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Kreativer Neustart für den alten Gasteig: Startschuss für die Fat Cat

Tobias Wullert

Seit Februar 2023 steht fest, dass die größte Zwischennutzung, die München bisher gesehen hat, von einem sehr erfahrenen Team gestemmt wird. Die Gesellschafter der gemeinnützigen Fat Cat GmbH Barbara Bergau vom Bellevue di Monaco, Konzertveranstalter Till Hofmann (u.a. Milla und Lustspielhaus), Michi Kern (u.a. Sugar Mountain) und Nepomuk Schessl (Konzertveranstalter bei MünchenMusik) wollen einen interdisziplinären Ort für die Kunst schaffen und haben keine einfache Aufgabe vor sich. Nachdem im Mai die ersten Künstler*innen eingezogen sind, öffnet am Sonntag, den 9. Juli die Fat Cat im Alten Gasteig erstmals ihre Türen für die Öffentlichkeit.

Seit 2021 das letzte Konzert im alten Gasteig gegeben wurde, stand der Gebäudekomplex größtenteils leer und wurde bis Ende Dezember von der Stadt als temporäres Impfzentrum genutzt. Seit November 2021 hat bereits die Münchner Werkzeugbibliothek im Gasteig eine Heimat gefunden sowie seit 2018 das “Pixel”, eine Einrichtung für digitale Partizipation des Instituts für Medienpädagogik. Den weiteren Leerstand zu beheben und die Räume an Künstler und Musiker zu vergeben, hat sich nun die dafür gegründete Fat Cat gGmbH auf die Fahne geschrieben.

Das Haus und seine Möglichkeiten bestmöglich ausspielen

Der engagierte Veranstalter Christian Kiesler wurde als Projektleiter ins Boot geholt und soll nicht nur die zahlreichen geplanten Veranstaltungen koordinieren. Er ist auch für die Vergabe der rund 170 Räume verantwortlich. Zahlreiche Anfragen erhielt das Zwischennutzungsteam nach einem „Call for Ideas“ im März. Diese Räume wurden ab 150 Euro vermietet.

Mittlerweile seien fast alle Räume belegt und die Fat Cat bietet über 100 Künstler*innen ein Zuhause. Genau definierte Kriterien für die Auswahl gab es nicht: „Wir haben versucht, und es ist uns meiner Meinung nach auch gelungen, einen sehr diversen und interdisziplinären Haufen an kreativen Münchner*innen zusammenzubekommen, um dieses Haus und dessen Möglichkeiten bestmöglich auszuspielen.“ So solle die räumliche Nähe so vieler unterschiedlicher kreativer Köpfe genutzt werden, um sich zu vernetzen und Synergien zu schaffen.

Neuer Projektleiter in der FatCat: Konzertveranstalter Christian Kiesler – © PR

Zu den neuen Mieter*innen gehören verschiedene Bands, darunter so namhafte Acts wie Blackout Problems, Umme Block und sogar die Sportfreunde Stiller, Solist*innen, Studierende der Akademie der Bildenden Künste, Drehbuchautor*innen, aber auch Tanz- und Theatergruppen und das Contemporary Jazz-Label Squama Records. Ein Stockwerk wird außerdem weiterhin für die Verwaltung von der Gasteig GmbH genutzt.

Seit dem Einzug der Fat Cat ist viel passiert: Der kleine Konzertsaal und die Blackbox wurden mit Licht- und Ton-Technik ausgestattet und ein Licht- und Tonkonzept für den Carl-Orff-Saal entwickelt, der Einbau ist für August geplant.

Erste Veranstaltungen fanden statt, das Dance-Festival feierte seine Eröffnung im Carl Orff Saal, Off-Theaterproduktionen wie „Gilgamesh“ vom Bellevue di Monaco und der Formation d451 fanden in der Blackbox statt. Dazu übernahm das Team der Ankerhaide das ehemalige Restaurant “Gast” und wird dort mit einem neuen Gastro-Konzept überraschen.

Die Fat Cat öffnet ihre Türen für die Öffentlichkeit

Das Projekt ist aber nicht ganz unumstritten, so fürchten nicht nur lokale Veranstalter*innen die Konkurrenz, die durch die neue bespielbare Location entsteht.

Auch Künstler*innen sind kritisch: So sieht Gabi Blum, freie Künstlerin, die  sich u.a. mit dem Berufsverband für Bildende Künstler (BBK) München und Oberbayern und der Initiative “#EXIST – Raum für Kunst in München für gute Arbeitsbedingungen für Künstler*innen” einsetzt, an solchen Orten das Problem, dass die Konditionen nicht gemacht sind für freie Akteur*innen aller künstlerischen Sparten, die eher nicht kommerziell arbeiten, aber von der Stadt immer gerne an diesen Orten gewünscht sind. Sie vergleicht die Fat Cat mit dem ehemaligen Gesundheitshaus in der Dachauerstraße, das ursprünglich für Soziokultur und freie Künstler*innen zur Verfügung gestellt werden sollte, ebenso wie im Zirka Space im Kreativquartier.

“Beide Orte sind nur für ein paar Jahre nutzbar und haben enorme Investitionen benötigt, zudem wurden jeweils zu hohe Preise aufgerufen. Beim Zirka waren es zu Anfang für die Flächen im Erdgeschoss fast 20 Euro pro qm – für eine stark renovierungsbedürftige Halle ohne Dämmung und Heizung! Das können freie Künstler*innen oder soziokulturelle Akteur*innen weder zahlen noch leisten, das endet dann nur wieder in Selbstausbeutung.”

Gabi Blum

Gabi Blum hofft, das wird im Fat Cat anders:

“Hier war die erste Ausschreibung so desaströs, dass berechtigte Kritik von den jetzigen Betreiber*innen geäußert wurde und die Konditionen zumindest für sie auf ein machbares Niveau angepasst wurden. Ebenso war es im Zirka, aber auch ein Mietpreis von 8 Euro netto ist für so einen Ort zu viel. Die Investionen und der Aufbau der Infrastruktur trieben die Kosten in die Höhe. Ein guter Mietpreis für so einen Ort ist: kein Mietpreis. Und im besten Falle dazu noch ein Budget damit freie Akteur*innen die Orte auch betreiben können. Für die „Hochkultur“ würde ein neuer toller Spielort gebaut, für den u.a. freie Künstler*innen Räume verloren haben und den freien Szenen würden dann nicht wirklich machbare temporäre Orte zur Verfügung gestellt. Wenn Atelierhäuser wegfallen oder Ateliergemeinschaften heimatlos werden, baut niemand etwas neues für diese Leute. Wirklich schmücken könnte man sich aber genau damit, mit neuen dauerhaften Orten, die für die freie Kunst bereitgestellt werden zusammen mit einem Budget um die dazu notwendige Infrastruktur auch aufbauen zu können. Ich denke da auch an kommende Orte die frei werden wie das Justizzentrum in der Nymphenburger Straße oder das BR Haus in der Arnulfstraße. Warum nicht den Gasteig dauerhaft für Alternativkultur behalten? Das HP8 ist doch jetzt ein prima Ort für die bisherigen Nutzer*innen!”

Beitragsbild: © Johannes Seyerlein; Bild Christian Kiesler: © PR; Bild Gabi Blum: © Magdalena Jooss

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