Good-Elemente, wie der beworbene Ausflug in ein FKK-Camp, aber auch ernste Themen, Tod und Drogenmissbrauch werden skandinavisch brutal gezeigt. Und ob ein FKK-Sommer das Beste für einen vom Tod der Mutter traumatisierten Jungen ist, ist ja dann doch zumindest fraglich.

Auch wenn es schwer vorstellbar erscheint: Das Hin- und Herspringen zwischen gut gelaunter Lebensfreude und später fast Von Trier’schen Abgründen und (Alp-)Traumsequenzen funktioniert. Unterlegt von Sex Pistols – Klassikern, die sogar unsere junge Generation noch kennen dürfte, lebt der Regisseur wie sein junger Held den Geist des Punkrock und will sich nicht von herkömmlichen Genregrenzen einzwängen lassen. Auch in seinen Figuren steckt die Zwiegespaltenheit, mit der sich der ganze Film charakterisieren lässt. Sons of Norway erzählt eine ungewöhnliche, manchmal unfokussierte Geschichte, deren Vielschichtigkeit jedoch auch ihre größte Stärke ist. Nicht ohne Fehler, aber mit dem Herz am rechten Fleck: Ein bisschen Anarchie aus Norwegen.

SonsOfNorway(c)AlamodeFilm1

(Sons of Norway kommt am 05. Juli ins Kino)

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