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Luftverschmutzung in München: Das sind die dreckigsten Industrieanlagen

Moritz Müllender
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Diese Recherche ist Teil einer Kooperation von MUCBOOK mit CORRECTIV.Europe und CORRECTIV.Lokal. Beide Projekte fördern den Lokaljournalismus und stärken somit die Demokratie. Mehr unter correctiv.org/lokal

Besonders zwei Anlagen verpesteten die letzten Jahre die Luft in München. Das macht sie zum Gesundheitsrisiko. Helfen würde vor allem die Energiewende.

Luftverschmutzung in München erhitzt nicht nur das Klima, sondern auch die Gemüter. Meist geht es dabei um Themen wie das Dieselfahrverbot, um SUVs gegen Lastenräder, um vermeintlich hippe Innenstädter*innen gegen konservative Vorstädter*innen. Doch ein großer Batzen Abgase fehlt in der Diskussion: Industrieanlagen. Nun zeigen von der Europäischen Umweltagentur erhobene Werte, dass ganz besonders zwei Anlagen für verpestete Luft in München sorgen – die Heizkraftwerke Nord und Süd. Wir haben uns die Daten im Rahmen einer Kooperation mit Correctiv.Europe und Correctiv.Lokal genauer angeschaut.

Die Heizkraftwerke Süd und Nord von den Stadtwerken München waren von 2007 bis 2021 die Industrieanlagen Münchens, die am meisten Schadstoffe ausstießen: Fast 50 Megatonnen CO2,  30.000 Tonnen Stickstoffoxide, etwa 1.500 Tonnen Distickstoffoxide und 1.900 Tonnen Schwefeloxide pusteten die Schornsteine in die Luft.

Zum Vergleich: Das entspricht etwa der CO2-Menge von 5 Millionen Hin- und Rückflügen von München nach Sydney und der Stickstoffoxid-Menge von 300 Millionen Fahrten mit einem neuen Dieselauto nach Rom. Große Industrieanlagen müssen regelmäßig ihren Ausstoß an die EU-Umweltagentur melden, jedoch nur ab einem bestimmten Mindestwert. Die vorliegenden Werte sind daher auch Mindestwerte. Verbesserungen, die nach 2021 passiert sind, tauchen in den Daten nicht auf.

Nicht nur die Klimafolgen des Ausstoßes sind drastisch. Der Ausstoß führt auch zu gesundheitlichen Risiken. Treibhausgase, wie CO2 und Methan, erhitzen die Atmosphäre und verursachen Hitzetote. Luftschadstoffe, wie Stickstoffoxide, Schwefeloxide und Distickstoffoxid schaden der Gesundheit direkt.

Je weniger Emissionen, desto besser

„Es gibt keine Schwelle, ab der Luftverschmutzung gesundheitlich unbedenklich wäre, je weniger desto besser“, sagt Anna-Lena Franke von der Deutschen Umwelthilfe (DUH). Luftverschmutzung befördere chronische Lungen- und Herz-Kreislauferkrankungen – dafür gebe es breite Evidenz. Auch mit Herzinfarkten, Schlaganfällen, Demenz, Depressionen und Diabetes Typ 2 könne man Luftverschmutzung in Verbindung bringen, erklärt Franke.

Die EUA schätzt auch den wirtschaftlichen Schaden, den der Ausstoß etwa verursacht. Beide Heizkraftwerke verantworteten nach diesen Schätzungen zusammen einen Schaden von knapp 400 Millionen Euro – allein für das Jahr 2017. Das Heizkraftwerk Nord gehörte in diesem Jahr zu den 175 schädlichsten Anlagen in Europa. Wichtig zu wissen ist dabei: Industrieanlagen sind EU-weit für 20 Prozent der Luftverschmutzung verantwortlich. Weitere Verursacher sind etwa Verkehr und private Heizungen.

Um die Gefahren durch Luftverschmutzung zu verringern, hat die Weltgesundheitsorganisation (WHO) kürzlich strengere Grenzwerte vorgelegt. Eine Recherche des britischen Guardian zeigt jedoch, im Großteil Europas werden diese Grenzwerte gerissen – auch in München. Die geltenden Grenzwerte der EU werden zwar teils eingehalten. Sie gelten aber als veraltet und sind deutlich höher als die neueren der WHO. Die EU verhandelt derzeit darüber, ihre Grenzwerte an die der WHO anzupassen.

Was tun die Stadtwerke?

Die Emissionen der beiden Heizkraftwerke Nord und Süd sind in den vergangenen Jahren zwar teils gesunken. Laut den Daten der EUA, die Correctiv und MUCBOOK vorliegen, sind sie aber nach wie vor die dreckigsten Industrieanlagen in München. Was können die Stadtwerke tun, um die Bürger*innen zu schützen?

„Das Verbrennen von fossilen Energieträgern ist immer das erste, was es zu vermeiden gilt“, sagt Anna-Lena Franke von der DUH. Zudem gelte es, Filter verpflichtend zu machen und Anlagen nachzurüsten. Kurz: Die vorhandenen Anlagen auf den neuesten Stand zu bringen und die Energiewende voranzutreiben.

Christoph Schifflechner, vom Lehrstuhl für Energiesysteme an der TU München, sieht das genauso. „Die Stadtwerke haben aber einen klaren Plan vorgelegt, um den Einsatz von fossilen Brennstoffen durch den weiteren Ausbau der Geothermie deutlich zu verringern“, sagt Schifflechner. München nehme eine Vorreiterrolle in der Wärmewende ein. „Auch wenn die genaue Ausgestaltung der Wärmewende noch unklar ist, gibt es Roadmaps, die mögliche Transformationspfade aufzeigen“, sagt er.

Stadtwerke-Sprecher Michael Silva schreibt auf Anfrage: „Die SWM [Stadtwerke] betreiben ihre Anlagen Bescheids-konform.“ Alle Emissionsgrenzwerte würden von der Regierung Oberbayerns festgelegt und deren Einhaltung überwacht. Man modernisiere die Anlagen fortlaufend. Die Gasturbinen am Standort Freimann seien kürzlich erneuert worden. „Sie setzen Maßstäbe hinsichtlich der Minderung von Stickstoffoxiden“, sagt Silva. Alle neuen Anlagen in Freimann sowie die modernisierten am Standort Süd seien deutlich effektiver und verringerten dadurch den Ausstoß. Die Energiewende werde „mit Nachdruck vorangetrieben“.

Pläne vorbildlich, Umsetzung fraglich

Helmut Paschlau vom „Netzwerk Saubere Energie“ sieht das kritischer. Die Ziele von Stadt und Stadtwerken zur kommunalen Wärmeplanung seien zwar gut. Aber an der Umsetzung hapert es, laut dem 71-Jährigen. „Mit den aktuellen Planungen, schaffen wir bis 2035 gerade mal 55 Prozent der Fernwärme auf Erneuerbare umzurüsten“, so Paschlau. Er fordert mehr Fördermittel auch vom Bund sowie mehr und schnellere Planungsverfahren. „Man muss einfach mal Prioritäten setzen, es geht hier ums Klima und nicht um Parkplätze“, findet Paschlau.

Fest steht: Solange Kraftwerke in München noch fossile Brennstoffe verheizen, solange besteht auch ein Risiko für die Gesundheit. Will München die Empfehlungen der WHO einhalten, ist es – trotz Vorreiterrolle – noch ein weiter Weg. Es wäre eine Win-Win-Situation: Gewinnt der Klimaschutz, gewinnt auch die Gesundheit. Gewinnt die Gesundheit, gewinnt auch der Klimaschutz.

 

Beitragsbild: Pawel Czerwinski, Unsplash

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