Kinogucken, Kultur

Rhymes im Plattenbau: “You Are God” bei FilmPOLSKA

Birgit Buchart
Marcin Kowalczyk als "Magik" in YOU ARE GOD

Das polnische Filmfestival filmPOLSKA läuft bereits seit Mittwoch im Kino Monopol auf Hochtouren. Zur Halbzeit am 29.11. waren wir dabei und durften im Anschluss zu dem Hip-Hop Drama von Leszek Dawid „You Are God“ mit Hauptdarsteller Marcin Kowalczyk sprechen.

Verfilmte Erfolgsgeschichten von Musikern gibt es genügend. Wir haben bereits alles gesehen: Vom Drogenexzess des Johnny Cash bis hin zu Bushidos Kampf zwischen Ghetto und Geiz-Managern. Sollte man glauben. Zwar basieren alle Filme auf Biografien und realen Begebenheiten, doch die Geschichte von Rahim, Fokus und Magik ist ihnen in einer Sache überlegen: Sie ist echt. Auf Hollywoods Erfolgsrezepte zur „perfekten“ Story verzichtete Drehbuchautor Maciej Pjusk fast komplett und schuf 2012 einen ehrlichen Film über drei ganz normale Jungs, die rappen. Musik ist zur Abwechslung nicht „ihr Leben“, sie geraten weder in die Falle der betrügerischen Musikindustrie, noch gehen sie an ihrem Erfolg zugrunde. Mehr noch als ihre Karriere, stehen die Menschen an sich im Mittelpunkt, mit jeglichen alltäglichen Problemen und Ängsten.
„You Are God“ handelt von der polnischen HipHop Band „Paktofonika“, die um die Jahrtausendwende der Jugend in Polen zeigte, dass Rap auch in ihrer Landessprache funktioniert. Der Megaerfolg war zum greifen nah. In nur fünf Jahren Bandgeschichte rhymten sie sich hoch hinaus, bevor das Trio, noch vor Veröffentlichung ihres ersten Albums, auf tragische Weise zerbrach.

Zwischen Geldnot und Paranoia überrascht der Streifen immer wieder mit ironischen Dialogen und trockenen Witzen. Das Spiel mit den Emotionen geschieht vor allem auch über die Bilder an sich. Die Geschichte spielt an Originalschauplätzen in Katowice und Mikolów, die zur kalten Jahreszeit mit heruntergekommenen Plattenbausiedlungen und verfallenen Straßenzügen eine besonders melancholische Stimmung in die Kinosäle wehen. Das Bild ist durchgehend in kühlen Farben gehalten und überzeugt mit besonders stimmungsvollen Perspektiven.

Im Film kämpfen die drei Jungs darum auf die Bühnen des Landes zu kommen, im wahren Leben kämpfte Marcin Kowalcyk für sein Leinwanddebüt als „Magik“ mindestens genauso. „Ich habe das Drehbuch von einem Studienkollegen bekommen, lange bevor es überhaupt Castings dafür gab, und habe sofort für mich entschieden, dass ich diese Rolle bekomme! Zwar bin ich selbst kein großer HipHop-Fan, Paktofonika hatte ich aber privat viel gehört, da die Texte einfach unglaublich stark sind. Ich wusste also schon einiges von der Band, aber leider gab das Internet nicht so viele Informationen über „Magik“ her, wie ich erhofft hatte. Irgendwann ging ich dann zum Casting und wurde wieder nach Hause geschickt. Dann kam ich einfach wieder… Insgesamt war ich 20 Mal bei diesem Casting, bis ich am Ende die Rolle doch noch bekam“. Seine Hartnäckigkeit wurde letztendlich belohnt und hat sich, vor allem, gelohnt. Das sollte Kowalczyk spät aber doch, auch selbst erkennen: „Auf den Drehschluss folgte ein ganzes Jahr des Bangen und Hoffen, bis ich den Film endlich, bei der Premiere, in voller Länge sehen konnte. Man hat schon sehr viel Druck auf seinen Schultern lasten, wenn man eine Person spielt, die so viele Menschen bewegt und berührt hat. Bis ich den Film dann gesehen habe, hatte ich schon wieder vieles vergessen und konnte „You Are God“ deshalb, sozusagen, mit frischen Augen sehen. Dabei analysierte ich nicht meine Schauspielerei, sondern sah einfach einen neuen Film und lies mich mitreißen, da wusste ich, dass es gut war“.

Marcin Kowalczyk im Publikumsgespräch Foto: Paul Przybilla

Marcin Kowalczyk im Publikumsgespräch Foto: Paul Przybilla

Die Publikumsfrage nach der Vorführung, auf die wahrscheinlich alle gewartet hatten, kam aus der ersten Reihe: „Hattet ihr während des Drehs Kontakt zu den echten Bandenmitgliedern und wie hat ihnen der Film gefallen?“ Letzteres wäre Kowalczyks erster Gedanke gewesen, nachdem er das Drehbuch gelesen hatte. Er wusste aber, dass der Autor ganze 8 Jahre an dem Drehbuch gearbeitet hat und Rahim und Fokus von Paktofonika von Anfang an beteiligt waren. „Wir Darsteller haben uns oft mit ihnen getroffen, haben zusammen gerappt, waren mit auf Tour und wurden zu Freunden. Es war toll, dass sie so stark am Film beteiligt waren, dadurch waren sie sehr zufrieden mit dem Ergebnis. Der Film berührte sie bei der Premiere“. Der Titel des Films spielt auf einen Song der Gruppe an, der „I am God“ hieß und von „Magik“ geschrieben wurde. Der Rest der Band fand es viel zu überheblich, sich in dem Song als Gott zu bezeichnen, ließ sich aber von Frontman „Magik“ überreden, den Track mit auf das Album zu nehmen. Mit dem Film erklären sich Magiks Freunde nach Jahren damit einverstanden und bestätigen ihn heute: „You Are God“.
110 Minuten lachen, weinen und fiebern. Marcin Kowalczyk wird nach der Vorstellung mit Lob und Danksagungen überhäuft.

Marcin Kowalczyk (Magik) und Dolmetscherin Ewa Szurogajlo bei unserem Interview Foto: Paul Przybilla

Marcin Kowalczyk (Magik) und Dolmetscherin Ewa Szurogajlo bei unserem Interview Foto: Paul Przybilla

Auf den weiteren Verlauf seiner Karriere angesprochen muss er lachen: „Es gibt keine Karriere! Zumindest mache ich die nicht bewusst. Ich habe gemerkt, es ist nicht mein Anspruch nur ein Auftragnehmer zu sein. Eine Geschichte, die von jemand anderem konzipiert wurde, die aus einem anderem Blickwinkel gesehen wird, einfach wieder zu geben, reizt mich nicht mehr. Was mich viel mehr interessiert, sind Projekte, bei denen ich von Anfang an kreativ beteiligt sein kann. Das kann mit dem gemeinsamen Drehbuchschreiben zu tun haben, der gemeinsamen Poetik, die man gemeinsam findet, die Beteiligung an der Entstehung ist mir wichtig“. Zweimal sei ihm das auch schon gelungen. Nach „You Are God“ spielte der 26-Jährige in zwei weiteren Spielfilmen, „Hardkor Disko“ und „Hel“.
Wer auf den Geschmack gekommen ist, sollte sich beeilen.

Das Filmfestival filmPOLSKA findet nur noch bis diesen Sonntag statt im Monopol-Kino statt.
Das komplette Programm gibt es auf www.filmpolska-muenchen.de
Tickets: € 8,- / € 6,- ermäßigt unter www.monopol-kino.de

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