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Gute Seiten, schlechte Zeiten

Martina Kollross
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Wer mit Büchern handelt, hat es in Zeiten von Internet und dem Trend zum Monopol nicht leicht. Autoren und Kleinverlage müssen sich neue Konzepte ausdenken. Die Leser dürfen sich freuen.

Das erste eigene Buch zu schreiben, hat sich Tilmann Strasser wohl leichter vorgestellt. So mit 6000 Euro in der Tasche. „Es geht langsamer, als ich dachte“, sagt der Gewinner des Münchner Literaturstipendiums. Und einen heftigen Endspurt sieht er auch noch auf sich zukommen. Zurzeit schreibt der Student am Mittelteil seines Erstlings „Hasenmeister“.

Die größte Hürde für einen Jungschriftsteller hat Tilman Strasser noch vor sich: für sein Manuskript einen Verlag zu finden. Schwierig in einer Zeit, in der auch der Buchmarkt in den Krisensog gezogen wird. Darunter leiden vor allem jene, die abseits des Massenmarktes um Leser kämpfen: kleine Buchhandlungen, unabhängige Verlage, noch unbekannte Autoren. Sie alle müssen neue Wege einschlagen, um sich auf dem Markt zu etablieren.

Farblos, aber frei

Nikolai Vogel bleibt bei der Gestaltung seines Messestands seinem Verlagskonzept treu. Purismus, weiße Bücher auf schwarzen Tischen. Er selbst trägt einen dunklen Pulli, hat einen schwarzen Bart und seine tiefschwarzen Haare sind zu einem Zopf gebunden. Seit 1993 betreibt der Autor und Künstler zusammen mit Kilian Fitzpatrick den Verlag Black Ink.

Während des „Marktes der unabhängigen Verlage“ im Literaturhaus sitzen sie zusammen an ihrem Stand. Die jährliche Verkaufsmesse ist für sie wichtig, hier können sie ihre Bücher und ihr Konzept präsentieren. Das ist umso wichtiger, wenn in den großen Kaufhäusern die Werke kleiner Verlage kaum noch angeboten werden. Schon gar nicht, wenn sie mit den Regeln des Marktes brechen. Käufer werden von knalligen Buchdeckeln angezogen, heißt es in den Verlagskonzernen. Bei Black Ink gibt es das nicht. „Die Farbe ist in unseren Texten, nicht auf dem Umschlag.“ Unter diesem Motto verlegt Vogel überwiegend Autoren aus der Region München. „Autoren, die nicht nach irgendwelchen Strömungen schielen, sondern ihr eigenes Ding machen.“ Der Literaturmarkt-Rebell sagt, es gehe ihm darum, etwas für Kunst und Literatur zu tun. Der finanzielle Aspekt stehe hinten an. Das Ergebnis ihres freimütigen Bruches mit Marktgesetzen sehen sie auf ihrem Bankkonto. „Wenn wir vom Verlegen allein leben wollten, müssten wir kommerzieller werden“, gibt Nikolai Vogel zu.

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Derzeit droht ein Independent-Verlag sogar ein Zuschussgeschäft zu werden. Es gibt immer weniger kleine Buchläden – auch in der Kulturstadt München. Die Händler gehen an der Konkurrenz der Großketten und dem Angebot aus dem Internet zugrunde. In München kommen noch die hohen Mieten dazu. Nikolai Vogel sucht seine Antwort auf die Krise in kreativen Aktionen. Bei der experimentellen Veranstaltungsreihe „Season II“ hatten renommierte Autoren den Freiraumdas zu lesen, was sie wollten. Und seine Seelesungen fanden auf Ruderbooten im Englischen Garten statt.

Twittern, bloggen und verramschen

Dorin Popa hat ein Konzept entwickelt, viele finanzielle Probleme zu umgehen. Auf einen spontanen Einfall hin, mietete er 2008 als Zwischennutzer einen Geschäftsraum für 100 Tage. Er wählte die Verkaufsstärkste Zeit vor Weihnachten, ließ den Laden, wie er war und füllte ihn mit alten Büchern, vor allem Ramschware. Seine einzigen Ausgaben: eine Arbeitskraft und die Ladenmiete für 100 Tage. Es war ein voller Erfolg. 2009 nutzte er zum zweiten Mal die Chance für 100 Tage zu eröffnen – von Mitte September bis Anfang Januar, diesmal in der Reichenbachstraße.

Seinen Pop-Up Store inszenierte er wie ein Event, mit Countdown am Fenster, Twitter-Account und täglichen Blogeinträgen. Auf barer80.blogspot.com zeigte sich der Ladenbetreiber auch schon mal nackig. Hauptsache auffallen. Seiner Meinung nach müssten Buchhändler umdenken, um konkurrenzfähig zu bleiben: „Buchhandlungen müssen sich ein Profil geben, um so die Kunden an sich zu binden.“ Zuvor hatte er seine Ideen schon mit einigen Ladenbesitzern besprochen. „Aber die waren ihnen zu durchgeknallt.“ Übersprudelnd erzählt Dorin Popa von seinen Vorstellungen, Buchläden wie Kunstgalerien zu gestalten. „Mit einem einzigen Buch in der Mitte oder wöchentlichem Umdekorieren und zwar radikal.“ Er glaube, dass die Buchhändler alle Marketinggeräte bedienen müssten, um erfolgreich zu sein. „Der Buchhändler von heute muss eine Internetseite haben, bloggen und twittern.“ Anders sieht er die Situation kleiner Verlage. Er selbst betrieb Mitte der Achtziger einen Einmann-Verlag. „Damals herrschten noch bestimmte Betriebswerte, ein Verlag musste beispielsweise pro Jahr zwölf Bücher herausbringen, um gelistet zu werden.“ Dieser Zwang hat ihm nicht gefallen. Er hat den Verlag aufgegeben. „Heute profitieren kleine Verlage stark von den technischen Neuerungen“, sagt er.

Von der Slambühne zwischen die Buchdeckel

Doch wie kommen nun junge, noch unbekannte Autoren zu einem Verlag, der ihr Buch publiziert? Tilman Strasser hat mit seiner Auszeichnung schon etwas geschafft: Er hat Aufmerksamkeit gewonnen. „Ich wurde auf der Preisverleihung angesprochen und zwar von kleinen und großen Verlagen.“ Für junge Autoren ist diese Aufmerksamkeit wichtig, denn unverlangt eingesendete Manuskripte haben in der Regel keine Chance. Um für Verlage interessant zu sein, müssen heute auch die Autoren neue Dinge ausprobieren.

Tilmann Strasser erzählt von Bekannten, die den „klassischen Weg“ gegangen seien – von einer Kurzgeschichte in einer Zeitschrift über eine Agentur zu einem Vertrag in einem Verlagshaus. Die meisten würden es aber über viele kleine Publikationen versuchen: Durch die Teilnahme an Poetry Slams, das Erfinden neuer Literaturformate und das Veranstalten von Lesungen. „So kommen sie ins Gespräch, es bilden sich richtige Fangemeinden“, sagt Tilmann Strasser.

Der Jungschriftsteller ist sich sicher, dass man es mit dem nötigen Talent schaffenkönne. Eine große Chance für junge Autorensieht Strasser im lokalen Bereich. Auch Nikolai Vogel empfiehlt den jungen Autoren „mehr Eigeninitiative“. An die starren Regeln des Marktes glaubt er nicht. Zurzeit würde eine davon lauten: Wer auf den Markt wolle, brauche einen Roman. Gut für Tilmann Strasser. „Hasenmeister“ soll ein Roman werden.

Der Artikel ist in der aktuellen Ausgabe von mucs erschienen, dem München-Magazin der Jungen Volkshochschule. Die ganze Zeitschrift gibt’s unter mucs-magazin.de.

Illustration: Christoph Ohanian, Foto: Annemarie Leeb, Dorin Popa

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