Manuel Pretzl, CSU-Fraktionsvorsitzender im Münchner Stadtrat fordert grünere Plätze, will aber dafür nicht aufs Auto verzichten.
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Interview mit CSU-Fraktionschef: Müssen wir auf Autos verzichten, um München grüner zu machen Herr Pretzl?

Moritz Müllender
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CSU, die Autopartei? Nein, sagt Manuel Pretzl. Seine Partei setze sich auch für Begrünung und die Entsiegelung von Flächen ein. Welche Ideen die Konservativen für ein grüneres München haben und warum er dabei trotzdem nicht auf das Auto verzichten will, erzählt der Fraktionvorsitzende der CSU im Stadtrat uns im Interview.

Herr Pretzl, München wird heißer und heißer. Besonders dort, wo viel Beton und kaum Grün ist. Wie steht es um die Anpassung der Stadt an eine heißer werdende Welt?

Wir müssen in Zukunft ganz anders denken. Das betrifft den Straßenraum, Neubau, Umgestaltungen und eben auch die großen Freiflächen, die wir haben: Plätze und Schulhöfe etwa. Da müssen wir auch an den Bestand rangehen. Das tun wir nicht nur fürs Klima, sondern das verbessert die Lebensqualität für alle Münchner.

Was muss getan werden?

Wir müssen mehr Wert auf die Aufenthaltsqualität und das Zusammenleben auf unseren Plätzen legen. Die Leute sollen gerne vor die Haustür gehen und ihre Plätze auch nutzen können. Bisher achtete man vor allem auf die architektonische Gestaltung. Aber der schönste Platz nützt nichts, wenn sich niemand dort aufhält, weil es zu heiß ist.

Das künstlerische Urheberrecht verhindert sogar in einigen Fällen die Begrünung solcher Betonwüsten.

Das können wir in Zukunft verhindern, indem wir uns das Urheberrecht im Vorfeld abtreten lassen. Und dann muss sowieso bei der Gestaltung in Zukunft bei jedem Platz Entsiegelung mitgedacht werden.

Also, dass Wasser im Boden versickern kann.

Genau, diese riesigen Betonflächen, die nicht entsiegelt sind und die sich im Sommer maximal aufheizen, gehen gar nicht mehr. Die sind vielleicht pflegeleicht, aber das kann nicht das Kriterium sein. Ich wünsche mir, dass wir große versiegelte Flächen aufbrechen. Das wäre einfach und schnell getan. Neben den öffentlichen Plätzen betrifft das auch die Schulhöfe. Da wäre Potenzial von tausenden Quadratmetern für entsiegelte Flächen: für Wiesen, Bäume, Hecken und Sträucher.

Besonders in der Innenstadt staut sich die Hitze und kann zur Gesundheitsgefahr werden.

Der Max-Joseph-Platz vor der Oper soll begrünt werden. Den ersten etwas üppiger begrünten Entwurf mit Blühwiesen und Sträuchern hat der Denkmalschutz verhindert. Nun sind Kübelpflanzen und eine reine Wiesenfläche geplant. Ist der Denkmalschutz ein Hindernis für die Klimaanpassung?

Wir sagen ganz bewusst: Historische denkmalgeschützte Plätze sollten wir nicht anfassen. Das sind auch nicht die Plätze, die wirklich Probleme machen. Probleme machen die Plätze außerhalb der Innenstadt. Da, wo die Leute wohnen und sich aufhalten. In die Innenstadt geht man vielleicht einkaufen, flanieren oder Kultur genießen. Aber am Wohnort, da braucht es Plätze, um sich hinzusetzen und mal ein Buch oder die Zeitung zu lesen, oder auch ein Bier zu trinken. Diese Plätze müssen wir angehen und nicht darüber diskutieren, dass wir in großem Stil an die Plätze in der Innenstadt rangehen. Das wäre nicht zielführend.

Es gibt sicherlich auch Gruppen, die sich gerne in der Innenstadt aufhalten. Daher nochmal zum Max-Joseph-Platz: Wie finden Sie die jetzige Lösung mit der sparsameren Begrünung?

Es ist aus meiner Sicht eine deutliche Verbesserung. Unsere wesentlichen Forderungen sind aufgegriffen worden. Ich glaube, wir haben maßgeblich daran mitgewirkt, dass dort jetzt statt diesen komischen Gräsern und Schilf-Stängelchen eine dezente Rasenfläche angelegt wird. Der alte Plan war völlig unangemessen.

Warum?

Der Max-Joseph-Platz ist ein neoklassizistischer Stadtplatz und dann pflanzt man da irgendwelche Schilf-Hälmchen hin. Da fehlte jeder historische Bezug.

So sah der erste Entwurf für den Max-Joseph-Platz aus. Für Pretzl passen die “Schilf-Hälmchen” nicht zum historischen Platz. Bild: kübert Landschaftsarchitektur

Der finale Entwurf sieht nun eine sparsamere Begrünung vor. Pretzl sieht die Überarbeitung auch als Erfolg seiner CSU-Fraktion. Bild: kübert Landschaftsarchitektur

 

Eine schattenspendende Alternative zu Bäumen, die weniger Platz bräuchte, wären rankende Pflanzen auf Gerüsten.

Das ist ein bewährtes Prinzip. In Italien gibt es ja diese berühmten bepflanzten Gänge, wo Pflanzen auf einer Holz- oder Stahlkonstruktion wachsen. Das halte ich für einen klugen Weg, den ich mir auch für München vorstellen könnte.

Mehr Klimaeffekt hätten aber nach wie vor Bäume. Wie kann München mehr Bäume pflanzen?

Das ist gar nicht so leicht, weil unsere Stadt eng ist. Oftmals liegen Kabel und Rohre im Untergrund. Ich sehe das größte Potenzial auf den Plätzen. Im privaten Bereich führt der Baumschutz paradoxerweise teils dazu, dass die Anwohner ihre Bäume fällen. Denn sobald ein Baumstamm 80 Zentimeter Umfang erreicht hat, darf er nicht mehr einfach gefällt werden. Das führt dazu, dass viele die Säge ansetzen, bevor der Baum diese Grenze erreicht. So verlieren wir Bäume früher als nötig. Wenn man diesen Grenzwert anhebt, ab dem Bäume nicht mehr gefällt werden dürfen, dann hätten viele Bäume ein längeres Leben.

Kann man auch Firmen bei Neubauten dazu verpflichten, Bäume zu pflanzen?

Das gibt es ja schon. Wer heute baut und dafür Bäume fällt, muss Ersatz pflanzen.

Und darüber hinaus?

Bei den großen Bauvorhaben sind Bäume und Begrünung ein ganz zentrales Thema. Das ist auch ein Verkaufsargument. Die meisten wollen eben aus dem Fenster auf Bäume und nicht auf Beton schauen.

Gilt das auch für Fassadenbegrünung?

Das gelingt an manchen Stellen. An der klassischen Ziegel-Villa sieht das schön romantisch aus, wenn ich an der Wand Efeu wuchern lasse. Aber bei neueren Gebäuden mit komplizierter Lüftungstechnik und Isolierungen ist das schwieriger. Ich will das gar nicht schlecht reden, das hat sicherlich einen Effekt, ist aber mit einem Riesenaufwand verbunden.

Welche konkreten Vorschläge machen Sie als CSU noch?

Wir haben verschiedene spannende Ideen aus anderen Städten aufgegriffen, die wir auch für München prüfen sollten. Das sind zunächst Sonnensegel, auf denen Pflanzen wachsen. Sie würden für Schatten und durch die Pflanzen für zusätzliche Kühlung sorgen. Eine weitere Idee sind Membranen für Fassaden, die Stickstoff aufnehmen und binden. Solche Innovationen müssen wir mutiger ausprobieren. Den größten Hebel haben wir aber an den Plätzen und Schulhöfen.

Der Rainer-Werner-Fassbinder-Platz an der Donnersberger Brücke: Solche Plätze soll es in Zukunft nicht mehr geben, wenn es nach Pretzl geht. Bild: CSU-Fraktion

Zählen Kreuzungen auch zu den Plätzen, die Sie entsiegeln wollen?

Bei Kreuzungen wird es technisch schwierig. Im Untergrund befinden sich viele Kabel und oben drüber hängen Oberleitungen oder Seile, mit denen die Ampeln abgespannt sind. Dort wäre Begrünung ein riesiger Aufwand.

Also keine Veränderung der Kreuzungen?

In Einzelfällen kann man vielleicht etwas machen, aber ich denke nicht, dass das die Masse ist, die wir brauchen.

Wie sieht es mit Parkplätzen aus? Könnte man statt Parkplätzen wieder mehr Alleen anlegen?

Das ist doch ein Hirngespinst. Dort, wo wir jetzt Parkplätze wegnehmen, haben wir gar nicht den Platz, Alleen zu pflanzen. Da kann man höchstens ein paar kleine Pflänzchen hinstellen.

Also darf ich zusammenfassen: Ans Auto wollen Sie nicht ran, um die Stadt grüner zu machen?

Ich glaube, wir müssen andere Lösungen finden. Wenn man die ganze Energie, die die Stadtverwaltung darauf verwendet, Autos auszusperren, darauf verwenden würde, zu schauen, wie wir Bäume pflanzen könnten, wären wir schon viel weiter. Ich glaube, die Koalition aus Grünen/Rosa Liste und SPD/Volt will aus ideologischen Gründen Autos zurückdrängen und sucht dafür nach Gründen.

Viele Klimaexpert*innen betonen, dass wir eine Verkehrswende brauchen, wenn wir die Klimawende schaffen wollen.

Wir dürfen Probleme nicht mit Verzicht lösen, sondern sollten den technologischen Fortschritt nutzen. Das ist meine tiefste Überzeugung. Das war auch immer die Stärke Deutschlands in den letzten 150 Jahren. Man hat nicht irgendetwas verboten, sondern nach technischen Lösungen gesucht. Das ist meiner Ansicht nach auch der richtige Weg in die Zukunft.

Vor wenigen Wochen ist eine Streichliste der MVG bekannt geworden. Das Geld für die Verkehrswende fehlt. Die Vorhaben sollen um 2,7 Milliarden Euro abgespeckt werden.

Das ist eine absolute Katastrophe. Wir müssen jetzt schauen, dass wir die Substanz erhalten und uns auf die Projekte konzentrieren, die wir wirklich umsetzen können. Und wir müssen die MVG und die Stadtwerke mit ausreichend Geld dafür ausstatten.

Es geht Ihnen also um die Antriebsart der Autos und nicht um einen Umstieg auf andere Verkehrsmittel?

Sowohl als auch.  Wenn ich ein Auto mit Ökostrom fahre, habe ich eine ziemlich gute CO2-Bilanz. Natürlich brauchen wir in einer dicht besiedelten Stadt auch ein anderes Mobilitätsverhalten. Aber dafür müssen wir den ÖPNV ausbauen. Das ist die Grundvoraussetzung, wenn wir eine Verkehrswende wollen. Denn die Verkehrswende gewinnen wir in den Außenbezirken, wo der nächste Supermarkt zwei Kilometer entfernt ist, nicht durch irgendwelche Schanigärten in der Innenstadt, wo es schon ein perfektes ÖPNV-Angebot gibt. Wenn ich zehn Prozent der Pendler vom Auto weg in die öffentlichen Verkehrsmittel bringe, habe ich 100 mal mehr erreicht, als wenn ich in der Innenstadt drei Bäume pflanze und fünf Parkplätze vernichte.

“Wir dürfen Probleme nicht mit Verzicht lösen, sondern sollten den technologischen Fortschritt nutzen. Das war auch immer die Stärke Deutschlands in den letzten 150 Jahren”, sagt Manuel Pretzl. Bild: CSU-Fraktion im Stadtrat

Sie wollen also der MVG mehr Geld geben?

Ja, die Radwege in der Elisenstraße oder in der Tegernseer Landstraße müssen wir streichen. Das wären alleine 50 bis 60 Millionen Euro. Das Geld und noch viel mehr müssen wir in den ÖPNV stecken.

Könnte man nicht auch auf größere Auto-Infrastrukturprojekte, wie den BMW-Tunnel verzichten?

Der BMW-Tunnel ist aus meiner Sicht eines der wichtigsten ökologischen Projekte für die betroffenen Stadtbezirke. Ich finde es maximal arrogant, aus der Innenstadt heraus den Menschen dort den Schwerlastverkehr vor ihrer Haustür zuzumuten. Der Tunnel würde die Emissionen der Straße dort reduzieren. Ich glaube, wir müssen an andere Projekte ran. Die 100 Millionen Euro für die Sanierung des Kassen- und Steueramtes, das könnten wir streichen.

In einer Umfrage, über die die Abendzeitung berichtete, gaben vor allem die älteren Münchner*innen an, dass Sie für mehr Begrünung nicht auf ihr Auto verzichten wollen. Die Jüngeren waren eher für Begrünung statt Autos. Insgesamt hielten sich die beiden Positionen aber die Waage.

Ja, aber eine knappe Mehrheit war der Meinung, dass man mehr auf das Auto setzen müsse. Und selbst wenn es anders herum wäre, können wir nicht Politik gegen die knappe Hälfte der Bürger machen.

Wenn die Jüngeren eher gegen das Auto sind, laufen Sie als CSU da nicht Gefahr die jüngeren Wähler*innen zu verlieren?

Nein, es gibt eine große Zahl junger Menschen, die – im Gegensatz zur Generation Fridays for Future – wieder eine sehr hohe Affinität zum Auto haben. Das Problem ist doch, dass diese Debatte insbesondere von den Grünen als ideologische Kampfdebatte geführt wird. Das tut der Stadt nicht gut.

Der Ideologie-Vorwurf gegen die Grünen ist ja sehr beliebt.

Sie tun ja auch alles dafür.

Sie tun nichts dafür?

Wir sind an vielen Stellen bereit, Kompromisse zu machen. Und wir haben auch zig Vorschläge gemacht, die überhaupt nicht gut fürs Auto sind. Aber wenn wir irgendwo mal sagen hier geht das nicht, heißt es wieder, wir sind die Autofahrer.

München: Die Stadt wird heißer und damit gefährlicher – vor allem für Senior*innen, chronisch Kranke, Wohnungslose und andere vulnerable Gruppen. Wird die Stadt sich rechtzeitig drauf vorbereiten? Bild: Unsplash, Philipp Bachhuber

Wo machen Sie zum Beispiel Kompromisse?

Wir hätten zum Beispiel die Blutenburgstraße zur Fahrradstraße gemacht und auf die Hälfte der Parkplätze verzichtet. Wir haben auch den Umbauplänen an der Zeppelinstraße oder an der Domagkstraße zugestimmt, obwohl Parkplätze entfallen.

Woher kommt dann die Verhärtung, die wir in den Diskussionen rund um die Verkehrswende beobachten?

Ich denke insbesondere die Grünen-Fraktion, aber auch Teile der SPD zeigen etwa beim Radentscheid einen fast religiösen Eifer. Bei den Grünen habe ich noch keinen erlebt, der bei Radwegen auch nur einen Millimeter nachgegeben hätte. Man muss auf die Bedürfnisse eingehen, die der Radentscheid äußert. Aber daraus eine einseitige Verkehrspolitik für das Fahrrad und gegen das Auto abzuleiten ist falsch.

Sie als CSU-Fraktion tragen gar nichts zur Polarisierung bei?

Ganz ehrlich? Nein. Ich kann zwar nur für München sprechen, aber wir sind kompromissbereit.

Dann setzen wir der Polarisierung doch mal etwas entgegen. Wenn Sie jetzt ein Maßnahmenpaket im Konsens mit SPD/VOLT und Grünen/Rosa Liste zur Begrünung beschließen könnten, wie sähe das aus?

Ich glaube, wir sind mittlerweile wirklich im Konsens, dass wir neue Plätze direkt mit Grün planen. Und ich denke auch, dass wir uns einig sind, dass wir die Plätze, die wir haben, aufbrechen und entsiegeln müssen. Ich hoffe zudem, dass wir gemeinsam darüber nachdenken können, an den Schulhöfen noch mehr Grün zu schaffen und Flächen zu entsiegeln.

Beitragsbild: CSU-Fraktion im Stadtrat

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