Die Linke Kandidat Thomas Lechner auf der Bühne
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Kommunalwahl 2020: Der Linke OB-Kandidat Thomas Lechner im Interview

Es ist soweit: langsam aber sicher kommen wir in die heiße Phase des Wahlkampfs für die Kommunalwahl am 15. März. Die alles dominierende Frage, die uns dabei begleitet: Wer wird Oberbürgermeister*in? Wir haben uns jedenfalls vorgenommen, sie alle vorzustellen und sie mit den wichtigsten harten – und etwas softeren – Fragen zu konfrontieren, die die MUCBOOK-Redaktion beschäftigen.

Weiter geht’s mit Thomas Lechner, der als parteiloser Kandidat für Die Linke antritt. Der 58-Jährige politische Quereinsteiger ist Initiator von Großdemos wie #ausgehetzt, arbeitet in der Fachstelle Pop des Feierwerks und kann auf langjährige Erfahrung als DJ und Veranstalter zurück blicken.

Thomas Lechner im Fragebogen-Interview mit MUCBOOK:

Mucbook: Was wird besser, wenn Sie OB werden?

Thomas Lechner: Die Zivilgesellschaft wird stärker in politische Entscheidungsprozesse eingebunden. In meinem über Jahrzehnte dauernden zivilgesellschaftlichen Engagement habe ich  – wie viele andere auch – immer wieder beobachten müssen, dass sich die Parteien nur kurz vor den Wahlen für die Anliegen der Bürger ernsthaft interessieren, im Alltagsgeschäft wird Basisdemokratie eher als hinderlich angesehen und ausgebremst. Angesichts des fortschreitenden Rechtsrucks muss sich das dringend ändern. Ich würde zu vielen Problemen runde Tische einberufen, um Betroffene, Wissenschaftler und andere Fachpersonen in die Entscheidungsprozesse einzubeziehen.

Was bleibt gleich? Muss sich überhaupt etwas ändern?

Ich denke (und setze darauf), dass das vielfältige Engagement der Münchner*innen für eine bunte Stadtgesellschaft und gegen Diskriminierung und Rechtsruck gleich bleibt, wenn nicht sogar noch anwächst.

Das macht Sie zum Münchner:

Ich lebe seit 58 Jahren hier und hab mich auch im Moment größter Enttäuschung über die „Schicki-Micki“-Stadt immer zum Bleiben entschieden. München ist eigentlich toll, nicht nur wegen der vielen grünen Flächen, des hohen Anteils an Mitbürgerinnen mit Migrationsgeschichte oder seiner fortschrittlichen Positionierung im Bereich LGBTI*. München ist auch die reichste Kommune Deutschlands und bietet beste Voraussetzungen, Vorreiter in vielen gesellschaftlichen Themenfeldern sein zu können.

Der schönste Fleck der Stadt bei schönem Wetter ist …

Das Theatron, wenn dort Konzerte stattfinden

Und wenn’s regnet?

Ein gemeinsamer Kinoabend oder ein Besuch im Bellevue di Monaco.

Worüber fluchen Sie am meisten?

Die vielen gleichzeitigen Baustellen, die selbst Radfahrer*innen und Fußgänger*innen das Leben schwer machen, ganz zu schweigen von Menschen mit Behinderungen.

Ihr bayrisches Lieblingssprichwort?

Obwohl in München aufgewachsen, komme ich aus einer österreichischen Familie und bin in bayerischen Sprichwörtern nicht unbedingt sattelfest. Ich denke aber dass „Oa Scheidl aloa brennt ned“ durchaus einem meiner Lebenseinstellungen ziemlich nahe kommt: „Der Mensch kann nur zusammen Mensch werden“.  

Bitte ergänzen: Weniger Bussibussi, mehr …

aufrichtige Solidarität

So. Genug der Gemütlichkeit, Jetzt wollen wir ernstere Themenkomplexe behandeln, die unsere Leser*innen täglich beschäftigen. Los geht es mit der Frage aller Fragen, dem Gordischen Knoten, den noch niemand zerschlagen konnte:Was tun Sie gegen die Wohnraumknappheit, die in München herrscht? Was gegen die exorbitant hohen Mieten?

Zuallererst muss die Stadt so viel Grund wie möglich halten, besitzen, zurückerwerben. Nur als Eigentümerin kann sie niedrige Boden- und damit Mietpreise derzeit de facto garantieren. Wir müssen 10.000 Sozialwohnungen jährlich bauen, auch in die Höhe und in (behutsamer und ökologischer) Nachverdichtung. Und es müssen alle möglichen rechtlichen Schritte ausgereizt werden, wenn das Grundrecht auf Wohnen durch Spekulation von Konzernen angegriffen wird. Nichtkommerzielle Wohnungsträger wie Genossenschaften und Mietsyndikate müssen gefördert werden.

Und was tun sie wirklich gegen die hohen Mieten? Alle bisherigen Maßnahmen haben ja eigentlich nichts gebracht, wenn wir ehrlich sind.

Erstmal die zweite Runde des Volksbegehrens 6 Jahre Mietenstopp unterstützen. Soviel wie möglich Grund zu städtischem Grund machen. Was die Stadt noch machen kann bzw. muss: Enthaltungssatzung verschärfen und auf ganz München ausdehnen, um Luxussanierungen und Mietspekulation zu stoppen.

 München nennt sich Weltstadt. Warum gibt es hier so wenig Hochhäuser? Warum fahren U-Bahnen und Trams nicht öfter? Und warum wirkt es oft so, als würden spätestens um 21 Uhr abends die Bürgersteige hochgeklappt?

Im Grunde genommen offenbart sich hier das gleiche Problem wie im Wohnungsnotstand: München ist einfach zu teuer. Wenn dabei noch unkommerzielle und bezahlbare Kultur- und Freizeitangebote fehlen, kann sich keine lebendige Stadtkultur entwickeln und der wenige vorhandene Freiraum wird zu Tode reguliert. Die Stadtregierungen der letzten Jahrzehnte – egal ob GroKo oder Rot-Grün – haben diese Themen nie ernsthaft angepackt und haben deswegen diesen Zustand zu verantworten. Hier muss sich dringend etwas ändern. Der jahrelange Stillstand in der Politik ist einer der Gründe, warum ich mich zur Wahl stelle und gemeinsam mit der Zivilgesellschaft lösungsorientierte Konzepte vorantreiben möchte.

Erst sorgten die Obikes und co., dann die E-Scooter für Negativschlagzeilen. Man kann auch nicht behaupten, dass diese Sharing-Konzepte die Verkehrssituation der Stadt wirklich verbessert hätten. Wie bewegen sich die Münchner*innen der Zukunft fort?

Hoffentlich primär mit ÖPNV, zu Fuß oder mit dem Fahrrad. Autos sollten innerhalb des Mittleren Rings nur dann unterwegs sein, wenn es wirklich nicht anders geht (Arztbesuch, Krankentransporte, Anlieferungen). Sharing-Konzepte machen nur dann Sinn, wenn sie gut geregelt sind und nicht plötzlich E-Bikes oder –Scooter alles blockieren und Menschen mit Rollstuhl oder Kinderwagen nicht mehr daran vorbeikommen.

Warum ist der ÖPNV für Münchner*innen nicht kostenfrei?

Weil es bislag dafür am politischen Willen der regierenden Parteien fehlt. Ich setze mich jdeoch für Gratis-ÖPNV ein, ab sofort für Kinder, Jugendliche, Azubus, Rentnerinnen und Inhaber*innen des München Passes bzw. Menschen ohne Einkommen, bis 2025 dann für alle. Um das möglich zu machen, braucht es ein Umdenken in der Verkehrsplanung: Flächendeckender Tramausbau und S-Bahn-Ringe statt teurer und verkehrstechnisch fragwürdiger Prestige-Tunnelprojekte, eine Umschichtung des städtischen Haushalts weg von der Straße hin zum ÖPNV oder die Verwendung von Parkgebühren zur ÖPNV-Subvention.

Profilfoto von Die Linke Kandidat Thomas Lechner

Von der Mobilität jetzt zur Kultur: Das Clubsterben ist nicht nur in Berlin, sondern auch in München ein Thema. Was tun Sie ganz konkret für die Club- und Nachtkultur?

München braucht eine städtische Kulturpolitik mit Visionen und muss Kulturpolitik v.a. als Infrastrukturpolitik begreifen. Die Stadt muss deswegen die Entwicklung des ganzheitlichen Popfördermodells beschleunigen und gleichzeitig an sämtlichen Stellen der Stadtplanung die Einbindung und Schaffung von Kulturflächen fördern. Bei Stadtentwicklungsmaßnahmen (SEM) und der Viertelplanung muss bei der Schaffung sozio- und interkultureller Begegnungsstätten auch die freie Szene und Clubkultur mitbedacht und eingeplant werden. Kulturelle Orte (zu denen auch Clubs gehören) sind Stätten der Begegnung die dem Auseinanderbrechen der Gesellschaft entgegenwirken können. Zusätzlich brauchen wir Förderprogramme, um dem Clubsterben in München zu entgegnen. Denkbar ist hier das Berliner Modell zur Unterstützung von Schallschutzmaßnahmen, welche im extrem verdichteten München eine besonders wichtige Rolle spielen. Über einen Fonds nach Hamburger Vorbild wollen wir zur Förderung der lokalen Szene die Finanzierung der GEMA für Veranstaltungen mit Münchner Bands übernehmen. Zur Erreichung der Klimaziele muss auch das Nachtleben mit einberechnet werden (z.B. Unterstützung bei Umrüstungen im Bereich Licht und Getränkekühlung).

Unter den Kreativen dieser Stadt herrscht akute Platznot. Zwischennutzungen können da kurzfristig etwas Druck vom Kessel nehmen, lösen aber das Problem nicht. Es ist so in München für viele Künstler*innen schwierig bis unmöglich, zu überleben. Sehen Sie da die Stadt nicht in der Pflicht?

Wir müssen sämtliche städtische Liegenschaften nach geeigneten Räumen und Flächen für eine kulturelle Nutzung überprüfen. Mit Zuschussprogrammen und Modellen für städtische Kredite müssen die Raumfinanzierung gerade für unabhängige und nichtkomerzielle Künstler*innen gefördert werden. Die Trennung von „Hoch-“ und „Popkultur“ muss bei der Kulturförderung überwunden und neue Kultureinrichtungen inklusiv gestaltet werden (z.B. Bandübungsräume im öffentlichen Konzertsaal). Geeignete öffentliche Räume sollen – wie z.B. in Zürich – legal für nichtkommerzielle Parties offen stehen.

Unsere Podiumsdiskussionen mit Stadtrats-Kandidat*innen mit Migrationshintergrund haben gezeigt: Migrantische Perspektiven sind in der Politik krass unterrepräsentiert. Was tun Sie, um diesem eklatanten Missverhältnis entgegenzuwirken?

Grundbedingung für eine angemessene Repräsentanz wäre die rechtliche Gleichstellung inklusive Wahlrecht für alle Münchner*innen – unabhängig von Pass, Herkunft und Aufenthaltsstatus. Vorher ist jede Maßnahme eine reine Krücke. Was München solange tun kann: Den Migrationsbeirat reformieren und mit mehr Rechten und Kompetenzen ausstatten und städtische Inklusions- und Unterstützungsmaßnahmen ausweiten, um Migrant*innen zu helfen, überhaupt politisch aktiv zu werden und sich für ihre Belange einzusetzen. Dabei dürfen migrantische Gruppen keinesfalls klassifiziert oder gegeneinander ausgespielt werden (z.B. sog Gastarbeiter*innen, Geflüchtete oder EU-Arbeitsmigrant*innen aus Osteuropa).   

Sind sie für ein Ausländerstimmrecht auf kommunaler Ebene?

Selbstverständlich. Und für das Wahlrecht ab 14.

Jetzt wollen wir ein paar konkrete Zahlen hören: Wie hoch sollte die Durchschnittsmiete in München idealerweise sein?

Maximal 30% des Nettoeinkommens.

Wie viele Menschen sollen im neuen Stadtquartier im Nordosten wohnen?

So viele wie ökologisch und sozial maximal vertretbar sind. Hier sind soziale, moderne und ökolgische Stadtplaner*innen und Architekt*innen gefragt. Dazu möchte ich anmerken, dass SEM aktuell die einzige wirksame Maßnahme ist, die die Erschliessung von größeren Quartieren in sozial und ökologisch verträglichem Maße vorantreiben kann. Sie ist deswegen auch noch in weiteren Vierteln anzuwenden, um wirklich bezahlbaren Wohnraum zu schaffen.

Wieviele Parkplätze können wir zugunsten von Radwegen und Flaniermeilen noch aufheben?

Perspektivisch: praktisch alle, außer Parkhäuser für notwendigen Verkehr und Parkplätze bei Krankenhäusern, Arztpraxen etc. Für Menschen mit Behinderungen muss es ausreichend ausgewiesene Parkplätze in kurzen Distanzen zu ihren möglichen Ziel- und Versorgungsorten geben.

Für wie viele Menschen hat die Stadt München maximal Platz?

Das finde ich eine absurde Frage. Es gibt schließlich das Recht auf Bewegungsfreiheit und das Recht sich seinen Arbeitsplatz und Wohnort frei zu wählen. Wichtig ist, dass ein weiteres Anwachsen klug vorausgeplant und vor allem ökologisch und sozial gesteuert wird. 

Und zum Schluss ein paar Entscheidungsfragen: Schumanns oder Import/Export?

Natürlich Import/Export, ein guter Ort für Begegnungen und kulturelle Vielfalt

Englischer Garten oder Olympiapark?

Der englische Garten ist die schönste zentrale Grünfläche, der Olympiapark bietet mit dem Theatron eines der tollsten Open-Air Areale in ganz Deutschland

Isar oder Eisbach?

Isar

Spezi oder Weißbier?

Apfelschorle.


Fotos: © Die Linke/Thomas Lechner