Aktuell, Rathausschau, Stadt

Kommunalwahl 2020: ÖDP OB-Kandidat Tobias Ruff im Interview

Jan Krattiger

Es ist soweit: Langsam aber sicher kommen wir in die Schlußphase des Wahlkampfs für die Kommunalwahl am 15. März. Die alles dominierende Frage, die uns dabei begleitet: Wer wird Oberbürgermeister*in?

Wir haben uns jedenfalls vorgenommen, sie alle vorzustellen und sie mit den wichtigsten harten – und etwas softeren – Fragen zu konfrontieren, die die MUCBOOK-Redaktion beschäftigen.

Weiter geht es nun mit Tobias Ruff, OB-Kandidat für die ÖDP und seit 2010 Stadtrat für dieselbe.

Was wird besser, wenn Sie OB werden?

Die ÖDP ist die einzige echte Klimaschutzpartei im Stadtrat. Sie bekommen mit mir ein Klimaneutrales München, einen kräftigen Ausbau von ÖPNV und Radwegen, weniger neue Gewerbegebiete und damit weniger Wachstum und Druck auf den Wohnungsmarkt.

Was bleibt gleich? Muss sich überhaupt etwas ändern?

Das typische Münchner Lebensgefühl muss erhalten bleiben. Dazu müssen wir uns auf unsere Stärken besinnen, statt uns ständig mit anderen Städten zu messen. Wer sich dauernd mit London, New York und Shanghai vergleicht, wird so werden. Lebensqualität und Heimat sind dann passé.

Das macht Sie zum Münchner:

Ich bin in München geboren. Wichtiger aber ist das Gefühl, dass ich hier daheim bin und mein ehrenamtliches Engagement für die Stadt und ihre Gesellschaft.

Der schönste Fleck der Stadt bei schönem Wetter ist …

Es gibt viele schöne Flecken. Ich genieße es zum Beispiel sehr mittags über den Viktualienmarkt zu laufen.

Und wenn’s regnet?

Ein Spaziergang an der Isar.

Worüber fluchen Sie am meisten?

Wenn am Computer oder am Handy wieder mal was nicht funktioniert.

Ihr bayrisches Lieblingssprichwort?

Brauchts des?

Bitte ergänzen: Weniger Bussibussi, mehr …

… Ehrlichkeit.

So. Genug der Gemütlichkeit, Jetzt wollen wir ernstere Themenkomplexe behandeln, die unsere Leser*innen täglich beschäftigen. Los geht es mit der Frage aller Fragen, dem Gordischen Knoten, den noch niemand zerschlagen konnte:

Was tun Sie gegen die Wohnraumknappheit, die in München herrscht?Was gegen die exorbitant hohen Mieten?

Ich werde dafür sorgen, dass die Nachfrage nach Wohnraum nicht noch weiter angeheizt wird. Wir dürfen so lange keine neuen Gewerbeflächen in München mehr ausweisen, bis sich der Wohnungsmarkt entspannt hat.

Und was tun sie wirklich gegen die hohen Mieten? Alle bisherigen Maßnahmen haben ja eigentlich nichts gebracht, wenn wir ehrlich sind.

Richtig! Im Gegenteil, die Politik hat mit dem Anheizen des Wachstums die Lage in München noch verschärft. Was bringt das Bauen vonWohnungen, wenn gleichzeitig trotz Vollbeschäftigung überproportional mehr Arbeitsplätze in München geschaffen werden. Jeder neueArbeitsplatz zieht zusätzlich Menschen nach München, die hier entweder eine Wohnung brauchen, oder aber als Pendler im Stau stehen. Es ist schon fast dreist, wenn diejenigen, die die Situation zu verantworten haben, mit einem “weiter so” um Wähler werben.

München nennt sich Weltstadt. Warum gibt es hier so wenig Hochhäuser? Warum fahren U-Bahnen und Trams nicht öfter? Und warum wirkt es oft so, als würden spätestens um 21 Uhr abends die Bürgersteige hochgeklappt?

München nennt sich Weltstadt mit Herz. Ein anonymes Wohnumfeld in einer Hochhaussiedlung hat wenig mit Herz zu tun. Auch wird in Hochhäusern wenn überhaupt nur teurer Wohnraum geschaffen, das ist erst recht nicht herzlich. U-Bahnen und Trams fahren nicht öfter, weil wir beim Ausbau des ÖPNV mindestens 15 Jahre dem Stadtwachstum hinterher hinken. Die CSU hat den Ausbau der Traminfrastruktur behindert. Rot und Grün haben den Ausbau der U-Bahn gestoppt. Jetzt fehlen und Fahrer, Fahrzeuge und die Strecken stoßen an ihre Kapazitätsgrenzen. Dass in München so wenig los ist, ist doch ein jahrelang kultiviertes Klischee. Gibt es in Berlin einen Fasching, einen Nockherberg und eine Wiesn? Wie viele Biergärten gibt es in Hamburg, kann die Elbe mit der Isar mithalten?

Erst sorgten die Obikes und co., dann die E-Scooter fürNegativschlagzeilen. Man kann auch nicht behaupten, dass diese Sharing-Konzepte die Verkehrssituation der Stadt wirklich verbessert hätten. Wie bewegen sich die Münchner*innen der Zukunft fort?

Obikes und E-Scooter waren ja von Anfang an nicht für die Münchner gedacht. Vielen eröffnet aber Carsharing die Möglichkeit auf das eigene Auto zu verzichten. Dadurch sinkt der Fahrzeugbestand und Parkplätze können wegfallen. Es bleibt mehr Platz für andere Verkehrsmittel. Die tragenden Säulen im Münchner Verkehrsmix werden zukünftig der ÖPNV und das Fahrrad sein. Das Auto muss schnellstmöglich emissionsfrei werden.

Warum ist der ÖPNV für Münchner*innen nicht kostenfrei?

Das hängt mit der Gesetzeslage zusammen. Gefördert wird die Infrastruktur durch den Freistaat nur, wenn sich der laufende Betrieb durch Fahrgeldeinnahmen finanziert. Ohne Die Förderung kann sich München den Ausbau des ÖPNV aber nicht leisten.

Von der Mobilität jetzt zur Kultur: Das Clubsterben ist nicht nur in Berlin, sondern auch in München ein Thema. Was tun Sie ganz konkret für die Club- und Nachtkultur?

Ich gebe Freunden den Vorzug gegenüber Handy und PC und bin mit ihnen im Nachtleben unterwegs. Als Politiker muss ich Ihnen aber antworten, dass die Clubs die gleichen Probleme haben wie Wohnungen, sie stehen in Konkurrenz zu Gewerbe, das höhere Mieten bezahlen kann. Wir können die Clubs also und durch eine andere Stadtplanung erhalten, welche ihnen den nötigen Raum reserviert.

Unter den Kreativen dieser Stadt herrscht akute Platznot. Zwischennutzungen können da kurzfristig etwas Druck vom Kessel nehmen, lösen aber das Problem nicht. Es ist so in München für viele Künstler*innen schwierig bis unmöglich, zu überleben. Sehen Sie da die Stadt nicht in der Pflicht?

Durch das rasante Stadtwachstum, wird momentan jeder Quadratmeter überplant. In wenigen Jahren wird kein Raum mehr bleiben für Künstler. Wir brauchen dringend eine Verschnaufpause.

Unsere Podiumsdiskussionen mit Stadtrats-Kandidat*innen mit Migrationshintergrund haben gezeigt: Migrantische Perspektiven sind in der Politik krass unterrepräsentiert. Was tun Sie, um diesem eklatanten Missverhältnis entgegenzuwirken?

Sind sie für ein Ausländerstimmrecht auf kommunaler Ebene?

Zu Ihren Podiumsdiskussionen waren wir leider auch nicht eingeladen. Ich kann Ihnen daher keine Tipps geben. Als Partei sind wir tagtäglich auf der Straße, unsere Veranstaltungen und auch unsere Programmkommission steht allen offen. Der Anteil der Menschen mit Migrationshintergrund in unserer Partei hat in den letzten Jahren deutlich zugenommen. Wir haben im Stadtrat beantragt, analog zur Jugendwahl eine Wahl für Menschen ohne europäische Staatsbürgerschaft durchzuführen. Leider fanden wir im Stadtrat keine Unterstützer.

Jetzt wollen wir ein paar konkrete Zahlen hören:

Wie hoch sollte die Durchschnittsmiete in München idealerweise sein?

Der Wohnungsmarkt ist kein Wunschkonzert! Solche Fragen habe ich bisher nur zum Bierpreis gehört.

Wie viele Menschen sollen im neuen Stadtquartier im Nordosten wohnen?

Ein neues Stadtquartier im Nordosten kann erst entstehen, wenn die S-Bahn tiefer gelegt wird, also nicht vor 2040. Wir sind der Meinung, dass dann aus Rücksicht auf den Naturraum und die gewachsenen Viertel dort Wohnraum für nicht mehr als 10000 Menschengeschaffen werden sollte.

Wieviele Parkplätze können wir zugunsten von Radwegen und Flaniermeilen noch aufheben?

Parkplätze sollten immer dort weichen, wo wir den Platz für andere Verkehrsmittel, wie Radwege und Busspuren brauchen. Eine Erweiterung der Fußgängerzone, z.B. im Tal darf und muss auch auf Kosten von Parkplätzen gehen. Wie viele Parkplätze im Endeffekt wegfallen, hat bisher niemand gezählt.

Für wie viele Menschen hat die Stadt München maximal Platz?

Das hängt davon ab, welche Lebensqualität wir uns in dieser Stadterhalten wollen. Wenn man sich Hongkong zum Vorbild nimmt, was für mich ein Schreckensszenario wäre, so hätten noch deutlich mehr Menschen in München Platz. Die Frage müsste also lauten: Ist das Wachstum der Stadt erstrebenswert? Und wie können wir es steuern, ohne Menschen auszugrenzen?

Und zum Schluss ein paar Entscheidungsfragen:

Schumanns oder Import/Export?

Import/Export

Englischer Garten oder Olympiapark?

Englischer Garten

Isar oder Eisbach?

Isar

Spezi oder Weißbier?

Spezi

Vielen Dank für das Interview, Herr Ruf!

1Comment
  • Sarah Salhi
    Posted at 19:55h, 12 März

    Super sympathisch und authentisch! Schade, dass er bei so vielen Podiumsdiskussionen nicht eingeladen wurde… haben die anderen Parteien etwa Angst vor der ÖDP?

Post A Comment

Simple Share Buttons
Simple Share Buttons