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Meine Halte: Schloss Nymphenburg – Idylle seit über 350 Jahren

Celine Edinger

Wenn ich Menschen erzähle, dass ich am Schloss Nymphenburg wohne, bekomme ich in den allermeisten Fällen eine von folgenden beiden Reaktionen: Ach, wie schön! Oder: Ach, so weit draußen! Am Schloss wohnen, das klingt zwar irgendwie nach ästhetisch und verträumter Wohngegend, aber eben auch nicht so, als wäre man sonderlich zentral gelegen.

(M)eine Hassliebe, das Radfahren

Wie jetzt? In einer Kolumne über Haltestellen geht es auf einmal ums Radfahren? Ich wage mal einen kleinen Exkurs: Lange dachte ich, nichts könnte mich dazu bringen in einer Stadt mit U-bahnen aufs Rad zu steigen, als Kleinstadt-Kind war ich regelrecht verliebt in die Öffis. Dann kam die Pandemie. Wir erinnern uns (ungern): Lockdowns, Homeoffice, selbstgenähte Masken und aufwendige PCR-Tests im Krankenhaus. Mit dem Umzug zum Nymphenburger Schloss, in eine Straße, von der aus die nächste U-Bahn mindestens 20 Minuten entfernt ist, hat es mich endgültig aufs Rad verschlagen. Ist ja eh besser für Gesundheit, Klima, Geldbeutel und so weiter. Diesen Winter habe ich mir zum ersten Mal seit Beginn meines Studiums kein Semesterticket geholt – lohnt sich für mich nicht mehr. 

Immer für mich da: die Tram

Ich bin also mittlerweile Radfahrerin durch und durch. Bei jedem Wetter und zu jeder Uhrzeit schwinge ich mich auf meinen mindestens 30 Jahre alten gelben Drahtesel, den Mantel hochgebunden, die Hose in die Socken gestopft. Und mit dem Radfahren widerlegt sich auch eine der Thesen, die Menschen im Kopf haben, wenn es um meinen Wohnort geht: Das Schloss ist gar nicht so weit draußen, nur eben nicht so gut angebunden. Die Tram-Haltestelle vor meiner Haustür ist in den letzten Jahren dennoch sowas wie eine treue (und teure) Alternative zu meinem Rad geworden. Egal ob es wie aus Kübeln regnet, mein Weg mich aus der Stadt führt oder ich mal wieder vor einem platten Reifen stehe: Die Tram ist für mich da, wenn mein Rad es nicht sein kann.

Idylle in der Großstadt 

Klar, Radfahren ist oft anstrengend und aus der Tram hat man zwar einen schönen Ausblick, kommt aber nicht wirklich schnell ans Ziel. Das Schloss ist eben nicht am Odeonsplatz (aber wer wohnt schon am Odeonsplatz?). Trotzdem würde ich meine Halte und damit auch meinen Wohnort nicht tauschen wollen, denn die erste Reaktion von Menschen zu meinem Wohnort ist definitiv wahr – es ist schön, sogar sehr! Auch wenn ich am Schloss Nymphenburg vor allem von alten Menschen, Krankenhäusern und medizinischen Praxen umgeben bin, bin ich eben auch in fünf Minuten im Schlosspark. Eine Idylle, die nicht mal Schulklassen und Touri-Busse am Sonntagnachmittag zerstören können. Kieswege, die mich durch Wälder führen, von denen aus sich die Großstadt nur noch durch ein entferntes Rauschen erahnen lässt. Links läuft ein Reh durchs Dickicht, rechts fließt ein klarer Bach. Und dafür trete ich doch gern ein bisschen länger in die Pedale… 

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