Kinogucken

Frischzellenkur für Fury

Wildes Mädchen zähmt wildes Pferd: Mika (Hanna Binke) und Ostwind. (Foto: Constantin)

Unverstandenes Mädchen trifft unverstandenes Pferd: Die Formel, die Katja von Garnier für ihren Film “Ostwind” verwendet, ist denkbar simpel. Trotzdem haucht sie dem Genre neues Leben ein – mit spektakulären Bildern, echtem Horsemanship und einem Hauch Ironie. Ab Donnerstag in den Kinos.

Mika (Hanna Binke) ist stinksauer: Weil sie in der Schule Mist gebaut hat, haben die Eltern ihr kurzerhand das Sommerferienlager gestrichen. Statt sich mit ihren Freundinnen am Strand zu räkeln, wird die 14-Jährige dazu verdonnert, die Ferien auf dem Gestüt ihrer strengen Großmutter (Cornelia Froboess) zu verbringen. Sechs Wochen Lernen und Landleben sind nicht gerade das, was sich das Stadtmädchen für die schulfreie Zeit erhofft hatte.

Natürlich kommt dann doch alles ganz anders. Schnell wird es Mika über ihren Büchern zu langweilig und sie erkundet den Hof. Zwar fremdelt sie mit den Pferdemädchen und den ehrgeizigen Turnierreitern auf dem Hof, dafür freundet sie sich schnell mit dem Stallburschen Sam (Marvin Linke) und dessen kauzigem Großvater (Tilo Prückner) an. Und dann ist da auch noch der Hengst Ostwind, der in der hintersten Ecke des Stalles sein Dasein fristet, weil ihn niemand zähmen kann. Schließlich ist der Rappe wild, unberechenbar und gefährlich – ganz so, wie sich das für den vierbeinigen Helden in einem Pferdefilm gehört. Klar, dass sich zwischen Pferd und Mädchen bald eine tiefe Freundschaft entwickelt und Mika entdeckt, dass sie eine besondere Gabe hat…

Klischee mit Idee

Was die Geschichte betrifft, gewinnt Ostwind keinen Preis für Originalität. Gäbe es eine Klischee-Checkliste für Pferdefilme, könnte man jede Menge Häkchen machen. Alles Erwartbare kommt vor: der pechschwarze Hengst, die ehrgeizige Konkurrentin im Parcours, der smarte Stallbursche und der fiese Pferdemetzger zum Beispiel. Und gerade zum Ende hin gelingt der Spagat zwischen Dramatik und Kitsch – typisch für Pferdefilme – leider nicht mehr ganz. Dass der Streifen trotzdem Spaß macht, liegt vor allem daran, dass er nicht mehr sein will, als er ist: “Wir wollten von Anfang an einfach einen richtigen Pferdefilm machen”, sagt Produzentin Ewa Karlström. Das gelingt gut, “Ostwind” setzt auf fantastische Bilder, verliert sich nicht in Nebenhandlungen und traut sich, den Fokus auf die wachsende Beziehung zwischen Tier und Mensch zu legen. Diese macht zugleich die Besonderheit des Films aus, der die verschiedenen Schulen im Umgang mit Pferden aufzeigt: die ehrgeizigen Sportreiter auf der einen Seite, Natural Horsemanship auf der anderen. Ein Ansatz, bei dem es um Vertrauen, Respekt und Harmonie mit dem Tier geht und der mit der normalen Sportreiterei wenig gemein hat. Wenn Mika mit Ostwind ohne Sattel und Zaumzeug durch das Gelände galoppiert oder sich durch feinste Körpersprache mit dem Hengst verständigt, ja, fast tanzt, dann ist dies schlicht wunderbar anzuschauen – auch für dem weniger Pferdebegeisterte.

Nicht nur für die Wendy-Fraktion

Die große Authentiziät der Bilder spielt dabei eine entscheidende Rolle: Maßgeblichen Anteil daran dürfte Pferdetrainerin Kenzie Dysli haben. Die Tochter des weltbekannten “Horseman” Jean-Claude Dysli hat nicht nur ihre Erfahrung im Umgang mit Pferden in den Film eingebracht und die Stunts gedreht, sondern mit ihren Wallachen James und Attila auch gleich die Stars für den Film geliefert.

Dass der “Ostwind” auch für dem Wendy-Alter Entwachsene erträglich ist, liegt zudem an dem tollen Schauspielerensemble (Jürgen Vogel als vielbeschäftigter Vater und Professor, Cornelia Froboess als strenge Großmutter) und einem Hauch Ironie: Der Blick für die Absurditäten der Reitsportwelt gehört ebenso dazu wie die weißen Strähnen in der Mähne von Ostwind, damit der Rappe nicht allzu klischeehaft durch den Film galoppiert. Und auch Jungschauspielerin Hanna Binke macht ihre Sache gut – gerade wenn man bedenkt, dass sie vor den Dreharbeiten noch nie auf einem Pferd saß.

Fazit: Wenig überraschender, aber durchaus sehenswerter Familienfilm, der begeisterte Pferdemädchen verzücken wird und Eltern immerhin nicht weh tut. Nur die Jungs sollten einen Kinobesuch vielleicht lieber meiden. Gegen so viel Pferd hätten sie ohnehin keine Chance.

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