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Mehr Lärm und Krach für die Musikszene – So war’s bei unserer CREATIVE SESSION am 7. Dezember

Simon Hirler

Bei unserer vorweihnachtlichen CREATIVE SESSION in der PERLE stand diesmal die Musik- und Subkultur Münchens im Mittelpunkt. Ein vielfältiges Panel aus Musiker*innen, Szeneaktivist*innen und Vertreter*innen der Stadtpolitik ermöglichte uns einen umfassenden Einblick in die Situation der städtischen Musikszene. Unter der Moderation von MUCBOOK-Redakteur Moritz Müllender wurden Themen wie der Einstieg in die Branche, die Rolle staatlicher Förderungen sowie aktuelle Herausforderungen und Chancen der Szene diskutiert.

München’s Musikszene: Herausforderungen für Newcomer*innen

Die Kulturlandschaft in München ist vielfältig und bunt, darin waren sich alle Teilnehmer*innen der Runde einig. Die Stadt profitiert von ihrer breiten Palette an musikalischer Subkultur, von talentierten jungen Künstler*innen verschiedenster Stilrichtungen und von engagierten Macher*innen in der Szene. Eine dieser aufstrebenden Künstlerinnen ist die Singer-Songwriterin Diana Goldberg: Im Jahr 2020 feierte sie offiziell ihr Pop-Debüt und erhielt unverhofft einen ersten Aufmerksamkeitsschub als sie dafür von der SZ interviewt wurde. „Ich bin mega dankbar für den Support“, berichtet sie, gerade als Newcomerin sei die mediale Aufmerksamkeit von großer Bedeutung gewesen. Ihr Einstieg in die Szene verlief jedoch nicht immer reibungslos. Als Newcomerin fühlte sie sich oft allein gelassen: „Mentoring hätte sicher geholfen“, sagt sie. Auch würde es in München an Netzwerken für Musiker*innen fehlen.

Dieser Meinung schließt sich auch QUEEN Lizzy – Musikerin, Aktivistin und Model aus München – an. Sie weiß aus eigener Erfahrung, wie schwierig es etwa für POC-Künstler*innen ist, in der Branche Fuß zu fassen: “Man braucht einfach ein gewisses Standing, um als POC-Artist wahrgenommen zu werden”, sagt sie. Als Aktivistin, zum Beispiel in der BLM-Bewegung, konnte Lizzy sich eben dieses Standing erarbeiten. Allerdings brachte die öffentliche Aufmerksamkeit auch viele Anfeindungen mit sich, die Lizzy durch ihre Musik in Self-Empowerment umwandelt. Sie findet, dass die größte Hürde für POC-Künstler*innen und alternative Musiker*innen darin besteht, nicht dem Bild der deutschen Mehrheitsgesellschaft zu entsprechen. Deshalb blieben solche Stimmen stark unterrepräsentiert. Auch sie hätte sich mehr Unterstützung von der Stadt gewünscht. Es gebe zwar Förderprogramme und Anlaufstellen, aber diese seien oft nicht ausreichend bekannt.

Förderungen für mehr Vielfalt, Empowerment und Know-How

Die Fachstelle Pop im Feierwerk ist eine dieser Anlaufstellen zur Förderung und Vernetzung der popmusikalischen Szenen in München. Sie erhält finanzielle Unterstützung vom Kulturreferat und unterstützt Musiker*innen, Veranstaltende und andere Akteur*innen im Popgeschehen der Stadt. Jakob Döhring, stellvertretender Leiter der Fachstelle, ist selbst DJ und Veranstalter. Er kennt die Herausforderungen, mit denen kleine Künstler*innen in München konfrontiert sind. Aus diesem Grund ist er besonders stolz auf das neue Förderprogramm der Fachstelle namens „Munich Music Booster“, das jährlich mit 50.000 Euro vom Kulturreferat finanziert wird. Durch die Vergabe von kleinen, unkomplizierten Fördergeldern an die Musiker*innen der Stadt sollen bewusst neue Kreise angesprochen und Hürden in der Musikförderung abgebaut werden. Dabei werde auch ein besonderes Augenmerk auf Diversität und Empowerment gelegt, betont Döhring: „Das ist auch keine Bevorzugung, sondern es wird einfach mal nicht diskriminiert!“ Die Fachstelle Pop will die vielfältige Stadtgesellschaft erreichen, deshalb sei es umso wichtiger, die Angebote durch Netzwerkarbeit sichtbar zu machen und den Erfolg der geförderten Projekte zu betonen.

Trotz der finanziellen Unterstützung der Stadt stehen die gemeinnützigen Vereine, die die Programme organisieren, unter erheblichem Druck. Lily Felixberger ist Veranstalterin, DJ und Betreiberin des Import Export, das durch die Regelförderung der Stadt mitfinanziert wird. Der Weg dorthin war aber nicht leicht, „ein langer Kampf und viele Jahre prekärer Arbeit“ gingen der Förderung voraus, wie Felixberger berichtet. Das Import Export ist oft der erste Auftrittsort für Künstler*innen, wie auch für Diana Goldberg, die dort ihren ersten Auftritt hatte. Die Unterstützung der Talente ist die Hauptaufgabe des Import Export-Teams: „Da gehört viel Mentoring und Beratungsarbeit dazu“, sagt Felixberger. Allein für diese umfassende Arbeit wären eigentlich mehr Fördergelder notwendig, um auch die jungen Musiker*innen zu entlasten. Diese gingen in der Regel „mit einem Minus“ aus ihren Austritten heraus – ein Verlustgeschäft, das dauerhaft nicht tragbar sei. Felixberger findet die Situation „dramatisch“, jedoch fehle es leider an öffentlicher Aufmerksamkeit für das Problem. Die Arbeit des Import Export gehöre klar in die „nicht kommerzielle Sparte“ und diese müsse eben stark gefördert werden, betont sie.

Manuel Kim, Mitgründer des HYTOP-Festivals, DJ und Label-Manager des Münchner Labels Toy Tonics, ist der Meinung, dass man auch mit kleinen Projekten viel erreichen kann. Seit 2022 organisiert er das Projekt MIXCAMP. Mit DJ-Workshops und Gesprächsreihen will Kim Interessierten einen Einblick in die Clubbranche geben, ihnen das Netzwerken ermöglichen und so potentiellen Nachwuchs für die Münchner Clubszene ausbilden. Im Endeffekt wolle das Projekt aufzeigen, dass DJ-ing, Nachtleben und Clubkultur mehr als nur Hobby sein können, sagt er. „Es hat sich viel zum Positiven gewandelt!“ Künstler*innen und die Szene würden in der Öffentlichkeit endlich als „wichtiger Teil der Stadt“ wahrgenommen werden. Die DJ-Workshops erfreuen sich großer Beliebtheit, alle Plätze waren diesen Herbst restlos vergeben. Kim steckt viel Herzblut in die Workshops und freut sich über das positive Feedback der Teilnehmer*innen sowie in der Öffentlichkeit und Presse. Ihm gehe es darum „den Funken zu starten“ und das sei offensichtlich gelungen.

Perspektivenwechsel in der Politik?

Dieser Funken springt auch langsam auf die Stadtpolitik über: Für Kathrin Abele, Mitglied des Stadtrates und stellvertretende Fraktionsvorsitzende für die Fraktion SPD – Volt, ist die Fachstelle Pop ein echter „Meilenstein“ in der Kulturförderung. Natürlich gibt es weiterhin Herausforderungen, zum Beispiel die fehlende Bekanntheit einiger Angebote oder die Förderung von Frauen und POCs in der mehrheitlich weißen und männerdominierten Szene. Auch der chronische Mangel an Proberäumen für Musiker*innen und Bands ist eine Baustelle: „Wir sind auf einem guten Weg“, sagt sie, erst in der letzten Sitzung des Kulturausschusses habe man zwölf neue Band-Übungsräume auf den Weg bringen können.

Wie so oft strahlt der berüchtigte Münchner Immobilienmarkt auch auf die Musikszene ab: Im Gegensatz zur Orten der Hochkultur, die Spielstätten wie den Gasteig oder die Isarphilharmonie zur Verfügung hat, fehlt es der Pop- und Subkultur oft an geeigneten Veranstaltungsorten. Laut Florian Roth, Mitglied des Stadtrates für die Fraktion Die Grünen – Rosa Liste und Mitglied des Kulturausschusses, brauche es einen stärkeren „Perspektivenwechsel“ in der Stadtpolitik. Subkultur, Nachtleben und Nicht-Mainstream-Musik seien „essenziell für ein vielfältiges Zusammenleben“, das müsse sich auch in den Fördergeldern widerspiegeln. Beim Schaffen von geeigneten Räumen gebe es noch viel zu tun, deshalb findet Roth gerade die Idee von Mischnutzungen spannend. „Die tollen Säle der Stadt müssen genutzt werden“, sagt er, sie seien eine große Chance für die Münchner Subkultur.

Frische Ideen für die Szene

Auch Kathrin Abele findet die Idee der Mischnutzungen sinnvoll. Gerade die Isarphilharmonie oder die Stadtteilkulturhäuser seien dazu bestens geeignet, es brauche nur mehr Events. Jakob Döhring stimmt zu: Die Kulturhäuser der Stadt – wie etwa die Glockenbachwerkstatt – würden als „Sprungbrett“ für viele kleinere Acts dienen. Aber oft passen die Veranstaltungsorte eben nicht zur Subkultur, sagt er. Ein Punkkonzert im Prunksaal ergebe nur wenig Sinn. „Es braucht auch die kleinen Butzen“, betont er. Manuel Kim stimmt dem zu, wichtig sind „kleine Projekte und punktierte Zielsetzungen“, um die Künstler*innen der Stadt zu ermutigen.

Auch zur Frage, wie man Förderprogramme in der Öffentlichkeit sichtbar macht, gab es verschiedene Ansätze: Lily Felixberger findet, die Stadt solle selbst mehr werben und auch auf Social Media aktiver sein – eben da wo sich junge Kreative rumtreiben. Diana Goldberg hat die Idee, die Förderungen auch im öffentlichen Raum stärker sichtbar zu machen, beispielsweise auf den Videotafeln der MVG. Die Stadträte Roth und Abele wollen der Szene genau zuzuhören und deren Vorschläge sowie Ideen weitertragen.

Hoffnungen und Wünsche

Ganz im Sinne der Weihnachtszeit formulierten unsere Panelgäste zum Abschluss der Diskussion ihre persönlichen Wünsche und Appelle an die Münchner Musikszene: Lily Felixberger fordert eine Erhöhung der Fördergelder und die Bereitstellung von Räumen für Künstler*innen, auch QUEEN Lizzy hofft auf bezahlbare Proberäume für selbständige Artists. Diana Goldberg wünscht sich eine hürdenlose Vernetzung der verschiedenen Szene-Akteure und Manuel Kim sehnt sich nach mehr Aktivismus für den Erhalt der Clubkultur. Kathrin Abele fordert die stärkere Sichtbarkeit von Frauen in der Münchner Musiklandschaft. Für Jakob Döhring wäre eine „Demokratisierung des Kulturbegriffs“ längst an der Zeit und Florian Roth hofft auf „mehr Lärm und Ärger“ in der Kulturdebatte.

Die PERLE ist eine neue Zwischennutzung von MUCBOOK CLUBHAUS in Kooperation mit dem STEINCHEN KULTURCAFÉ und dient als neue Kulturstätte für Debatten, Kultur, Kunst und Impulse in Laim. Ziel der vom Freistaat Bayern, der Landeshauptstadt München, dem Bezirksausschuss sowie dem Eigentümer Urban Progress unterstützten Zwischennutzung ist es, einen Wohlfühlort und Treffpunkt für die Kreativ- und Kulturszene Münchens, aber auch für die Bewohner:innen Laims zu schaffen.

Vielen Dank an dieser Stelle auch an die Möglichmacher dieser Veranstaltungsreihe, insbesondere das Bayerisches Staatsministerium für Wirtschaft, Landesentwicklung und Energie als Fördergeber, aber auch an das Team von bayernkreativ für die Antragsbearbeitung.

Die Zwischennutzung wird ermöglicht durch den Bauherren Urban Progress.
Dieses Projekt wird mit Mitteln der Europäischen Union aus dem Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE) gefördert sowie der Landeshauptstadt München und dem Kompetenzteam Kultur- und Kreativwirtschaft kofinanziert.


Text: Simon Hirler

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