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Meinung zu Bauernprotesten: Lasst Vorsicht und Genauigkeit walten

Moritz Müllender

Nicht nur die Landwirt*innen müssen aufpassen, dass sie nicht rechtsextreme Kräfte stärken. Auch eher linke Städter*innen schüren Ressentiments.

Lebenswelten krachen am Odeonsplatz aufeinander. Die einen drängen sich bunt bemützt mit Kaffeebecher durch die Menge. Die anderen fordern wütend das Ende der Ampel. Die Proteste der Landwirt*innen haben München erreicht.

Traktoren füllen die Straßen. Per Sternfahrt tuckerten sie seit dem frühen Morgen in das Stadtzentrum. Jetzt stehen ihre riesigen Reifen still. Die Ressentiments drehen indes an mancher Stelle frei.

Von der Bühne grenzt sich ein Redner von der Gewalt gegen Robert Habeck ab, er wird ausgebuht. In der Menge fantasieren einige vom Umsturz. Manche Traktoren und LKW zieren Galgen, ein Banner fordert „Remigration“ – ein sanftes Wort für die Vertreibung von Millionen Menschen. Andere Schilder proklamieren “Germany First” inklusive Reichsflagge. Die Landwirt*innen und alle, die mit ihnen demonstrieren, müssen aufpassen, dass sie nicht extrem rechten Kräften den Boden bereiten. Die demokratischen Demonstrierenden müssen sich hier klarer abgrenzen und Antidemokrat*innen konsequenter ausschließen. Sie müssen zeigen, dass sie die große Mehrheit sind.

Auch Städter*innen befeuern Ressentiments

Aber auch die Städter*innen, die jetzt auf die Bauern schimpfen, sollten aufpassen. Sie entlarven ihr eigenes Unwissen und ihre Arroganz gegenüber der Landbevölkerung, wenn sie jeglichen Protest als rechtsextrem brandmarken. Denn einiges, was die Bäuer*innen kritisieren, ist richtig. Etwa, dass ein nachvollziehbarer Plan und Unterstützung für die Transformation zur Klimaneutralität fehlen. Wenn Städter*innen jetzt aus Unwissenheit auf vermeintlich rechte Bäuer*innen schimpfen, tragen sie dazu bei, dass sich Bäuer*innen unverstanden fühlen und der Frust zunimmt. Auch sie schüren damit die Ressentiments und treiben Frustrierte so womöglich in die Arme von Rechtsextremen.

Stattdessen könnten sie vernünftige Stimmen hervorheben und sich mit ihnen solidarisieren. So sagt die junge Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft in einem Instagram-Reel: “Wir stehen hinter bäuerlichen Protesten aber müssen derzeit zusehen, wie unsere Not von Rechts instrumentalisiert wird”. Sie fordern faire Erzeugerpreise und verlässliche Rahmenbedingungen für die Landwirtschaft und: “Ja zu bäuerlichem Protest, Nein zu rechter Hetze!”

Diesem Ruf sollten sich auch Städter*innen anschließen, die sonst für Solidarität und Klimagerechtigkeit auf die Straße gehen.