Kultur

Jungchen, exploded

Tini Kigle
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Eine Ausstellung im Weltraum zeigt Arbeiten von Christine Tanqueray und Nina Radelfahr – weiß gleißende Neonleuchtröhren und sich verzehrende, verzerrte Körperskulpturen. Ein Bericht.

An die Kleinen, die Süßen, die Spitzbuben dieser Welt, die Prinzessinnen und Wimpernklimperinnen, die Mädchenmädchen und Zuckerschnuten. An die Spieler, Charmeure, schelmisch Grinsenden. An die Verführer und Verlocker und an die Herzensbrecher!

An alle Hände-vor-die-Augen-Halterinnen, Davonlaufer und Schwanzeinzieher, die Kopf-in-den-Sand-Steckerinnen.

An all die tickenden Zeitbomben in uns: Zieht den Stecker, bevor es knallt!

Little boy nannten die Amis die allererste Atombombe, die am 6. August 1945 auf Hiroshima niederging, Fat Man die zweite auf Nagasaki drei Tage später.

Unschuldsweiss und neonkalt ist das trojanische Pferd heute, aalglatt und undurchsichtig kommt es daher. So Gefährlich!

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Christine Tanquerays aktuelle Arbeiten für den Weltraum zeigen den aus weißen Neonlichtröhren geformten und selbst entworfenen Schriftzug „little boy“ sowie ein paar dutzend bonbonfarben lackierter Holzlatten in Rosa, Hellblau, Weiß und Gold, verteilt auf dem Fußboden.

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Nina Radelfahrs weiße Skulpturen sind rot eingefärbte Korallen an die Seite gegeben. Nach der Vorlage von Tänzern erarbeitet sie ihre gipsernen Körper.

Das Ticken von inneren Bomben, die den Ausbruch suchen und den Ausdruck finden: Unser Körper selbst ist Ausstellungsort – von Alter, von Krankheit, Unsicherheit, von Stolz oder Freude. Dem Blick des Anderen ist er schutzlos ausgeliefert, gehört uns deshalb nicht. Die Vergänglichkeit ist ihm sicher. Seine Spuren sind es, die so etwas wie Gegenwärtigkeit erzeugen. Und seine Präsenz ist es, die eine Dar-Stellung oder Re-Präsentation durch Ver-Körperung ersetzt – so die Entwicklungen auch auf dem Theater seit ein paar Jahrzenten. „Real bodies in real time“, sagt Ingrid Hentschel.

Nina Radelfahrs im Weltraum ausgestellte Figuren sind Körper, die wie im Augenblick vor dem Bersten eingefroren sind, die den Lebensatem bereits ausgehaucht, den Schmerz noch verinnerlicht haben, denen das Herz wie herausgerissen scheint. Es sind Körper, die sich winden, krümmen, verzerren, sich verzehren. Gespenstisch konservierte, museale Gefangene, Verlorene, Zerbrochene. Gespannt bis zum Äußersten, nackt, richtet sie der Blick des Betrachters.

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Im Hintergrund ist der Tänzer David Russo zu sehen, der für die Vernissage eine Performance – in Assoziation zu den Skulpturen Nina Radelfahrs – zeigte.


Weltraum, Rumfordstraße 26; bis 07. Mai // Geöffnet täglich von 17h bis 20h geöffnet, Dienstag und Mittwoch auch 12h bis 15h. // FINISSAGE, Freitag, 7. Mai, 21h mit Konzert von Tagar

Bilder: Christoph Rückert, CologneBavarie: http://colognebavarian.blogspot.com/ (Creative Common License) (1); www.pedro-dias.com (2)

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