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Kein Halt in Laim: Warum der Bahnhof an der Stammstrecke bis 2025 nicht barrierefrei ist

Seit 2021 wird der S-Bahnhof Laim umgebaut. Seit Januar 2024 ist er nicht mehr barrierefrei. Laut Deutscher Bahn gäbe es während der laufenden Bauarbeiten keine andere Lösung. Der Behindertenbeirat der Landeshauptstadt München sieht das anders und kritisiert das Vorgehen.

Wenn es ums Thema Mobilität geht, gab es zuletzt viele schlechte Nachrichten: Streiks, Löcher in den Kassen oder Stillstand beim Schienennetzausbau. Auch lokal gibt es so einige Baustellen: Der Radentscheid in München wird eher schleppend umgesetzt und um das Thema Parkplätze entbrennen regelmäßig hitzige Konflikte.

Weniger Aufmerksamkeit erfährt das Thema Barrierefreiheit im öffentlichen Nahverkehr. Gerade Menschen mit Rollstühlen und Rollatoren sind aber auf ihn angewiesen, wenn sie kein eigenes Auto oder Fahrrad fahren können. Auch Eltern mit Kinderwagen oder Personen mit schwerem Gepäck benötigen hindernisfreie Umgebungen, wenn sie mit öffentlichen Verkehrsmitteln reisen. In Laim wird das momentan deutlich.

Umbau wegen 2. Stammstrecke

Nötig ist der Umbau der Haltestelle, um die zweite Stammstrecke einzugliedern. Der alte Aufzug in Laim musste dafür schon zu Beginn der Bauarbeiten 2021 weichen. Ein neuer permanenter Aufzug sollte 2025 – mit Abschluss der Arbeiten – in Betrieb gehen, so die Bahn.

Die Deutsche Bahn hatte während der gesamten Umbauzeit keinen barrierefreien Zugang geplant“, sagt Brigitte Neumann-Latour vom Behindertenbeirat der Landeshauptstadt über die Planungsphase. „Nicht machbar beziehungsweise sündhaft teuer“, begründet des Unternehmen das Vorhaben damals, sagt sie. 2019 wurde der ursprüngliche Bauplan der Stadt vorgelegt und freigegeben. Doch es folgt Kritik.

Auf politischen Druck hin, lenkt die Deutsche Bahn dann ein. Sie orientieren sich am Vorschlag eines Sachverständigen aus dem Behindertenbeirat und installieren zum Baubeginn einen provisorischen Aufzug. Der „erwies sich als gut finanzierbar“, so Neumann-Latour. 2021 beginnen also die Bauarbeiten mit Aufzug am Gleis.

Seit Januar 2024: Kein Ersatz für den provisorischen Aufzug

Für den zweiten Bauabschnitt musste der Interimsaufzug jetzt aber zwangsläufig weichen, weil er dort war, wo nun gebaut wird. Das Problem: Für Ersatz an anderer Stelle hat man nicht gesorgt.

„Zum Abschluss der Gespräche zur ersten Bauphase wurde vereinbart, dass die Deutsche Bahn so bald als möglich auf uns zukommt, um auch eine Lösung für den zweiten Bauabschnitt zu finden“, sagt Neumann-Latour. Trotz Drängen des Behindertenbeirats seien aber Mails von der Deutschen Bahn unbeantwortet geblieben und die Bahn hätte sich generell inaktiv verhalten. „Ein Gespräch für eine barrierefreie Lösung während des zweiten Bauabschnitts wurde bewusst verzögert“, vermutet Neumann-Latour.

Die Bahn sieht das anders. „Eine weitere Interimslösung war räumlich bedingt leider nicht möglich“, sagt ein Sprecher gegenüber MUCBOOK. Neumann-Latour hält dagegen: „Der Sachverständige des FAKs Mobilität hat eine fachliche Lösung angeboten, die aber von der Deutschen Bahn als zu teuer und zu aufwändig abgelehnt wurde.“

Das rät die Deutsche Bahn Betroffenen

Derzeit empfiehlt die Deutsche Bahn mobilitätseingeschränkten Personen, für den barrierefreien Zugang zur S-Bahn die Bahnhöfe Pasing und Hirschgarten zu nutzen.

Die Buslinien 130 und 157 böten eine direkte Verbindung zwischen den Bahnhöfen Laim und Pasing. Zusätzlich könnten Fahrgäste aus Laim mit der Buslinie 57 und der Trambahnlinie 19 den Bahnhof Pasing erreichen. Auch die Buslinie 62 halte am Hirschgarten – darauf verweist die Bahn. Blöd nur: Sie hält nicht in Laim.

Der Alltagstest

Was bedeutet das im Alltag? Wir machen den Test mit einer App. Beispiel: Strecke Laim bis Geschwister-Scholl-Platz (bei Haltestelle „Universität“ an der LMU). Die Fahrt von Laim dauert normalerweise eine knappe halbe Stunde, wenn man am Marienplatz einmal von der S-Bahn auf die U6 umsteigt.

Schwieriger wird es aber, wenn man in Laim die S-Bahn nicht benutzen kann, weil der Zugang nicht möglich ist. Wir testen zwei Optionen: Entweder nutzen wir die Ersatzhaltestellten  im S-Bahn-Netz – Pasing und Hirschgarten. Oder wir verzichten ganz auf die S-Bahn und nehmen nur andere Verkehrsmittel.

Erste Fahrt: Mit der Tram 19 ab Fürstenriederstraße etwa benötigt man rund 15 Minuten bis zur empfohlenen Ausweichhaltestelle Hirschgarten. Sie fährt aber nur alle halbe Stunde ab Fürstenrieder Straße (etwa 400 Meter von der Haltestelle Laim).

Mit einer Busverbindung bräuchten wir etwa 30 Minuten zum Hirschgarten, weil man mindestens einmal umsteigen muss. Schneller geht es immerhin nach Pasing: Mit den Bussen 157 oder 130 ist man dort in etwas mehr als zehn Minuten dort, mit der Tram in etwa 17 Minuten.

Von Pasing oder Hirschgarten fährt man anschließend dann in einer guten halben Stunden zum Ziel Universität – wenn man sofort eine Bahn erwischt. Alles in allem müsste man in unserem Versuch also mit mindestens 20 Minuten mehr für die Fahrt planen, wenn wirklich alles glatt geht. Besser ist, man lässt sich einen Puffer von 35 Minuten oder mehr.

Umstiege sind komplizierter und länger

Denn ein Anschluss ist schnell mal verpasst. Das sagt auch Brigitte Neumann-Latour vom Behindertenbeirat  der Landeshauptstatdt München:

Menschen mit Behinderungen brauchen für Wege grundsätzlich mehr Zeit als Menschen ohne Behinderungen. In diesem Fall müssen Rollifahrer*innen und Menschen, die keine Treppen bewältigen können, lange Umwege hinnehmen, die noch mehr Zeit in Anspruch nehmen.

In unserem Versuch, auf die S-Bahn ganz zu verzichten und stattdessen nur Busse und Trams oder U-Bahnen zu nehmen, werden uns Routen mit bis zu drei Umstiegen vorgeschlagen. Eine Tortur. Zudem sind Busse und Trams kleiner und zur Hauptverkehrszeit gerne mal sehr überfüllt – sie haben in der Regel nur einen einzigen expliziten Platz für etwa Rollstuhlfahrer*innen oder Eltern mit Kinderwagen. Ihre Frequenz ist niedriger als die der S-Bahnen an der Stammstrecke.

Brigitte Neumann-Latour glaubt: „Ein Teil von ihnen [mobilitätseingeschränkte Personen – Anm. d. Red.] wird nur noch die allernötigsten Wege machen.“ Sie hält die Übergangslösung der Deutschen Bahn – der Verweis auf die umliegenden S-Bahnhöfe – daher insgesamt für nicht zumutbar.

Fazit

In einem selbstverpflichtendem Programm schreibt die Deutsche Bahn: „Werden Bahnhöfe neu gebaut oder umgebaut, müssen sie barrierefrei sein.“ Nimmt die Bahn diese Selbstverpflichtung auch während Umbauphasen ernst? Oder ernst danach? Wenn man den Prozess in Laim beobachtet, kommt man ins Zweifeln.

Die Stadtratsfraktion Die Linke/Die PARTEI sieht auch die Stadt in der Pflicht. Sie fordern „einen Hol- und Bringdienst für Menschen mit Mobilitätseinschränkungen“. Dazu gäbe es verschiedene Möglichkeiten – „beispielsweise einen Shuttle Service, der zur nächsten Haltestelle mit Aufzug führt oder Taxigutscheine, die Betroffene vorab beantragen können.“

Bleibt die Frage, wer Recht hat: Wäre eine barrieregerechte Lösung in der finalen Bauphase unmöglich oder ist sie der Bahn schlichtweg zu teuer? Einem alten Sprichwort zufolge ist ein Weg, wo auch ein Wille ist.

Bilder: ©Mucbook/Florian Kraus

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