Kultur, Nach(t)kritik

Die Schwere der Leichtigkeit…

Letzte Artikel von Corinna Klimek (Alle anzeigen)

Szenenfoto Der Mikado… ist derzeit im Staatstheater am Gärtnerplatz zu sehen. Musikalisch war die Premiere des Gilbert & Sullivan-Krachers “Der Mikado oder Die Stadt Titipu” sehr gelungen, szenisch lies sie leider für mich zu wünschen übrig.

Nanki-Poo, der als fahrender Musiker verkleidete Sohn des Mikado, ist verliebt in Yum-Yum, Mündel und Verlobte des Koko, ein Schneider, der zum Vermeiden von Hinrichtungen zum Scharfrichter befördert wurde.

Nanki-Poo handelt mit Koko eine Heirat mit Yum-Yum aus, im Gegenzug würde er sich von diesem dann einen Monat später hinrichten lassen, damit dem Wunsch des Mikados entsprochen wird. Allerdings gibt es da noch Katisha, eine ältliche Hofdame, die es auf Nanki-Poo abgesehen hat und erst von ihrer Liebe abzubringen ist, als man Nanki-Poo, mittlerweile mit Yum-Yum verheiratet, für tot erklärt. Als der Mikado allerdings erfährt, dass man seinen Sohn hingerichtet hat, zieht er ein Gesetz aus dem Ärmel, das die Beteiligten an der Hinrichtung Nanki-Poos zum Tode verurteilt. Jetzt muss der ziemlich lebendige Nanki-Poo wieder her, der weigert sich allerdings, sich aus seiner Deckung zu wagen, wenn nicht Katisha mit einem Mann versorgt wird. Die Wahl fällt auf Koko und der fügt sich zähneknirschend seinem Schicksal.

Das erfolgreichste Stück des kongenialen Duos Gilbert&Sullivan übt Kritik an der britischen Gesellschaft des späten 19. Jahrhunderts unter einem japanischen Deckmäntelchen.

Das ist natürlich schwer in heute zu übertragen. Holger Seitz, der bereits die liebevolle und unglaubliche witzige Version der “Piraten von Penzance” inszenierte, ebenfalls von Gilbert&Sullivan, versuchte es trotzdem. Oder vielleicht auch nicht. Bühne und Kostüme geben wenig Aufschluss über die Zeit, da werden Anzüge fröhlich mit Kimono-Ärmeln kombiniert, ein gelbes Hochzeitskleid hat einen Reifrock und dergleichen mehr. Das Bühnenbild ist schwarz dominiert und vor allem im ersten Akt gibt es kaum Farben, die durch die Nichtfarbe zum Leuchten gebracht werden könnten. Erst nach der Pause werden die Kostüme generell bunter und damit auch die Szene lebendiger. Im ersten Akt dümpelt es doch ganz schön vor sich hin, nicht einmal die Liste der Personen, die niemand vermissen wird, erhält nennenswerten Applaus, was wirklich sehr schade ist. Trotz der guten Choreographie von Fiona Copley zündet das Stück nicht wirklich. Dafür werden Klischees en masse geboten: der fotografierende Japaner (die Blitze ins Publikum waren wirklich nervend), der sich verbeugende Japaner, der “hai”-rufende Japaner. Das erscheint alles oberflächlich und wird dem musikalischen Witz nicht gerecht. Anklänge an die Piraten gibt es jede Menge, so ist der Damenchor diesmal statt mit Sonnenschirmen mit Tennisschlägern ausgestattet, handhabt diese aber ähnlich.

Nach der Pause gewinnt das Stück an Farbe und Fahrt. Mit dem Auftritt des Mikado bekommt die Sache endlich die typische Leichtigkeit mit Tiefgang, die die Werke des britischen Duos auszeichnet. Allerdings fehlt mir hier das Terzett, in dem Koko, Pooh-Bah und Pitti-Sing dem Mikado detailliert erklären, wie Nanki-Poo hingerichtet wurde, das ist schade, denn die szenische Umsetzung ist etwas lahm. Dafür wird ein im Original nicht enthaltener Erzähler eingeführt, der zwar von Thomas Peters wunderbar gespielt und gesungen wird, der aber nicht wirklich in das Stück passt. Die deutsche Übersetzung, die aus den frühen Sechzigern stammt, hätte durchaus ein wenig Aufpolierung nötig gehabt. Damals war man wohl der Meinung, das Publikum würde die Handlung nicht verstehen, wenn man ihm nicht jemand an die Hand gibt, der sie erklärt. Fast 50 Jahre später darf man den Zuschauern ruhig etwas mehr zutrauen.

Dafür war die musikalische Umsetzung wirklich brillant. Das Orchester unter Benjamin Reiners, der für diese Produktion als Gast an das Haus zurückgekehrt ist, spielte Sullivans Melodien glasklar und beschwingt, es war wirklich ein Genuss, zuzuhören. Robert Sellier sang den Nanki-Poo mit der richtigen Mischung aus jugendlicher Leichtigkeit und tenoralem Schmelz, er ist wirklich eine Idealbesetzung für die Rolle. Auch Frances Lucey als Yum-Yum zeigte einmal mehr, dass sie nicht nur ein großes schauspielerisches Talent, sondern auch ein schöne Stimme besitzt. Das gleiche gilt für Gunter Sonneson, der mit der schönen Rolle des Koko seinen Abschied vom Staatstheater am Gärtnerplatz nehmen muss, weil ihn der zukünftige Intendant nicht mehr weiter beschäftigt. Dieses Multitalent wird uns Münchnern fehlen. Für mich das Highlight des Abends war, wie schon so oft, Rita Kapfhammer. Mit ihrer wunderbar warmen Mezzostimme gibt sie der alten Schachtel Katisha nochmal eine ganz eigene Dimension. Da hätte man ihr wirklich nicht antun müssen, dass sie am Ende in schlecht sitzenden Dessous herumlaufen muss. Stefan Sevenich als Mikado macht das Beste aus seiner Rolle und dem seltsamen Kostüm und singt und tanzt sich mal wieder in die Herzen der Zuschauer. Holger Ohlmann als Pooh-Bah beeindruckt mit kräftigem Bass und viel Spielfreude, ebenso Daniel Fiolka, den man als Pish-Tush nur an seiner schönen Stimme erkennt. Franziska Rabl und Milica Jovanovic ergänzen das Schulmädchentrio aufs Beste. Der Chor, famos einstudiert von Inna Batyuk, war wie immer das Rückgrat der Inszenierung.

Wer sich selbst ein Bild machen möchte, kann dies in den weiteren Vorstellungen am 21.11, 1., 8., 13. und 21. Dezember sowie weiteren bis April 2012 tun. Karten wie immer an allen bekannten Vorverkaufsstellen und im Internet. Eine Aufzeichnung der Premiere wird am 3.12.11 um 19.05 Uhr von Deutschlandradio Kultur übertragen.

Foto © Jochen Quast

No Comments

Post A Comment

Simple Share Buttons
Simple Share Buttons