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Gasteig Zwischennutzung: die „Fatcat“ ist aus dem Sack!

Vermutet hat man schon länger, jetzt ist es gewiss: Die Zwischennutzung im leer stehenden Gasteig-Gebäude übernimmt ein Team aus bekannten Kulturveranstalter*innen gemeinsam. Unter dem Namen „Fatcat“ firmiert ein Zusammenschluss erfahrener Betreiber*innen: Barbara Bergau vom Bellevue di Monaco, Konzertveranstalter Till Hofmann (u.a. Milla und Lustspielhaus), Michi Kern (u.a. Sugar Mountain) und Nepomuk Schessl (Konzertveranstalter bei MünchenMusik) sind die Hauptverantwortlichen für den Betrieb – sie konnten sich erfolgreich bei der Vergabejury bewerben und haben mit Gasteig-Chef Max Wagner zuletzt die Details ausgehandelt.

Ende letzter Woche gingen die Parteien gemeinsam an die Presse, um den Startschuss für das Projekt zu verkünden. Es dürfte viel Arbeit warten in den kommenden Wochen und Monaten. Bis Ende 2023 ist das Modell vorerst anberaumt – da sich die Gasteig-Sanierung derzeit verzögert (vorerst wurde kein privater Investor für die Durchführung der Sanierung gefunden, wurde letzte Woche bekannt) ist eine Verlängerung wahrscheinlich.

„Es hat ein bisschen gedauert, alle Interessen unter einen Hut zu bringen.“

„Es hat ein bisschen gedauert, alle Interessen unter einen Hut zu bringen. Aber nun haben wir die Grundlage für eine Zwischennutzung, wie sie München vielleicht noch nicht gesehen hat“, sagt Gasteig-Geschäftsführer Max Wagner. Etwa Mitte letztens Jahres startete die Ausschreibung – ein Streitpunkt waren zum Beispiel die Kosten für die Zwischenbetreiber*innen. Die Vision ist nun folgende: Die vier Betreiber*innen gründen eine gemeinnützige GmbH unter dem Namen „Fatcat“ und übernehmen als quasi-Kurator*innen die Untervermietung der zahlreichen Konzertsäle, Proberäume, Ladenflächen, Galerien, Büros, Werkstätten und Ateliers sowie sämtlicher sonstiger Flächen. Auf einer Fläche von insgesamt 90.000 Quadratmetern (von Europas größter Zwischennutzung ist die Rede).

Ideen gesucht beim „Call for Ideas“

In einem „Call for Ideas“ werden nun Personen, Organisationen, Start-ups und Initiativen gesucht, die Räume brauchen, neue Ideen verwirklichen oder Veranstaltungen planen wollen.

Ansprechen wollen die Betreiber*innen insbesondere  „sub- und soziokulturelle Projekte, die Off-Theater-Szene, Musiker*innen, Bands, Tanzensembles, Chöre, Kulturveranstalter*innen, Gastronom*innen sowie soziale Organisationen und Vereine“. Aber auch Firmen, die Events planen oder Büroräume suchen.

Im Gebäude selbst sind eine Reihe von Sälen (auch die Philharmonie wird darunter sein!) mit einer Kapazität von 30 bis 2.400 Personen vorhanden, die Platz für Veranstaltungen und Events vielerlei Art bieten. „Vom Kammerspiel bis zur Techno-Nacht“, heißt es. Insbesondere junge Techno-Kollektive sind in München seit Jahren auf der Suche nach geeigneten, kostengünstigen Räumen für niedrigschwellige (und legale) Partys – die Betreiber*innen signalisierten hier eine deutliche Offenheit.

Auch die Proberäume und Büros im Gasteig werden untervermietet, nachdem der reguläre Betrieb der Gasteig GmbH und auch die Bibliothek längst ausgezogen ist. Weiter sind verschiedene Gastro-Einheiten im Gebäude, die Cafés, Kantinen oder Restaurants möglich machen. Interessenten aller Art können sich unter info@fatcat-muc.de melden. Auch Mitarbeiter*innen werden gesucht.

Der Stadtratbeschluss zur Vergabe sah vor, einen „deutliche(n) Anteil kostenloser oder kostengünstiger Angebote und Nutzungen“ im Gebäude zu platzieren. Ob das angesichts der Mietkosten für die Betreiber*innen zufriedenstellend geschafft beziehungsweise querfinanziert werden kann, bleibt abzuwarten.

Euphorie aus dem Stadtrat und ein Tag der offenen Tür

Schon bald gibt es einen Tag der offenen Tür für die interessierte Öffentlichkeit und alle potentiellen Bewerber*innen, um dort „mit Kulturschaffenden, Bildungsorganisationen, soziokulturellen Akteur*innen, Veranstalter*innen und Anwohner*innen Pläne zu schmieden“, heißt es. Es gelte, „herauszufinden und zu diskutieren: ‚Was fehlt München?‘“, sagt Mit-Betreiber Till Hoffmann. „Daraus werden wir dann eine möglichst bunte Struktur basteln.“

Münchens zweite Bürgermeisterin und Vorsitzende des Gasteig-Aufsichtsrats Kathrin Habenschaden zeigt sich indes begeistert, dass nun Nägel mit Köpfen gemacht werden können – die Grünen hatten das Projekt im Stadtrat entscheidend mit vorangebracht: „Es wäre unverzeihlich gewesen, den Gasteig bis zu einer Sanierung leer stehen zu lassen, schließlich ist der Bedarf in unserer Stadt an Flächen zur kreativen und sozialen Nutzung groß. Für Münchens freie Szene ist die Zwischennutzung eine besondere Gelegenheit, sich in einem außergewöhnlichen Umfeld zu zeigen. Subkultur trifft auf den Gasteig – das verspricht spannend zu werden.“

Bald könne die FatCat losschnurren „mit diversen, inklusiven, niedrigschwelligen Veranstaltungen und Angeboten für alle“, prophezeit Hoffmann. Ein konkreter Startschuss ist indes noch nicht anberaumt – vielmehr ist wohl mit einem peu-à-peu Einzug und Start zu rechnen.

Kritik aus der Konzert- und Veranstalterszene: „subventionierte Konkurrenz“

Die Betreiber*innen gründeten dieser Tage eine gemeinnützige GmbH. Das heißt, dass sie sich als Gesellschafter*innen etwaige Gewinne nicht auszahlen dürfen, sondern gemeinnützigen Zwecken zuführen müssen. (Löhne dürfen natürlich bezahlt werden.) Eine goldene Nase wird sich also vermutlich niemand daran verdienen können. Wie die Untermieter*innen wirtschaften ist indes eine andere Sache. Ob die Betreiber*innen mit anderen Firmen, an denen sie beteiligt sind, ins Gebäude ziehen, ist noch unklar. Eine Anfrage dahingehend steht aus.

Hans-Georg Stocker vom Kulturzentrum Backstage München äußerte sich kürzlich kritisch gegenüber diesem städtisch „subventionierten Modell“: Sie als privatwirtschaftliche Hallen-Betreiber*innen könnten den Bands und Künstler*innen unter Umständen weniger attraktive Bedingungen anbieten – so seine Sorge – und würden Auftretende und Publikum potentiell an den neuen Ort verlieren. Zu einer Zeit, in der es gerade kleineren Konzertveranstalter*innen wegen ausbleibendem Publikum und gestiegenen Nebenkosten ohnehin schon schwer hätten („Wir haben gerade alle echt zu kämpfen.“). Harald Ortlepp vom Circus Krone und Norbert Kraft, Chef der Bühne im Schlachthof, schlossen sich dieser Kritik an.

Teil des Gasteig-Zwischennutzungs-Deals war dabei von vornherein, dass in der Zwischennutzung keine Konkurrenz zum vorübergehend in den HP8 ausgelagerten Konzertbetrieb der Gasteig GmbH entsteht – die vor allem auch klassische Konzerte veranstaltet. Der Plan der Stadtratkoalition aus SPD und Grüne sah außerdem vor, keine „problematischen Konkurrenzsituationen zu anderen Bühnen“ entstehen zu lassen. Stocker etwa ist skeptisch, ob dieses Versprechen mit dem erfolgreichen Bewerber*innen-Team auch eingehalten wird. „So sehr ich die Leute schätze: Das sind alles Big Player“, sagt er gegenüber Mucbook. Er findet problematisch, dass sich große, etablierte Veranstalter hier ein Sahnestück sicherten und subkulturell anstrichen, was letztlich kommerziell ausgerichtet sei, so seine Befürchtung. Er fürchtet „Farce-Ausschreibungen“. Dabei müsse aber auch er selbst mit seinem Backstage immer einen Spagat zwischen kommerziell ertragreichen Veranstaltungen und Herzensangelegenheiten hinlegen, relativiert er. (So stünde das kostenlose Free & Easy Festival im Backstage – laut eigener Aussagen jedes Jahr ein sechsstelliges Minusgeschäft – etwa auf der Kippe derzeit.) Er hätte bevorzugt, die Stadt würde sich direkt selbst um die Zwischennutzung kümmern durch die städtische Gasteig GmbH, findet den „Zwitter aus Privatwirtschaft und städtischer Subventionierung“ allgemein schwierig. Er wünscht sich mehr Transparenz zur Vergabe sowie eine „breitere und öffentlichere Diskussion, die nicht giftig ist“ zur Gasteig-Zukunft allgemein – also zu den Sanierungsplänen, die gerade auf Eis liegen.

Mit-Betreiber Michi Kern wiederum reagierte in der AZ auf diese Kritik: „Es geht uns darum, Leuten, die bisher in München keinen Raum finden, Platz zu geben.” Techno-Kollektive, Off-Theater, Proberäume, Ateliers nennt er. Bleibt also wohl die Frage, ob wir zum Beispiel Eulenspiegel Concerts (die Firma von Till Hoffmann) Konzerte und Kabarett im Gasteig erleben werden und ob das für die Besucher*innen nicht mitunter erfreulich wäre. Oder wie sich das auf den gesamten Markt in München auswirkt. Die anderen Münchner Veranstalter freilich blicken mit etwas anderen Augen drauf.

Bald geht’s los

Mit bis zu 5,7 Millionen werden die erwarteten Betriebskosten für die Gasteig GmbH – die sich während des Gastspiels weiter um die Gebäudetechnik kümmert – von der Stadt bezuschusst. Falls nach Ende der Zwischennutzung – die für die Betreiner*innen durchaus auch als finanzielles Wagnis angesehen werden kann – ein Gewinn aus dem Betrieb übrig bleibt, wird dieses nicht unter den Betreiber*innen aufgeteilt, sondern laut Satzung der eben gegründeten gGmbH dem Bellevue di Monaco eG (ein Wohn- und Kulturzentrum für geflüchtete Menschen im Glockenbachviertel) zugutekommen. Das erfahren wir auf Nachfrage. Die Miete für die Betreiber*innen wiederum dürfte im Millionenbereich liegen.

Man sieht: jede Menge Wünsche, Visionen, Sorgen und Ansprüche an die „fette Katze“. Die kommenden Wochen und Monate werden also spannend, die größeren Diskussionen (Wie geht’s weiter mit der Gasteig Sanierung? Wo werden permanente Räume für die unter Platznot leidende Subkultur geschaffen?) gehen weiter. Ein paar gute Gründe, den Gasteig aufzusuchen, wird es aber – da sind wir uns sicher – bald wieder geben!


Beitragsbild: © Michael Amtmann; v.l.n.r.: Till Hofmann (u.a. Eulenspiegel Concerts), Barbara Bergau (Bellevue di Monaco), Gasteig-Chef Max Wagner und Nepomuk Schessl (MünchenMusik).

Disclaimer/Transparenz: Mucbook Clubhaus ist mit den Betreiber*innen im Gespräch, die Untervermietung von Büro- und Atelierflächen mit zu organisieren.

Anm. d. Red.(10.02.): Wir hatten in einer früheren Version geschrieben, die Zwischennutzung sei direkt bezuschusst. Das ist nicht korrekt und wurde im vorletzten Absatz präzisiert.

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