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Justizzentrum erhalten? Eine Initiative fordert den Abrissstopp

Update vom 02. März:

Für das Justizzentrum gibt es konkrete Neuigkeiten. Die bayerische Staatsregierung hat beschlossen, das Areal an der Nymphenburger Straße zu einem Wohnquartier zu entwickeln. Bauminister Christian Bernreiter (CSU) sagte am Dienstag, 28. Februar, nach einer Kabinettssitzung, die staatlichen Wohnungsbaugesellschaften Bayernheim und Stadibau „werden mit der Stadt München ein mögliches Baurecht abstimmen”.

In einer Pressemitteilung vom Mittwoch sagte er, man wolle dort “so viele Wohnungen wie möglich bauen”. Ob statt eines Neubaus eine klimafreundliche Umnutzung des Bestands möglich sei, werde geprüft, so Bernreiter. Klimaschutz und Kosten müssten in einem angemessenen Verhältnis stehen. Es sollen mehrere hundert Wohnungen entstehen, die von Bayernheim oder Stadibau zu bezahlbaren Mieten vergeben werden. Die Planungs- und Bauprozesse dürften sich bis ins nächste Jahrzehnt hinziehen. Das Justizzentrum soll nach derzeitigem Stand im Jahr 2025 in das dann fertiggestellte neue Behördenzentrum am Leonradplatz übersiedeln.

Unser Artikel vom 02. Februar:

München, deine Bauvorhaben: An vielen Ecken und Enden stockt es gerade in der Stadt. Der populärste Fall ist jüngst vielleicht der Gasteig, für den sich derzeit kein privater Betreiber findet, der für das vorgesehene Budget von 450 Millionen Euro die Sanierung übernehmen will. Dass die Bau- und Materialpreise zuletzt in die Höhe schossen, macht vieles nicht leichter. In manchen Fällen könnten die unfreiwilligen Verzögerungen aber vielleicht Denkpausen gleichkommen, die man produktiv nutzen kann.

Diesen Vorschlag macht eine Initiative aus Wissenschaft und Zivilgesellschaft („Abbrechen Abbrechen“ –  mit Gruppierungen und Einzelpersonen aus Architektur, Urbanistik und Stadtentwicklung) jetzt am Beispiel des Justizzentrums in der Nymphenburger Straße. Ihre Forderung: Stopp den geplanten Abbruch am Justizzentrum! Ihr Motto: Umbauten und Umnutzungen müssen die Regel werden. Klima- und Energiekrise ließen mittelfristig eigentlich keine andere Wahl als Vorhandenes besser zu nutzen. Abbruch als Regelfall könne sich die Gesellschaft nicht weiter leisten.

Die von der Gruppe herangezogenen Zahlen sind gewichtige Argumente für ihr Anliegen:  Die Baubranche ist deutschlandweit für 40% der Treibhausgasemissionen, 50% des Primärenergieverbrauchs und 36% des Müllaufkommens verantwortlich. Eine klimaverantwortliche Politik müsste dies eigentlich berücksichtigen und Abrisse dann verhindern, wenn sie nicht aus sozialpolitischen oder sicherheitstechnischen Gründen dringend notwendig beziehungsweise sinnvoll sind.

Die Pläne für die Beamt*innen, die derzeit im alten Justizzentrum (Baujahr 1977) arbeiten, sind indes einigermaßen klar: Sie sollen in ein neues, riesiges Verwaltungszentrum am Leonrodplatz mit umziehen, sobald dieses voraussichtlich 2024 fertig gestellt ist (auch hier: momentan Bauverzögerungen; das 400 Millionen teure Gebäude mit 40.000 Quadratmetern Nutzfläche sollte eigentlich schon 2022 fertig gestellt sein). Das Gebäude in der Nymphenburger Straße wäre dann leer und der Freistaat Bayern als Eigentümer könnte damit anstellen, was er will. Abreißen? Neubau? Vielleicht verkaufen? (So wie zuletzt ein „Filetstück“ in der Seidlstraße an Apple für eine Viertelmilliarde verhökert wurde – das Areal der ehemaligen Meinburk).

Klar ist: Gebäude in solcher Größenordnung bieten enorm großes Potential. Viele Umnutzungen sind denkbar. Gerade kommerzarmer, soziokultureller oder selbstverwalteter Raum etwa ist knapp in der Stadt (nachdem zum Beispiel auch das Gasteig-Gebäude recht teuer untervermietet werden soll bis zur Sanierung und es soziokulturelle Nutzungen somit dort schwer haben dürften). Auch fehlt es den Kommunen generell an eigenen Gebäuden im Bestand – die Stadt München etwa verkauft derzeit keine Grundstücke mehr, sondern gibt sie allenfalls im Erbpacht auf Zeit ab.

Der Wille aber müsste beim Freistaat beziehungsweise der Landesregierung da sein, das Gebäude für derlei Zwecke zur Verfügung zu stellen. Oder zumindest einmal in den Dialog zu treten, mit offenen Karten zu spielen und neu zu überlegen. Noch gibt es keine Reaktion durch die Landesregierung oder das zuständige Ministerium. Da der offene Brief der Initiative erst heute (02.02.) veröffentlich wurde, ist das aber auch verständlich.

Weiter fordert Abbrechen Abbrechen den öffentlichen Dialog zur Zukunft des Gebäudes. Da kommen die Verzögerungen beim Bau des neuen Justizzentrums wieder einmal vielleicht ganz recht. Der Verdacht: Freistaat und Stadt halten sich bewusst bedeckt über die Zukunft des Areals. Jetzt ist es wohl an der Zeit der Behörden und des Freistaats, sich zu Wort zu melden.

Bleiben unterm Strich zwei Probleme – die Klimaschädlichkeit von unnötigen Abrissen und der Raummangel in der Stadt – sowie eine positive Vision: die Überführung des Areals in eine Nutzung, die dem Gemeinwohl dient oder einen anderen Mangel kompensiert. Auch Wohnraum etwa wird weiter händeringend gesucht. Hier bleiben Bund, Länder und Kommunen seit Jahren hinter den eigenen Zielen zurück. Da könnte die Umnutzung des Areals quasi auch als Testfeld in München fungieren – als eine Art Reallabor für Umnutzungen in der Stadt, wie sie einmal der Normalfall werden könnten.

Derweil haben einige verkleidete Kreative schon mal an einem Video gefeilt und sich vor dem Gebäude in Szene gesetzt und in Kostüme geworfen:

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Beitragsbild: @Abbrechen Abbrechen / JakobBahret; Hier geht’s zum offenen Brief und zur Liste aller Unterschreibenden

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