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Ramadan in München: Leere Moscheen und Video-Botschaften

Florian Kappelsberger

Videobotschaften statt gemeinsamen Gebeten in der Moschee, nächtliche Ausganssperren statt dem festlichen Fastenbrechen: Wie erleben Münchner Muslim*innen den Fastenmonat Ramadan im aktuellen Lockdown? Belmin Mehic, Imam und Vorstandsmitglied des Münchner Forums für Islam, erzählt MUCBOOK von den Erfahrungen in seiner Gemeinde.

Zweiter Ramadan im Lockdown

“Das ist nun das zweite Jahr, in dem wir auf viele Aktivitäten verzichten, die normalerweise in der Gemeinschaft stattfinden”, erzählt er. Während des Monats Ramadan, der in diesem Jahr von 13. April bis zum 12. Mai dauert, dürfen gläubige Muslim*innen tagsüber nichts essen und trinken. Erst nach Sonnenuntergang wird das Fasten gebrochen, was man traditionell gemeinsam feiert. Im Mai 2019 veranstaltete das Münchner Forum für Islam beispielsweise ein großes Iftar-Fest in der Altstadt, bei dem Münchnerinnen und Münchner – egal welcher Herkunft oder Religion – zusammenkamen.

Gepostet von MFI – Münchner Forum für Islam e.V. am Sonntag, 26. Mai 2019

All das muss in diesem Jahr, wie auch schon 2020, pandemiebedingt entfallen. Deshalb wird der Fokus vielmehr auf das Private gelegt: Gebete, Koranlesungen und Fastenbrechen finden zuhause im Kreis der Familie statt: “Dieses Jahr handeln wir im Sinne des Koran-Verses: Und macht aus euren Häusern Gebetsstätten”, so Imam Mehic. Das gebe den Gläubigen die Gelegenheit, den Fastenmonat in der Atmosphäre der Familie zu erleben.

Alternativen gesucht

Zugleich suchen die Imame nach alternativen Möglichkeiten, um den Kontakt zur Glaubensgemeinde aufrechtzuerhalten. Belmin Mehic verschickt zum Beispiel täglich kurz vor dem Fastenbrechen eine Videobotschaft, aber auch Online-Lesungen aus dem Koran sind mittlerweile zur Routine geworden.

Wie geht es den Gläubigen mit dieser Ausnahmesituation? “Es ist auf jeden Fall eine große Veränderung”, meint Mehic. Die Mitglieder der Gemeinde seien natürlich enttäuscht, dass der Besuch der Moschee im Moment entfallen muss, andererseits sehen sie die Notwendigkeit der aktuellen Maßnahmen. Insgesamt vermisst man das Gemeinschaftsgefühl, das gerade den Monat Ramadan normalerweise prägt. “Man könnte sagen: Das ist ein Verlust”, meint der Imam.

Normalerweise findet das gemeinsame Fastenbrechen in der Moschee des Münchner Forums für Islam statt, im Moment ist das allerdings nicht möglich.

Auch sehen sich Einzelne aus der Gemeinde unter den aktuellen Umständen nicht in der Lage, das Fastengebot einzuhalten – etwa, weil sie zu den Risikogruppen zählen und damit von der Pandemie besonders bedroht sind. “Das ist auch eine persönliche Entscheidung”, erklärt Belmin Mehic. Solche Ausnahmen sind Teil der islamischen Tradition, die beispielsweise Kranke, Alte oder Schwangere von dieser Pflicht befreit. Sie können das Fasten zu einem späteren Zeitpunkt nachholen oder stattdessen spenden, um an jedem Tag des Ramadan einen Bedürftigen mit Essen zu versorgen.

Religion und Begegnung

Das Münchner Forum für Islam wurde im Jahr 2007 auf Initiative des Penzberger Imams Benjamin Idriz gegründet. Es versteht sich nicht nur als religiöse Gemeinde, sondern auch als Begegnungsstätte zur Förderung islamischer Identität in München. Zudem setzt sich der gemeinnützige Verein für den konstruktiven Dialog mit staatlichen, religiösen und zivilgesellschaftlichen Akteuren im Sinne eines demokratischen und pluralistischen Miteinanders ein.

Gepostet von MFI – Münchner Forum für Islam e.V. am Freitag, 5. April 2019

Nach dem Attentat in Christchurch am 15. März 2019 besuchten Münchner Politiker als Zeichen der Solidarität das Freitagsgebet im Forum für Islam. Von links: Marian Offman (SPD), Imam Belmin Mehic, Manuel Pretzl (CSU), Mehmet Atmaca (Vorstandsmitglied des Muslimrates München).

“Uns macht besonders aus, dass wir keine ethnisch geprägte Gemeinde sind”, so das Vorstandsmitglied Belmin Mehic. Während viele der mehr als 50 anderen islamischen Gemeinden in München stark nach dem jeweiligen kulturellen Hintergrund ihrer Angehörigen ausgerichtet sind, versteht sich das Forum für Islam als vielfältig und multikulturell. Zugleich sei man im stetigen Dialog mit den anderen Gemeinden und tausche seine jeweiligen Erfahrungen in der momentanen Situation aus.

Innerhalb des letzten Jahres haben die Gemeinschaften viel Erfahrung darin gesammelt, wie sich das religiöse Leben auch ohne unmittelbare Anwesenheit aufrechterhalten lässt. Ziel sei es, den spirituellen Impuls trotz der pandemiebedingen Einschränkungen weiterzugeben, sagt Belmin Mehic mit Blick auf das nahende Ende des Ramadan in einer Woche (12.05.). “Das ist eine Herausforderung für uns alle”, räumt der Imam ein, “aber ich würde sagen, dass es uns bis jetzt gelungen ist.”


Foto: © Belmin Mehic
Beitragsbild: Unsplash / Ali Burhan

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