Kinogucken

Ein Mensch, ein Mikro, ein Meisterwerk

Josephine Musil-Gutsch
Letzte Artikel von Josephine Musil-Gutsch (Alle anzeigen)

Blümels

Asphaltierte Städte in Grau, Zug fahren im Herbst, Wurstbrote zum Frühstück. Der Film “Dichter und Kämpfer – Das Leben als Poetryslammer in Deutschland” zeigt das Land von seiner unromantischen und ungeschönten Seite. Auf einer Reise durch diese schnöde Szenerie begleitet man vier der deutschen erfolgreichsten Poetry Slammer. Das sind Menschen, die mit dem vorgetragenen Wort noch wahre Begeisterungsstürme auslösen.
Beim Poetry Slam ist Atmosphäre alles, sie ähnelt einem Rockkonzert. Das ganze Spektakel des Slams kann nur auf der Bühne funktionieren. Ein Spielfilm über Poetry Slam würde nicht gehen, eine Dokumentation wie “Dichter und Kämpfer” hingegen klappt gut. Im Fokus stehen die Menschen, die Texte vortragen. Es ist die Unmittelbarkeit beim Slam, die das Publikum so fasziniert. Es sei ja nicht viel mehr als ein Mensch, ein Mikrophon, ein Text, sagt Slammer Julius Fischer. Es ist aber doch mehr, wie der Film deutlich macht.

Seb23

Poetry Slammer haben ein Ausnahmetalent. Sie nehmen unseren Alltag und sich selbst auf die Schippe, sind dabei komisch, philosophisch tiefgründig oder beides. Immer verwenden sie ungewöhnliche und kluge Wortkonstellationen. Dabei bringen sie das zusammen, was nicht zusammen gehört – gehen beispielsweise lyrisch auf Zebrastreifen nach Afrika. Sie haben immer ein verschmitztes Grinsen im Gesicht, ein Wortspiel im Kopf und einen Witz auf Lager. Es macht auf jeden Fall Spaß ihnen dabei zuzusehen. Die notorischen Turnschuhträger albern gerne herum und sind lässige, entspannte Typen – außer kurz vor ihrem Auftritt, wenn das Lampenfieber einsetzt. Aber sobald sie den Platz am Mikrophon einnehmen, scheint die Welt ihnen zu gehören. Die Wettkämpfe, bei denen die Meister des Wortwitzes gegeneinander antreten und von einer Jury bewertet werden, sind in ganz Deutschland sehr beliebt. Sowohl die Zahl der Dichter als auch der Zuschauer steigt stetig. Damit thematisiert die Dokumentation auch die Probleme der Szene und deren Annäherung an den Mainstream. Als Slammer ist man nur noch einer von vielen und die Konkurrenz ist härter geworden. Poetry Slam begeistert viele, ist Dichtung in massenkompatibler Form. Dass sich dabei nicht so wirklich Geld verdienen lässt, ist irgendwie egal, denn die Poeten leben nun einmal für den Slam. “Dichter und Kämpfer” zeigt: Poetry Slam ist eines der coolsten, jungen Phänomene, die es zur Zeit in Deutschland gibt.

Der Film kommt am 6. September ins Kino. Den Trailer gibt es hier.

Plakat

No Comments

Post A Comment

Simple Share Buttons
Simple Share Buttons