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Streit um das Ausweichquartier für den Gasteig: Kommt jetzt der Kompromiss?

Jan Krattiger

Es ist auf den ersten Blick die klassische Geschichte, die wir Journalisten so lieben: David gegen Goliath. Der große, starke, übermächtige (in dieser Geschichte der Gasteig) gegen den Underdog und Sympathieträger (hier: die (Kreativ-)Gewerbler an der Hans-Preißinger-Straße 8).

Aber von vorne.

Was bisher geschah:

Der Gasteig wird nicht abgerissen, sondern ab 2021 für fünf Jahren saniert, das soll insgesamt ca. 450 Millionen Euro kosten (2015 war übrigens noch von 320 Millionen die Rede, aber wir wissen ja wie das ist mit Bauprojekten: billiger werden sie selten im Verlauf der Zeit). Während diesen fünf Jahren brauchen die dort ansäßige Philharmonie, die Volkshochschule, die Musikhochschule und die Stadtbibliothek natürlich einen Ausweich-Standort.

Aber wohin mit so einem Giganten in der dicht bebauten Stadt?

Noch im Frühling war die Rede von einem großen Areal in Riem (war lange Zeit der Favorit), die kleine Olympiahalle oder die alte Paketposthalle wurden diskutiert, ja sogar ein umgebautes Wiesnzelt vorgeschlagen.

Aber der Aufschrei der Klassiker war groß. Alles viel zu weit weg von der Innenstadt, ungeeignet und überhaupt: nicht mit uns! Dann, im September, kam Bewegung in die Diskusison und Tadaa: Es gibt eine Machbarkeitsstudie. Die hat ein optimales Areal der Stadtwerke in Sendling gefunden, gleich neben dem Heizkraftwerk Süd.

Das schöne daran für den Gasteig:

Alles hätte dort nebeneinander Platz. Für die Philharmoniker gibt es einen temporären Konzertsaal aus Holz und die denkmalgeschützte Trafohalle wäre das dazu passende, repräsentative Foyer. Das würde dann etwa so aussehen:

Also alles in Butter, oder?

Nicht ganz, denn auf dem Areal haben sich seit 1999 über 70  mehrere 100 Kreative und Gewerbler (es sind insgesamt 69 Mietverträge, s. Kommentar unten) niedergelassen und es hat sich da ein schöner, nachbarschaftlicher Mikrokosmos gebildet. Aber da es eben eine Zwischennutzung ist, kann man ihnen ziemlich kurzfristig die Kündigung in die Hand drücken und sie bitten (oder zwingen), Platz zu machen für den Gasteig.

Zwar weiß die dort ansässige Kreativszene schon lange, dass es irgendwann vorbei sein würde, weil auf dem Areal Wohnungen gebaut werden sollen.

Aber in der Zeit hat sich eben trotzdem etwas herausgebildet, auf das man verständlicherweise ungern verzichten möchte. Drum wehren sie sich – und haben auch die überraschend einstimmige Unterstützung der Stadtviertelpolitiker auf ihrer Seite (übrigens: es gibt jetzt auch eine Petition).

Kompromiss, anyone?

Das klingt also nach verhärteten Fronten und einem erbitterten Kampf, David gegen Goliath eben. So sah es jedenfalls auch aus, wenn man in den letzten Wochen die lokalen Presseberichte zum Thema las.

Wie aber Recherchen von Mucbook zeigen, sieht es hinter den lauten Schlagzeilen etwas anders aus:

Ein kurzfristig und innerhalb von wenigen Tagen zusammengestellter Kompromissvorschlag des Architekturbüros CBA Clemens Bachmann (selber auf dem Areal ansässig) zeigt ein mögliches Nebeneinander der bestehenden Nutzungen und einer zusätzlichen Nutzung durch den Gasteig.

Dieser Vorschlag ist nicht nur im Sendlinger Bezirksausschuss, sondern nun auch beim Gasteig selber auf offene Ohren gestoßen, wie uns der Architekt telefonisch bestätigt.

So entstand in den letzten Tagen ein “positiver, intensiver” Austausch zwischen den vermeintlich verfeindeten Parteien. Das Ziel: Eine Lösung, mit der beide Seiten gut leben können.

Wie weiter?

Das heißt zwar erstmal noch nichts konkretes, darf aber durchaus als Signal gewertet werden. Dafür, dass alle involvierten Parteien sich darum bemühen, eine Lösung zu finden. Idealerweise gelingt so sogar die Quadratur des Kreises: nämlich dass auf dem Areal ein neues Kreativquartier aufkeimt, zunächst natürlich gewachsen und mit dem Gasteig-Provisorium erweitert.

Und vielleicht entsteht aus dem Provisorium ja ein Providurium, also eine Dauereinrichtung, denn es kann ja durchaus vorkommen, dass Renovationsarbeiten auch mal länger dauern.

Wär doch schön, oder?


Fotos: © Gasteig München, Johannes Seyerlein // Vogelperspektive © AllmannSattlerWappner Architekten // Visualisierungen: CBA Clemens Bachmann Architekten

2 Comments
  • Mirco taliercio
    Posted at 11:27h, 10 November

    Artikel hat inhaltliche Fehler. Es sind nicht 70 Gewerbetreibende und Künstler sondern 69 Mietverträge. Die Daten von 49 Mietverträgen bzw. Mietparteien wurden ausgewertet ubd liegen dem BA Sendling vor. Bei den verbleibenden – laut SWM handelt es sich um insgesamt 69 Mietverträge –
    Zu beachten ist: In den Mietverträgen sind teils mehrere Hauptmieter eingetragen, dazu kommen häufig Untermietverträge. So ergibt sich allein aus den 49 Mietverträgen, die wir bislang abfragen konnten, eine Gesamtzahl von 88 Haupt- und Untermietern, aufgeteilt auf die Bereiche Kunst & Kultur (53) und Handwerk & Gewerbe (35). Diese Aufteilung haben wir auch bei den Übersichten zu den vertretenen Branchen, den Nutzflächen, den Angestellten, freien Mitarbeitern und Schülern/Praktikanten beibehalten.
    Die Übersichten auch dieser noch unvollständigen Abfrage belegen eindrucksvoll die Zahl der von einem erzwungenen Auszug betroffenen Menschen: Insgesamt 539 Nutzer (Mieter, feste und freie Mitarbeiter und Schüler bzw. Praktikanten) würden dabei ihre berufliche Heimat verlieren (300 aus Kunst & Kultur, 239 aus Handwerk & Gewerbe). Selbst ohne Berücksichtigung der Schüler bzw. Praktikanten sind es laut diesen unvollständigen Daten noch insgesamt 401 Nutzer.

  • Jan Krattiger
    Jan Krattiger
    Posted at 08:49h, 13 November

    Vielen Dank für den Hinweis, ich vermerke das gerne im Artikel!

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