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Florian Kreier: Solo mit vielen

Jan Krattiger

In der Start-up-Welt wird viel über GründerInnen geredet, die abseits von ausgetretenen Pfaden ihr eigenes Ding auf die Beine stellen und so ihren Traum wahr machen. Die keine Lust haben auf Nine-to-five im anonymen Büro, als kleines Zahnrädchen im Riesengetriebe, beschäftigt mit sinnlosen Tätigkeiten. Was nun mit Begriffen wie „Solopreneur“ oder „Sidepreneur“ wieder in aller Munde ist, in hippen Diskussionen rund um das Thema „New Work“, in „agilen“ Management-Seminaren, bei Marketing-Konferenzen oder in der Beratungsindustrie, ist aber vielleicht gar nicht so anders als das, was viele KünstlerInnen seit jeher ihren Alltag nennen.

Florian Kreier, 36, ist einer dieser Münchner KünstlerInnen.

Ich treffe ihn nachmittags im Café, um über all das zu reden, was er macht, und versuche dabei verzweifelt, das abgegriffene Wort „Tausendsassa“ zu vermeiden. Florian macht Musik als Angela Aux, schreibt als Heiner Hendrix Texte (zum Beispiel die regelmäßige Kolumne „Monaco Me Mata“ im MUCBOOK-Magazin), ist Teil der Band Aloa Input, Bassist beim Sepalot Quartett, im Team der Rationalversammlung dabei und Organisator des Panama Plus Festivals – all das ergibt zumindest eine kurze Online-Recherche.

„Damit hast du genau die Sachen aufgezählt, mit denen ich fast nichts verdiene“, antwortet Florian darauf mit einem Lächeln im Gesicht. Trotzdem sind es Tätigkeiten, die viel Zeit in Anspruch nehmen und die ganz eng verknüpft sind mit der Arbeit, mit der er das meiste Geld verdient, nämlich mit Musikberatung für Filme, mit Auftragskompositionen und Lizenzierungen.

Etwas abstrakter – und da hört man auch etwas konkreter, warum der Vergleich mit einem Start-up gar nicht so verkehrt ist – beschreibt er es so: „Im Endeffekt ist meine Marke eine bestimmte Herangehensweise an Musik. Mir ist immer sehr wichtig, dass man Musik und Inhalt verbindet bei den Sachen, die ich mache.“ Das sei teilweise sehr banal, zum Beispiel indem die Songtexte in den Vordergrund gestellt werden. Es kann aber auch sehr komplex sein, wenn die Musik auf abstrakteren Ebenen die Inhalte eines Films erweitern soll.

Dieses Selbstverständnis, als Berater einem Kunden Inhalte zu vermitteln, kennt Florian schon aus früheren Tätigkeiten, die noch wenig mit Kunst zu tun hatten und die er mittlerweile auch aus guten Gründen hinter sich gelassen hat. Während seines Studiums der Politikwissenschaften war er auch in einer Firma als Kommunikationsberater tätig. „Ich habe alles gleichzeitig gemacht, um mir das Leben in München leisten zu können“, sagt er rückblickend. Und das war irgendwann zu viel.  

Daraufhin hat er sich für ein halbes Jahr zurückgezogen, hat Bands, Beziehungen und Freundschaften beendet. Und hat nachgedacht. „Da bin ich darauf gekommen: Bestimmte Dinge wie Ideen entwickeln, Songs und Texte schreiben und mir irgendwelche Sachen dazu ausdenken, das fällt mir unglaublich leicht. Das macht mir einfach Spaß.“ Seither verfolgt er diesen Weg konsequent, achtet auf seine körperliche Verfassung, darauf, dass er „keinen Bullshit“ isst und sich mit interessanten Sachen beschäftigt. „Wenn ich das hinbekomme, kann ich sehr effektiv sein, ohne dass es mir schwerfällt, es ist sogar entspannend. Zwischendurch ist es natürlich auch nervig, aber eigentlich ein Traum.“

Ganz ähnlich wie bei seinen Bekannten aus der Start-up-Szene:

„Die Leute, die ich kenne, waren alle entspannt mit dem, was sie aktuell gemacht haben. Die hatten alle die Mentalität: Ich hatte eine Idee und jetzt mach ich das. Und wenn es nicht klappt: Egal, dann mach ich halt das Nächste.“ Das sei eine fundamental andere Herangehensweise als die der üblichen, an Sicherheit orientierten Arbeitswelt. „Ich glaube aber nicht, dass Menschen nur so oder so sind. Es kann jeder beides.“

Was an der Stelle unbedingt noch erwähnt werden muss: Das klingt alles sehr nach Einzelkämpfer im Studio oder am Schreibtisch und nach Ich-gegen-den-Rest-der-Welt-Mentalität. So wie es eben oft klingt bei Geschichten aus der Start-up-Welt. Florians Arbeitsweise ist aber eher das genaue Gegenteil: In seiner Arbeit ist der Austausch mit anderen und die enge Zusammenarbeit immer sehr zentral.

In der Start-up-Welt insbesondere, aber auch in der traditionellen Arbeitswelt vollziehen sich gerade Systemwechsel – Stichwort Homeoffice, um nur ein Beispiel zu nennen – und es sind Methoden gefragt, die KünstlerInnen alles andere als fremd sind, auch Florian nicht: „Jetzt gibt es viele Chefs, die zum Beispiel sagen: ,Bei diesen drei Designern reicht es, wenn sie am Tag eine Stunde arbeiten. Wenn sie die sechs Stunden davor aus dem Fenster schauen müssen, dann sollen sie ruhig aus dem Fenster schauen.‘“ Oder anders gesagt: Die eine Stunde effektive Arbeit, in der etwas entsteht, ist nur möglich durch die sechs Stunden „aus dem Fenster schauen“, die eben viel mehr sind als nur das. „Das vergisst man oft in der Arbeitswelt, was in der kreativen Welt viel normaler ist.“

Die Ähnlichkeiten zwischen Künstlern und Start-ups sind also durchaus vorhanden.

Was unterscheidet dann Florian noch von Start-ups, wie wir sie kennen? Ganz einfach: Er ist zwar selbstständig, hat aber keine Firma. Oder noch keine Firma: „Ich denke mittlerweile immer öfter darüber nach, eine Firma zu gründen. Weil ich verschiedene Arbeitsbereiche habe, die sich langsam miteinander vermischen.“ Das wäre dann so was wie ein Kunst-Film-Musik-Text-Start-up. Oder vielleicht wäre er dann ein „Artpreneur“ (igitt)? Eigentlich ist egal, welches Label man dranklebt. Ob das jetzt ein hipper Marketingbegriff aus der Start-up-Welt ist oder ein althergebrachter wie „Künstler“: Hauptsache, es gibt Leute wie ihn, die lieber abseits der ausgetretenen Pfade gehen und ihr Ding machen. Wenn sie im Zuge dessen ein glücklicheres und entspannteres Leben haben: umso besser. Denn davon profitieren auch wir – bei Florian ganz konkret von seiner Kunst.

Unser Gespräch beim Kaffee neigt sich langsam dem Ende zu, es bleibt noch eine wichtige Frage offen: Was steht als Nächstes an? Musik, Text, Film, ein Festival? Erst mal eine neue Platte von Angela Aux: „In Love With The Demons“ heißt die und erschien am 10. Mai bei Trikont, dem legendären Münchner Indie-Label, das in den Sechzigerjahren als Buchverlag entstanden ist, „in einer Zeit, in der der Wunsch nach einem anderen Leben immer drängender wurde“.

Na also: Passt doch.

Hier kannst du in das neue Album reinhören – außerdem ist Angela Aux gerade auf Tour und spielt am 25.7. am Kulturstrand und am 16.8. beim Theatron Musiksommer.

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Beitragsbild: Sophie Wanninger / Artwork Cover: Max Heitsch at Moby Digg 


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