Kultur, Nach(t)kritik
Sci-Fi Shortfilm Night: Das Erschaffen von Welten in einer Nacht
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Die Kammerspiele zeigen eine Sci-Fi Shortfilm Night, mit Kurzfilmen von (ehemaligen) Studierenden der HFF, über das Thema Zukunft und Vergänglichkeit – Gipfeltreffen der Illusionsmedien.
Der Boden hat schwarz-weiße Kacheln, im Raum verteilen sich Tische und Stühle und das Setting erinnert verdächtig an das allseits beliebte Bühnenbild von Marie Häusner aus Tischszenen. Aber halt! Heute wird nicht gekocht, sondern heute werden Filme angesehen, die die Kammerspiele unter dem Thema Science Fiction vereinen. Und um sich zu fragen, was später einmal von uns bleibt, könnte man damit anfangen, festzustellen was gerade ist.
In diesem Ist-Zustand setzen sich junge Filmemacher der HFF mit dem Thema der Zukunft, des Unvorhersehbaren, oder zumindest des viel imaginierten Fortschreitens der Zeit auseinander. Warum jetzt Filme auf der Theaterbühne und warum gerade Sciene Fiction, das weiß Moderator Florian Leitner schnell in Kontext zu setzten. Der studierte Dramaturg und jetzige Leiter des Medientheaters an der FU Berlin schlägt den Bogen zu der theatralen Umsetzung des Romans Nichts von euch auf Erden (Premiere 16.12.) an den Kammerspielen. Regisseur Felix Rothenhäusler setzt sich hier mit einer Welt in 500 Jahren auseinander, in der Menschen versuchen den Mars zu besiedeln und die Gesellschaft in eine „zufriedene Höflichkeitsstarre“ verfällt.
Thematisch passt es demnach optimal, dass der Abend mit dem Kurzfilm Mars Closer beginnt. Der Hintergrund des Films ist die Mars One Mission einer Niederländischen Stiftung, die im Jahr 2026 vier Menschen in einer One-Way Mission auf den Mars schicken wollen. Hierfür kann sich jeder bewerben. Das klingt verrückt, ist es auch, trotzdem ist es real und nicht fiktional. In der Zukunft liegt jedoch, wer genau diese Menschen sein werden. Mit zwei der Freiwilligen haben die Regiestudentinnen Annelie Boros und Vera Brückner gesprochen.
In ihrer filmischen Umsetzung dieser Begegnungen bilden sich zwei Pole, das futuristische Tokio, in dem der Start der Rakete und der überwältigende Blick auf die Erde imaginiert wird: Eine Mission zum Wohle der Menschheit. Und das naturverbundene Lettland, in dem die Trennung von Familie und Freunden, einen so unerträglichen Schmerz zu verursachen scheint, dass der einzige Ausweg Selbstmord ist. So unterschiedlich diese beiden Visionen anmuten, so vollkommen gehen sie ineinander auf. Da wo das Wohle des eigenen Mikrokosmos der Familie endet, beginnt der Makrokosmos des Wohles der gesamten Menschheit. Drei, zwei, eins … die Rakete startet.
Die Brüche an diesem Abend sind hart. So geht Mars Closer nahtlos in Das Langsame und das Immerwährende über. Ein Film von Lukas Väth, der sich kategorisch jedem Verständnis erwehrt. Ein junger Mann wird verschleppt, er erwacht und die Kameraperspektive zeigt Baumkronen im Wind schwingen. Ein schöner und beruhigender Moment, es ist jedoch der einzige in 17 Minuten Kurzfilm. Und da sich der Regisseur ausdrücklich gegen öffentliche Deutung und Interpretation ausspricht, respektieren wir den Wunsch an dieser Stelle. Bei Sci-Fi Nächten ist wohl alles ein bisschen anders, so kommt die Werbung nicht am Anfang sondern in der Mitte des Abends. Der Film von Moritz Rautenberg und Christian Ricken dauert eine Minute und ist eigentlich ein Werbespot. In Outer Space wollen Aliens nur eins: unser Bier! – als Bayer vollkommen nachvollziehbar.
Nachdem Annelie Boros, Lukas Väth und Florian Leitner Fragen beantwortet und dabei die Nahrung der Zukunft (ein dickflüssiger Nährstoffbrei, der einer zukünftigen Menschheit das Recht auf Genuss aus Gründen des Pragmatismus abspricht) getrunken haben, beenden die Visionäre den Abend mit Das wird bleiben von Knut Karger. Der ehemalige Student der HFF und jetziger Dozent am Lehrstuhl für Dokumentarfilm, hat in dieser 78 minütigen Dokumentation, gedanklich eine Welt ohne Menschen entwickelt.
Denn was wird bleiben von Menschen, Technik, Gesellschaftsordnung, Kunst, Alltagskultur und Kulturpflanzen, wenn wir mal nicht mehr sind. Hierzu kommen Experten zu Wort. Die nehmen das mit Humor. Was würde eine spätere Zivilisation aus dem Fund einer Gummiente ableiten? Würde diese noch quietschen, könnte es ja unsere Art der Kommunikation gewesen sein – Verhaltenes Lachen eines amüsierten Archäologen in beiger Strickweste.
Ergänzend dazu zeigt Knut Karger Bilder einer verlassenen Welt und es drängt sich unwillkürlich die Frage auf; wie früh muss man aufstehen, um den Münchner Hauptbahnhof menschenleer abzufilmen?