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Der Archivar über WhatsApp-Partys und die alte Schule des Techno

Jedes Wochenende dieselben Clubs ist euch zu langweilig? Alternativen sorgen für Abwechslung! Eine davon ist das Archiv, eine Veranstaltungsreihe, mit der ein Zusammenschluss von Münchner DJs und Veranstaltern die alte Schule des Techno wiederbeleben möchte. Wir haben mit dem „Archivar“ über die alte Schule und Veranstaltungen in der Zeit der Sozialen Netzwerke geschrieben – natürlich per WhatsApp.

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Mucbook: Hallo Herr Archivar 🙂

Der Archivar: Hi Giulia.

Mucbook: Dann erzähl doch mal.. In eurem Doku-Clip auf YouTube sagt ihr, früher hat man sich untereinander geschrieben wann und wo der nächste Rave stattfindet. Dieses System wollt ihr mit dem Archiv wiederbeleben: Man akkreditiert sich mit einem Code-Satz über WhatsApp und bekommt dann dort von dem „Archivar“ alle Infos, wann und wo die Party steigt. Parallel habt ihr aber auch eine Facebookseite, auf der ihr alle Informationen postet. Eine Veranstaltungsreihe, die mit einem ähnlichem System arbeitet, ist Submovers: Mitglieder werden via E-Mail über die Partys informiert. Mitglied werden kann man nur, wenn man von einem Mitglied auf eine Party mitgenommen wird, und sich dann dort vor Ort in eine E-Mail Liste einträgt. Facebook-Veranstaltungen gibt es nicht. Wieso habt ihr euch dazu entschlossen, zusätzlich noch eine Facebook Veranstaltung laufen zu lassen?

Der Archivar: Ich komme ja von der alten Schule, wo es noch keine sozialen Medien gab. Früher war es so üblich, dass man Flyer verteilt hat. Die Flyer waren damals sehr einfach, eine Handynummer, die Party und das Line Up standen drauf. Das war eigentlich alles. Unter der Handynummer konnte man sich für die nächste Party akkreditieren. Die Handynummer war die „Raveline“, diese ist speziell für die Stadt München gewesen. Es gab aber auch Ravelines für Stuttgart, Frankfurt, Berlin usw. Daher dachten wir, dass wir ein bisschen die alte Schule wiederbeleben. Eben was anderes machen als die anderen. Ein Gedanke ist dabei noch, wir möchten die Leute einfach kennen, die zu unseren Parties kommen. Den Techno ist Familiensache. Facebook dient hier nur zur Veröffentlichung von Bildern, sowie der Sammlung von neuen Handynummern. Facebook Veranstaltungen sind bei uns reine Informationen, wie es damals die Flyer gewesen sind. Wir möchten die Leute auch nicht wegen jedem Pipapo über WhatsApp belästigen. Es ist auch ein tierischer Aufwand das alles über WhatsApp zu managen. Ich sitze teilweise einen Monat lang vor dem Rechner und beantworte alle Fragen. Mir macht das aber auch sehr viel Spaß und ich liebe die Szene zu sehr, um damit aufzuhören.  In Zukunft werden wir es so auch noch machen, dass wir Kärtchen in Clubs auslegen, wo eben nur unsere Handynummer, die sogenannte Archivline, abgebildet ist. Aber das steht noch in den Sternen.  Bei den ersten Archiven 001 – 003 haben wir es so gemacht, dass man sich in eine Liste eintragen konnte. Es gab da aber immer Probleme, weil die Nummern falsch gewesen sind und teilweise waren die Namen unleserlich. Wenn die Akkreditierung geschlossen ist, sagen wir meistens kurz vor knapp “Du kannst spontan gerne noch Freunde mitbringen.” Die meisten die spontan da gewesen sind, melden sich nach der Party für die nächste Party bei mir.

Techno früher und heute

Mucbook: „Raveline“ – das klingt schon sehr geil! Hätte ich auf jeden Fall auch noch gerne miterlebt. Was hat sich denn sonst noch verändert in den letzten Jahren? Ist Techno noch wie früher?

IMG_1631 KopieDer Archivar: Hmmm schwer zu sagen. Viele sagen, früher war es viel schöner. Ich sage es einfach so: Meine Auffassung (Persönliche Meinung!) ist, früher war Techno Subkultur. Heute ist es nicht mehr so. Die Subkultur ist lange vorbei. Es war einfach eine andere Zeit. Früher hatte man keine sozialen Medien, sondern die Techno Parties sind organisch gewachsen. Die gute Mund-zu-Mund-Propaganda sozusagen, die wir auch verfolgen. Heute verwendet die Jugend Soziale Medien wie Facebook, Instagram oder Google um sich zu informieren, sowie auch um sich auszutauschen. Das gute Verb „googeln“ ist ja bereits im Duden. Ich denke einfach München war früher vielfältiger. Es gab mehr Leerstand, sowie auch mehr Toleranz von den Anwohnern. Früher kamen die Anwohner noch persönlich vorbei und haben gesagt „Hey, ich wohne hier, kann man mal über die Lautstärke sprechen?“ Heute ist der Griff zum Telefon der leichtere Weg, um gleich die Polizei zu informieren. Früher hat man es etwas lockerer gesehen. Leerstand konnte man Anfang 2000 noch mit 500 DM bezahlen. Heute ist es nicht mehr so. Aber das Problem mit dem zu bezahlenden Leerstand hat man deutschlandweit.

Mucbook: Das stimmt wohl, besonders in Ost-Berlin soll es ja damals kurz nach dem Mauerfall massenhaft geeignete Gebäude gegeben haben, in die man einfach hineinspazieren konnte. Da hat man es heute als Veranstalter schon schwerer.

Der Archivar: München kann man nicht mit Berlin vergleichen. Die Stadt ist sehr viel kleiner und München ist dicht besiedelt, sodass Leerstand knapp ist. Zusätzlich möchten wir auch keine Probleme mit den Behörden bekommen. Techno wie früher 🙂 Das Alte kommt immer wieder, sieht man auch bei der Mode.. Ich bin zum Beispiel mit Acid groß geworden. Heute findet man sehr viele Acid-Elemente in Techno wieder.

Mucbook: Ihr seid also guter Hoffnung, dass der Techno wieder in zurück in die Subkultur abtaucht? Oder denkt ihr, Techno bleibt so beliebt wie er ist, aber dafür wieder mit mehr „Subkultur-Stil“ wie bei Veranstaltungen wie zum Beispiel dem Archiv?

Der Archivar: Man muss immer unterscheiden zwischen Mainstream oder Underground Techno. Der Underground wird immer leben, so sehe ich das. Viele DJs spielen heute noch alte Sachen wie z.B. Emmanuel Top, Joey Beltram oder Jeff Mills und bringen mit den Scheiben wie beispielsweise Acid Phase oder Tone die Leute zum kochen. Subkultur hat es in allgemein schwer, das ist nicht nur in München so. Wie bereits geschrieben, es gibt wenig Leerstand, der zu bezahlen ist.

Mucbook: Lässt sich natürlich leichter bezahlen, wenn die Party größer ist, oder?

Der Archivar: Naja, je größer die Party, umso größer auch Fixkosten, wie Personal. Reich werden wird man durch Partys in dieser Kapazität nicht.

Mucbook: Wie viele Leute zählen denn zum Archiv-Team? Bzw. wie viel Personal kann man sich da vorstellen?

Der Archivar: Im Archiv Team sind mittlerweile an die 20 Leute. Wobei 70% davon freiwillige Helfer sind. Ohne die ist es auch schwer, solche Partys zu stemmen. Wir sind heidenfroh, dass da so viele mitmachen. Wir möchten es auch gerne so, weil wir denken, dass es den Leuten sehr viel Freude bereitet, dass Archiv mit durchzuführen.

Ohne Facebook, in Berlin und auf Festivals – die Zukunft des Archivs?

Mucbook: Wo seht ihr euch denn in ein paar Jahren? Wird es das Archiv noch geben? Habt ihr vor noch zu wachsen? Es hat ja jeder über Facebook die Möglichkeit mitzumachen, sagt ihr irgendwann “Jetzt ist Schluss!”?

Der Archivar: Sobald wir genug Nummern haben, werden wir keine Facebook Veranstaltungen mehr schalten. Mittlerweile läuft schon alles zu 60% über WhatsApp, worüber wir froh sind. Wachsen möchten wir definitiv! Ziel hinter dem ganzen Archiv ist es einfach, den Leuten Liebe zu geben. Denn Musik ist einfach Liebe, du kannst mit Musik egal aus welchem Genre einfach Gefühle hervorbringen. Zusätzlich kann man besonders mit elektronischer Musik, weltweit kommunizieren. Es versteht einfach jeder. Das ist das besondere an elektronischer Musik.

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Mucbook: Sehr schön gesagt!  Wie wollt ihr euch, wenn ihr immer größer und größer werdet, euren „Subkultur-Stil“ beibehalten? Habt ihr keine Angst zu groß zu werden? Und habt ihr auch vor, über München hinaus zu gehen? Wie z.B. Rave Autonomica, die ja auch in Augsburg waren?

Der Archivar: Unsere Partys sollen einfach was besonderes bleiben. Kleine Festivals sind bereits angedacht. Dies aber auch nur auf begrenzter Zahl. Und es sind Archiv Außenstellen geplant. Im Herbst möchten wir es mal in Berlin versuchen. Aber dazu verraten wir mehr, wenn es soweit ist.

Mucbook: Oh, klingt spannend! Da habt ihr ja gut was vor!

Der Archivar: 🙂

Mucbook: Wie würdest du dieses “Besondere” beschreiben, was macht euch aus?

Der Archivar: Das besondere am Archiv ist einfach, dass es nie am gleichen Ort ist. Es gibt immer neue Herausforderungen mit Locationbetreiber, Immobilienmakler, Anwohnern sowie auch Behörden und den akkreditierten Archivaren. Wir möchten auch nicht stillstehen, sondern uns weiter entwickeln. Viele Künstler und Kulturtreibende haben wir bereits für wundervolle Sachen gewonnen. Das Archiv ist auch sehr familiär: Meine Mama macht die Kasse, meine Schwester ebenso. Ich bin sehr froh, dass die uns so sehr unterstützen.

Mucbook: Dann wünsch ich euch auf jeden Fall viel Erfolg und weiterhin viel Spaß bei der Sache, wir sind gespannt was uns im Sommer und die nächsten Jahre erwartet! Zu guter letzt: was macht für euch eine gute Party aus? Wann war ein Archiv-Abend erfolgreich?

Der Archivar: Ein Archiv Abend ist für uns erfolgreich, wenn die Leute mit einem Lachen nach Hause gehen und ihren Freunden, die nicht erscheinen konnten, von dem Abend berichten. Wir sind sogar auf der Suche nach einer alten Telefonzelle, damit die Archivare aus dem Archiv ihre Freunde anrufen können, um aus dem Archiv zu berichten. Jedes Archiv war und ist für uns ein Erfolg, dass wir machen und gemacht haben. Jede andere Party oder Festival hat ebenso ihren Reiz. Jede Party ist für München eine Bereicherung.

Mucbook: Sehr schön! Vielen Dank, dass du dir die Zeit genommen hast meine Fragen zu beantworten.

Der Archivar: Vielen Dank auch für deine Zeit und dein Interesse.

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Bild: Archiv

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Bild: Archiv

 

 

“Ich bin in Hallen groß geworden. Ich war lieber in Hallen als in Clubs. Ich liebe die Szene und diese Liebe möchten ich, sowie das Team Archiv, mit anderen teilen.” – Benedikt von Amtswegen

Hinter dem Archiv stecken Benedikt von Amtswegen, Christian Eberle, John Rousselet, sowie die fixen Residents Dennis Hardt, Hutenberger und Tom Solda, die neben wechselnden Bookings auch selbst auf den Partys auflegen. Die Facebook Veranstaltungen locken mit Namen wie „Das geheime Atelier“ oder „Der gemeine Ratskeller“, aber auch das Pathos zählt zu den Locations, die die Archivare ergattern konnten. Klingt fancy? Um teilzunehmen, müsst ihr dem Archivar einen Code-Satz auf WhatsApp schicken. Wir verraten natürlich nichts, damit das letzte winzige bisschen Eigeninitative (ein Klick auf die Facebook Seite), das der Generation Online das Feeling der „alten Schule“ vermitteln soll, nicht auch noch vorweggenommen wird.

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Giulia Gangl
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