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Kennen wir uns? Liebeserklärungen

Carina Eckl

Woran denkst du, wenn du das Wort Liebeserklärung liest? An Kitsch? Rote Rosen, Kerzenlicht, eine Dachterrasse? Verlobung, Hochzeit, Kinder? Denkst du an eine bestimmte Person?

Ich verbinde mit dem Wort ‚Liebeserklärung‘, jemandem zu sagen: „Das erinnert mich an dich“ oder „Bei dem Song musste ich an dich denken“ oder „Das bist so du.“

Ich verbinde damit, ein „Wie geht es dir?“ an Menschen zu schicken, die sich wegen ihrer Depressionen seit Wochen nicht gemeldet haben und sich jetzt nicht mehr trauen.

Ich verbinde damit, keinen besonderen Anlass zu brauchen, um jemandem ein Geschenk zu machen oder ein paar liebe Worte zu sagen.

Fremde Begegnungen

Für mich ist eine Liebeserklärung nicht auf romantische Beziehungen begrenzt. Ganz im Gegenteil: Ich würde mir wünschen, dass es normalisiert wird, Freund*innen oder der Familie offen zu sagen, wie man sich mit ihnen fühlt.  

Und noch mehr: Ich würde mir wünschen, dass es in unserer Gesellschaft dazugehört, Menschen, denen man gern ein Kompliment machen möchte, auch eines zu machen, ohne dass es als seltsam bewertet wird.  

Wenn ich zum Beispiel auf einer Straße an einem Menschen vorbeilaufe und ihn gedankenverloren ansehe, frage ich mich danach manchmal: ‚Denkt die Person, dass ich etwas an ihr schlecht finde?‘ 

Man stelle sich eine Welt vor, in der Menschen aneinander vorbeigehen und sich nicht zunicken, sondern sagen: „Tolles Lächeln“ oder „Cooler Jutebeutel“.

Komplimentskeptizismus

Bei der Vorstellung werde ich zwar auch nervös, weil ich selbst nicht wüsste, wie ich damit umgehen soll, aber genau das ist das Problem. Gesellschaftlich ist es nicht unbedingt als ‚normal‘ konnotiert, offen auf andere Menschen zuzugehen.

Manchmal reagiere ich innerlich auch erst einmal skeptisch auf Komplimente oder Liebesbekundungen. Ich kann Liebe besser austeilen als einstecken.

Etwas Ähnliches hat mir auch meine Tante von sich erzählt. Ich sagte ihr dann, dass es mir genauso geht und dass wir uns deshalb einfach gegenseitig Komplimente machen. Damit wir sie vielleicht irgendwann ohne innere Verrenkungen annehmen können. 

Ich bin mir sicher, dass manche diesen Text lesen und sich denken: ‚Meine Güte, was für eine idealistische Regenbogen-Einhorn-Schei*e.‘ Ich bin trotzdem zu hundert Prozent der Überzeugung, dass die Welt besser wäre, wenn wir alle ein bisschen lieber miteinander umgehen würden.

Die richtigen Worte

Manchmal begegne ich Menschen, höre ihre Stimme oder wie sie über ein bestimmtes Thema sprechen und ich weiß einfach: Diese Person gehört in mein Leben. So ging es mir bei allen meinen Freund*innen.

Ich fühle mich in meinen Freundschaften, als würde ich immer noch dasselbe schöne, spannende Gespräch führen, dass ich vor zwei, vier oder sechs Jahren mit diesen Menschen angefangen habe. Und ich wünschte einfach, ich könnte herausfinden, wie es dazu kommt.  

Welche Worte gesagt werden, dass diese Gespräche entstehen. Letztendlich glaube ich aber, dass es nicht die Worte waren, die ich oder andere Personen gesagt haben, sondern ihre Offenheit.

Guessing Games

Wenn ich merke, dass ich mit Personen über alles sprechen kann, ohne dass sie irritiert sind, dass wir uns offen sagen können, wie wir zueinanderstehen, dann sind das Menschen, denen ich mich zugehörig fühle.

„Life would be so easy/ If people said how they felt/ But instead we wind up in guessing games“, so heißt es in einem Song von Madi Sipes & The Painted Blue.

Im Endeffekt ist das Leben zu kurz, um sich den Kopf darüber zu zerbrechen, was andere vielleicht mit den Auslassungen und Leerstellen in ihrer Kommunikation meinen könnten.

Ich persönlich finde, wenn alle wichtigen Menschen in meinem Leben wissen, wie ich zu ihnen stehe und dass mein Herz vor Liebe zu ihnen fast platzt, habe ich etwas richtig gemacht.

Und wenn du einen Stupser gebraucht hast, um jemandem etwas Wichtiges zu sagen, was dich beschäftigt: Hier ist er.


Beitragsbild: © Unsplash/Hian Oliveira

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