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Meine Halte – Folge 25: Garching

Aylin Dogan

Am nördlichen Ende von München, dem Ende der U6, beschlagnahmt die kleine Universitätsstadt Garching drei U-Bahn Stationen für sich: Garching-Hochbrück, einfach-nur-Garching und Garching-Forschungszentrum. Was für ein Luxus. Kein Wunder, dass da die eine oder der andere den Überblick verliert.

Wohnst du da bei der Uni?“ – „Irgendwie schon, aber irgendwie auch nicht.“ 

Unzählige Male habe ich schon klarstellen müssen, dass ich nicht dort bei der TU München wohne, sondern schon eine Station vorher aussteige. Meine Halte ist nämlich einfach-nur-Garching. Eigentlich ist es total unnötig das jedes Mal aufs Neue zu erklären. Aus irgendeinem Grund tue ich es aber trotzdem immer. Vielleicht ist das einfach so, wenn man nach so vielen Jahren seine Halte gleichzeitig als sein ‘Zuhause’ beschreibt und ihr die gerechte Anerkennung geben will. Sie soll nicht untergehen zwischen der Station mit der Uni und der mit dem Industriegelände.

HassLiebe

Es gibt vermutlich niemanden, der seine Halte bedingungslos liebt. Ich würde mir zum Beispiel wünschen, dass es an der U-Bahn nicht diesen sehr lästigen Fahrradparkplatz mit zwei Etagen geben würde. Mal abgesehen davon, dass ich aus Protest (und meistens aus Zeitmangel) niemals mein Fahrrad auf die obere Etage stelle, haue ich mir da jedes Mal den Kopf an. Auch wenn mir das nicht wirklich den Tag versüßt und ich mich am liebsten jetzt noch weiter darüber ärgern würde, lohnt es sich auch mal, einen Blick auf die guten Dinge an meiner Halte zu werfen. Und von denen gibt es einige.

Ich bekomme zu 99 Prozent immer einen Sitzplatz, wenn ich stadteinwärts fahre. Muss ich meinen unsportlichen Körper wieder einmal zu einem U-Bahn-Sprint herausfordern, dann gibt es nichts Besseres, als sich die zehn verbrannten Kalorien mit einer Sitzgelegenheit zu belohnen. Bei den restlichen ein Prozent handelt es sich um die Zeiten, in denen alle TU-Studenten aus der Uni stürmen und nach Hause wollen. Dann wird es doch mal eng und statt dem Sitzplatz heißt es dann: Kuscheln im Stehen. Aber auch das ist nicht immer schlecht. Manchmal kommt man dabei doch in das ein oder andere nette Gespräch. (Flirtfaktor: hoch.)

Meine Halte – ein praktischer Freund

Wenn ich mal pünktlich an der U-Bahn ankomme, so selten wie das auch ist, dann gehe ich entweder gelassen die 102 Treppenstufen nach unten, oder fahre entspannt mit der Rolltreppe. Und wenn ich ein letztes Mal auf der Rolltreppe meinen Look checken will, dann reicht ein Blick nach oben. Probiert es aus. Denn wer an meiner Halte nach oben sieht, der erblickt sich selbst. Dahinter steckt keine Magie, sondern eine Spiegeldecke.

Für den großen und kleinen Hunger sorgt meine Station auch. Direkt an der Oberfläche angekommen, erwartet einen ein Inder, eine Bäckerei, ein Supermarkt und sogar eine Eisdiele.

Ja, eine Halte muss nicht immer nur ein Ort sein, der dich von A nach B bringt. Eine Halte kann auch ziemlich praktisch sein. Zum Beispiel ist die Lage von einfach-nur-Garching sehr praktisch. Wenn es mal passiert, dass ich in der U-Bahn einschlafe, dann wache ich schlimmstenfalls an der Endstation auf. Und wie lange brauche ich dann, um nach Hause zu fahren? Richtig, nur eine Station.

Nicht mittendrin, aber auch nicht am anderen Ende der Welt

Laut dem MVV-Plan liegt einfach-nur-Garching im Außenraum. Obwohl mir das nicht so vorkommt, da ich schnell und ohne Umsteigen ins Zentrum gelange, ist das einfach Fakt. Und das hat seine Vor- und Nachteile. Das U-Bahn Ticket ist teurer und der Anschluss, vor allem am Wochenende oder generell nach Mitternacht könnte etwas angenehmer sein. Aber auch das überlebt man.

Denn es gibt auch schöne Seiten, nicht direkt im Zentrum zu leben. Wenn mir die Stadt und die vielen Menschen den letzten Nerv rauben, dann kann ich zuhause entspannen. Fehlt mir doch das aufregende Leben in der Stadt, so kann ich in kurzer Zeit wieder mittendrin sein. Es hat auch etwas vertrautes und angenehmes, wenn man nach einem langen Tag in der U-Bahn Richtung einfach-nur-Garching sitzt, der Wagon sich immer mehr leert und man dabei auf eine leuchtende Arena oder einen wunderschönen Sonnenuntergang blickt.