Kultur, Nach(t)kritik

Fool me once, shame on you. Fool me twice …

Simone Mellar
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passbildautomat hh

Passbilder sind so eine Sache – die Automaten auch. Ein Erfahrungsbericht.

Hier kleb ich also – mit dem Hintern auf einer drehbaren Eisenplatte, den müden Blick geradeaus auf die immens wichtige Augenlinie gerichtet, das zerzauste Haar mühsam aus dem fahlen Gesicht gestrichen. Ich bin bereit! Ein neuer Personalausweis muss her und damit auch mein erstes biometrisches Passbild. Vorbei ist’s mit dem unschuldigen Lächeln, das mürrischen Polizisten, oberkorrekten Türstehern und allzu gewissenhaften U-Bahn-Kontrolleuren bis dato von der schon leicht vergilbten, labbrigen Plastikkarte entgegensprang, immer im Versuch ein bisschen Frieden und Wohlwollen zu verbreiten. Doch jetzt darf auch ich mein Talent in der Reihe “Germany’s Next Top Trottel” unter Beweis stellen, ganz nach dem Motto: Bitte recht unfreundlich!

Nach einigen Versuchen, der verkratzten Scheibe, hinter der sich das Vögelchen mit der Kamera versteckt (und wahrscheinlich dreckig über meine ernst gemeinten Grimassen lacht) kapituliere ich und setze die Terrorfratze auf: neutral bis zum Anschlag. Dann mal das Geld eingeworfen. Ganze fünf Euro verlangt der Passbildautomat an der Münchner Aidenbachstraße für vier Fotos, von denen ich doch nur eines brauche. Ein Euro, zwei Euro, drei Euro … und die letzten zwei. Doch Stopp! Die Anzeige des Automaten steht immer noch auf “Euro 3”. Hmmm …? Dann eben den Rückgabeknopf gedrückt. Doch Stopp! Der funktioniert gar nicht. Verdutzt blicke ich mich um – ohne Erfolg. Denn in dem dezent nach Bierlache und Urinspuren duftenden Kämmerchen befindet sich wider Erwarten außer mir keine andere Person. Na gut, dann eben nochmals ein Zwickerl eingeworfen. Und schon schießt der Automat ohne Gnaden seine Bilder. Bei der mir dargebotenen Auswahl der biometrisch korrekten Zeugnisse meiner Selbst überkommen mich ernste Zweifel, weshalb kleine Kinder bei meinem Anblick eigentlich nicht das Schreien anfangen. Widerwillig lasse ich viermal das am wenigsten scheußliche Konterfei drucken und begebe mich ob meiner eigenen Hässlichkeit stark verunsichert in die U-Bahn Richtung KVR.

Die Stationen ziehen sich heute (zu meinem Glück?) extrem lang. Kleine Stellwerkstörung in Thalkirchen, Bauarbeiten an der Implerstraße – genug Zeit, mir die Bilder noch einmal zu Gemüte zu führen. Zu viel Zeit, um genau zu sein. Endlich an der Poccistraße angekommen, beschließe ich, dass dieses seltsame Abbild nicht für die nächsten zehn Jahre auf meinem einzig offiziellen Ausweisdokument der Bundesrepublik Deutschland prangen darf. Gedacht, getan – und wieder sitze ich in einer neuen Folterkammer, diesmal direkt im Sperrengeschoss der Poccistraße. Ein Euro, zwei Euro, drei Euro … und die letzten zwei. Doch Stopp! Die Anzeige des Automaten steht immer noch auf “Euro 3”. Hmmm … ein Déjà-Vu der besonderen Art? Dann eben den Rückgabeknopf gedrückt. Doch Stopp! Der funktioniert schon wieder nicht. Ist das hier etwa die versteckte Kamera? Springt mir gleich Frank Elstner entgegen und überreicht mir einen Blumenstrauß? Ich warte ab. Doch nichts passiert. Dann eben zum zweiten Mal zwei Euro mehr als eigentlich veranschlagt in den Schlitz geworfen. Ich zahle doch gerne statt fünf Euro sieben! Und das gleich zwei Mal! Mir ham’s ja, wie’s bei uns so schee heißt! München ist teuer – und das überall!

Liebend gerne würde ich meine Theorie, gerade so etwas wie der Münchner Passbildmafia auf die Schliche gekommen zu sein, weiter verfolgen. Nur geht das leider nicht. Denn jetzt bin ich pleite.

Ãœbrigens sieht man auf dem Bild den berühmten Hamburger Passbildautomaten gegenüber vom Ãœbel & Gefährlich. Da kosten die Bilder von Haus aus nur zwei Euro … achso, ja: Das zweite Passbild ist immerhin dynamischer als das erste. Die Wut glitzert so schön in den Augen.

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