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CSD in München: “Wenn die Wahl schlecht ausgeht, stehen meine Menschenrechte zur Verhandlung.”

Moritz Müllender
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Der CSD-München hat am Mittwoch sein Motto für die Pride-Wochen 2024 bekannt gegeben: “Vereint in Vielfalt – gemeinsam gegen Rechts.” Denn der Rechtsruck bedroht gerade auch queere Menschen. Die Gewalt gegen sie nimmt zu und die Mehrheitsgesellschaft schaut zu oft weg, sagt Dario Ponto vom CSD-Organisationsteam im MUCBOOK-Interview.

MUCBOOK: Herr Ponto, Warum haben Sie sich für das Motto “Vereint in Vielfalt – gemeinsam gegen Rechts” für den CSD 2024 entschieden?

Dario Ponto: Unsere Priorität war ein klares Zeichen gegen den „Rechtsruck“. Wir wollen kurz vor der Europawahl nochmal den Rechtsruck in Bayern in den Mittelpunkt stellen. Der Impuls dazu kam schon letztes Jahr unter dem Eindruck der Ergebnisse bei der Landtagswahl auf. Wir haben kein Verständnis dafür, wenn Menschen rechte Parteien wählen.

Bei der Großdemo gegen Rechts in München gabe es eine Debatte, ob man sich nun gegen Rechts oder gegen Rechtsextremismus stelle. Einige CDU/CSU-Politiker*innen sahen sich auf den Demos nicht willkommen. Warum sind Sie gegen Rechts und nicht gegen Rechtsextremismus?

Für uns als LGBTQIA*-Community sind nicht nur rechtsextreme Positionen ein reales Problem sondern eben auch rechte Positionen, die sich aktiv gegen uns richten. Die konservativen Parteien bezeichnen sich ja meist selbst nicht als rechts. Die CSU zum Beispiel ist in unserem Verständnis also konservativ, auch wenn es einzelne Personen gibt, die rechte Positionen vertreten. Aber wem der Schuh passt, der zieht ihn sich auch an.

LGBTQIA* steht für Lesbian, Gay, Bisexual, Transgender, Queer, Intersexual und Asexual. Es bezeichnet also lesbische, schwule, bisexuelle, transgender-, queere, intersexuelle und asexuelle Menschen.

Ist Queerfeindlichkeit, also die Diskriminierung von queeren Menschen, ein Thema über das die extreme Rechte auch Anschluss an die Mehrheitsgesellschaft sucht?

Die AfD und andere Rechtsextreme nutzen Queerfeindlichkeit aktiv als Kulturkampf-Thema. Die stilisieren das zum Feindbild hoch, weil sie meinen queere Menschen verändern ihr Leben. Und Konservative haben sich da teils angeschlossen. Ich könnte mir gut vorstellen, dass hätten 90 Prozent der Menschen Verständnis hätten, wenn Rechte nicht so ein Feindbild hochstilisieren würden. Wenn wir mit unserer Initiative diversity@school mit Menschen in Betrieben oder Schulen in Kontakt treten dann sehen wir ganz klar, dass da Verständnis da ist. Auch was das Thema trans* angeht: Für die meisten ist es selbstverständlich, die Personen mit ihrem ausgewählten Namen anzusprechen und sie sehen dafür auch eine Berechtigung. – auch wenn sie dann vielleicht nicht die großen Verfechter für eine Auflösung von Geschlechter-Konstrukten werden.

Wo steht die CSU München?

Die CSU in München steht tatsächlich hinter queeren Rechten. Aber die CSU in Bayern fährt teils zweigleisig. In den Städten zeigt man sich zwar liberal. Anderswo liebäugelt man mit rechten Positionen und nutzt das Thema zur Agitation. Wenn sich Herr Söder etwa über trans* Kinder lustig macht, dabei Falschinformationen verbreitet, dass trans* Kinder Hormone erhalten würden und das mit Hormonen im Fleisch vergleicht, ist das einfach daneben.

Welche Folgen hat die Agitation?

Hasserfüllte Worte führen zu hasserfüllten Taten. Ob die jetzt von der AfD kommen, wo das sicher am massivsten stattfindet, oder von anderen. Gewalt gegen queere Menschen nimmt zu. Das geht bis hin zur Tötung von Menschen, wie beim CSD in Münster 2022. Wir sehen einen Backlash gegen die Gleichstellung von queeren Menschen. Vor fünf Jahren haben wir noch gedacht, es geht immer weiter mit unseren Rechten: Es gab 2017 die Ehe für alle, es kommt ein Selbstbestimmungsgesetz. Mittlerweile ist uns aber sehr klar geworden, dass unsere Rechte nicht gesetzt sind, sondern immer noch zur Verhandlung stehen. Wir müssen sie verteidigen. Das setzt die queere Community unter Druck. Wenn die nächste Wahl schlecht ausgeht, dann stehen meine Menschenrechte zur Verhandlung im Bundestag.

Dagegen stellten sich in München kürzlich Hunderttausende. Arbeiten Sie mit den Organisator*innen der Demo gegen Rechts zusammen?

Wir unterstützen im Bündnis gegen Rechts und teilen die Demoaufrufe. Viele Organisationen, die Teil des CSD sind, sind auch Teil des Bündnisses gegen Rechts. Ich kann mir gut vorstellen, dass es zum CSD auch eine gemeinsame Aktion gibt aber da ist noch nichts geplant.

Ist die sogenannte “Mitte der Gesellschaft”, die auch die aktuellen Demonstrationen mitträgt, ausreichend solidarisch mit der queeren Community?

Die Mitte der Gesellschaft ist ja ein Konstrukt. Ich sehe eine Spaltung in der Gesellschaft, die in einem gewissen Teil zu einer Solidarisierung führt und dazu, dass Menschen sich vor uns stellen. Bei einem anderem Teil führt sie zu mehr Hass. Die konstruierte Mitte steht da so dazwischen und schaut eher weg. Es ist nicht so, dass ich da jetzt gesteigerte Solidarität wahrnehme.

Was können denn die Menschen tun, die etwa jetzt zu Hunderttausenden gegen Rechts auf die Straße gegangen sind, um queere Menschen zu schützen und sich solidarisch zu zeigen?

Die Menschen müssen ihre meist ja schon tolerante Haltung mehr in die Öffentlichkeit tragen, nicht nur auf Demos oder Social Media sondern auch am Stammtisch oder auf Festen. Wenn jemand sagt, ich habe AfD gewählt, dann gilt es nachzufragen und zu widersprechen und nicht darüber hinweg zu hören. Wir müssen uns positionieren, dass wir in einer offenen Gesellschaft leben wollen. Die Gesellschaft wird immer gespaltener. Es ist eine Aufgabe für uns alle, den Dialog zu suchen und Verständnis zu zeigen. Aber es kann nicht der Anspruch an Betroffene sein, in den Austausch zu gehen mit Menschen die uns die Menschlichkeit absprechen. Rechtsnationale Bewegungen vernetzen sich weltweit. Auch wir müssen uns vernetzen und aufeinander achten. Dann können wir gemeinsam lokale Lösungen für globale Problem finden.

Dario Ponto ist ehrenamtlicher, geschäftsführender Vorstand der selbstverwalteten Queeren Jugendorganisation diversity München e. V. diversity München e.V.  bietet Freizeitgestaltung, Austausch, Aufklärung an Schulen und Beratung von queeren Jugendlichen für queere Jugendliche. Seit 2021 trägt diversity München gemeinsam mit den Vereinen LesCommunity, SUB, Münchener Aidshilfe und RosaListe den Münchner CSD.

Beitragsbild: Bethel Fath, CSD München

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