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Warum die geplante Hochschulreform alle Studierenden betrifft
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Markus Söders Herzensprojekt das bayerische „Hochschulinnovationsgesetz” ist weiterhin auf dem Vormarsch. Die Staatsregierung verspricht sich Großes von der Reform des Hochschulgesetzes, doch der Aufschrei aus der universitären Basis ist groß.
Die anstehende Reform ist erst die dritte seit dem ersten Beschluss eines Hochschulgesetztes im Jahr 1973. Vor 14 Jahren kam es zuletzt zu einer Änderung. Der Vorgang ist also alles andere als alltäglich und muss daher mit kritischem Blick betrachtet werden.
Von Seiten der Landesregierung, sowie den Hochschulchefs ist das Ziel der Gesetzesnovellierung klar: Weniger Bürokratie soll den Unis Freiheit, Flexibilität, Innovation und Schnelligkeit bringen, Dranbleiben an Harvard oder Cambridge und gleichzeitig eigene Talente fördern und Spitzenforscher nach Bayern locken, wovon Hochschulen und durch Start-ups oder Kooperation auch die Wirtschaft profitieren.
Mithalten mit Cambridge und Harvard
Diesen liberalen Ansatz kann man auch kurz und bündig als eine finale Eingliederung der Hochschulen in den freien globalen Markt der durchrationalisierten Wissenschaftsbetriebe verstehen. Der Staat hätte fortan nur noch die Rechtsaufsicht inne und lässt die Hochschulen an der langen Leine.
Diese stärkere Ergebnisorientierung ändert die Herangehensweise an Lehre und Forschung. Ergebnisse zu schaffen heißt in dem Kontext eine weitere Annäherung der Wissenschaftsarbeit an die Wirtschaft. Das bringt kürzere Wege, ein enger-geknüpftes Netzwerk und einen stärkeren Innovationsdruck von außen. Gleichzeitig sehen viele die Gefahr das unwirtschaftliche Wissenschaftszweige so durch den hohen Konkurrenzdruck wegrationalisiert werden, mit drastischen Folgen für Forschung und Lehre gerade in den Geistes- und Sozialwissenschaften.
Existenzangst in den Geistes- und Sozialwissenschaften
Eine Entwicklung, die nicht lange unkommentiert blieb. Die Initiative Geistes- und Sozialwissenschaften (GuS) wirbt in ihrer Petition für den Erhalt und die Stärkung der bayerischen Fächervielfalt. Gerade ein allgemeines Diktat unmittelbarer ökonomischer Verwertbarkeit sieht die GuS sehr kritisch, da gerade die hohe Komplexität und Vielschichtigkeit der geistes- und sozialwissenschaftlichen Fächer „von einer kaum zu überschätzenden Bedeutung für den Reichtum und die Diversität unserer gesamten Gesellschaft“ sind.
Auch von Seiten der Professor*innen wird weiter Unmut laut. Einen offenen Brief an die bayerischen Universitäten zur geplanten Hochschulreform haben bislang 960 Professor*innen unterzeichnet.
Wir wollen mitbestimmen!
Doch die absolute Mehrheit an den Hochschulen Bayerns, wie könnte es auch anders sein, haben weiterhin die Studierenden. In München und Nürnberg demonstrierten in den letzten Wochen bereits mehrere hundert Studierende gegen die Hochschulreform. Dabei fürchten sie nicht nur um den Zustand der Lehre. Die größte Gefahr der Reform sehen sie in der weiteren Machtkonzentration an der Spitze der Hochschulen. Die Frage nach der Beteiligung wird wieder lauter.
Schließlich kann es ja nicht das Ziel sein, dass 98% der „Hochschulfamilie“ gar nicht oder nur beschränkt in Entscheidungsprozesse eingebunden werden. Aktuell kann die studentische Basis zumindest Teile des Budgets blockieren, um sich so einen Platz am Tisch zu sichern. Ein kleiner Erfolg, doch einer, den es nun wieder zu verteidigen gilt.
Postwachstum aus der Theorie in die Praxis
Immer weiterwachsen? Geht nicht. Aber wir machen’s trotzdem, denn Expertise in Moralfragen wurde weggespart. Was ist denn schon gesellschaftliche Verantwortung im Vergleich zum ökonomischen Mehrwert der geplanten Neustrukturierung? Die großen Probleme unsere Zeit, sei es die Soziale Ungleichheit oder die Klimakatastrophe können warten, denn jetzt wird erstmal wieder richtig abgecasht.
So wundert es auch kaum, dass das Thema Klimaschutz und explizit die Forderung nach klimaneutralen Hochschulen bis 2030, so wie sie von Seiten der Studierendenvertretern vehement auf die Agenda gesetzt wird, im bayerischen „Hochschulinnovationsgesetz“ keinen Platz gefunden hat.
Denn im Söderschen laissez faire der Universitäten konzentriert sich die Entscheidungsgewalt an der Spitze, wo auch sonst? Die Präsidenten der Hochschulen geben den Kurs vor und Forschung und Lehre ziehen nach. Ach ja und wir Studis schwimmen mit durch den Mahlstrom des neuen großen Wissenschaftsbetriebs als wichtiger Baustein für die Freiheit, Flexibilität und Schnelligkeit der bayerischen Hochschullandschaft. Heureka!
Beitragsbild: © Mikael Kristenson on Unsplash