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„Seine Ideen haben mich fasziniert und nicht mehr losgelassen“ – Markus und Micha Acher kuratieren eine Konzertreihe in der Villa Stuck

Tobias Wullert

Er baute Flugräder, die nicht fliegen konnten und Instrumente aus Schachteln und Dosen, auf denen niemand spielen konnte und doch faszinieren die Person und das Schaffen von Gustav Mesmer bis heute die Menschen. Auch Markus und Micha Acher sind Fans des gelernten Korbmachers und seines Traums vom Fliegen und haben ihm erst ihre Platte „Musik für Flugräder“ und zuletzt noch das Hörspiel „Ich Mensch zu fliegen such“ gewidmet.

Gustav Mesmer – Der Ikarus vom Lautertal

Gustav Mesmer wird 1903 in Oberschwaben geboren und wächst in einer Großfamilie auf. Nachdem er die Schule früh verlässt, arbeitet er auf Gutshöfen, bis er im Benediktinerkloster Beuron aufgenommen wird und dort sechs Jahre bleibt, aber noch vor dem Ewigen Gelübde das Kloster wieder verlässt. Am 17. März 1929 passiert ein Vorfall, der sein Leben entscheidend ändern wird: Wohl noch beeinflusst durch seine Klosterzeit stört er die Konfirmationsfeier in der evangelischen Kirche in Altshausen. Dort soll er mehrmals laut erklärt haben, dass hier nicht das Blut Christi ausgeteilt werde und sowieso alles Schwindel sei. Mesmer wird daraufhin gewaltsam aus der Kirche geführt und zu seinen Eltern gebracht. Nach einer jahrzehntelangen Odyssee durch zahlreiche psychiatrische Anstalten kommt er 1964 in ein Heim nach Buttenhausen. Seit 1932 widmet sich Gustav Mesmer seiner Passion, dem Menschenflug, und entwirft Fluggeräte, die mit Muskelkraft betrieben einen „kleinen Flugverkehr” von Dorf zu Dorf ermöglichen sollen. 1994, kurz vor seinem 92. Geburtstag, stirbt Gustav Mesmer.
Die Villa Stuck zeigt – zum ersten Mal in München, kuratiert von Anne Marr – neben Flugfahrrädern, Schwingenfluggeräten, Bildern, Skizzen und Texten auch Musikinstrumente und Sprechmaschinen Gustav Mesmers.

Eine Ausstellung geht auf Klangsuche

Vom 12. Mai bis 10. Juli geht die Ausstellung in der Villa Stuck auf Spuren- und auch Klangsuche. Wir sprachen mit Micha Acher über die Person, die Ausstellung und die von ihm und seinem Bruder Markus im Rahmen der Ausstellung „Der Ikarus vom Lautertal“ kuratierte Konzertreihe „I Hear A New World“

Was fasziniert Dich an Gustav Mesmer?

Micha Acher: „Gustav Mesmer hat mich einfach berührt, weil er eine so tragische Geschichte hat. Eine wirklich schreckliche Lebensgeschichte und trotzdem hält er immer an seinem Plan fest – an dieser Idee mit kleinen Flugrädern von Dorf zu Dorf zu fliegen. Das hat mich fasziniert und nicht mehr losgelassen und auch meinem Bruder Markus ging es genauso.

Als ich mit Maxi Pongratz angefangen habe, diese Platte aufzunehmen, aus der dann „Musik für Flugräder“ wurde, hatte ich immer wieder Gustav Mesmer im Kopf und habe mir zu seinen kurzen Filmchen unsere Musik angehört. Film und Musik sind dann miteinander verschmolzen und für mich wurde das fast schon zu einem Soundtrack. Dann habe ich Stefan Hartmaier den Vorsitzenden der Gustav Mesmer-Stiftung gefragt, ob wir etwas aus der Sammlung benutzen dürfen und so entstand dieser freundliche Kontakt mit Stefan, der uns komplett unterstützt hat.

Und dann habt Ihr die Aufnahmen direkt in der Stiftung gemacht?

„Musik für Flugräder“, die wir in München aufgenommen haben, war der erste Kontakt zur Stiftung bei der wir angefragt haben, ob wir ein Foto für das Cover verwenden dürfen, weil wir so begeistert von ihm und seinem Werk sind. Dann ging der Kontakt hin und her und irgendwann hab ich gefragt: Hey, können wir nicht mal, aber dachte ich natürlich das geht überhaupt nicht, dass wir mit den Instrumenten spielen dürfen, weil die sicher total wertvoll sind und wir die nicht mal anfassen dürfen. Danach hab ich gefragt ob man die Klänge der Instrumente aufnehmen kann, weil wir eine Idee für ein Hörspiel hätten und die Stiftung hat uns sofort angeboten, vorbeizukommen und alles anzuspielen und so haben wir das Hörspiel direkt vor Ort aufgenommen. Dort durften wir alle Instrumente spielen ohne Einschränkungen. Dadurch kam der wirkliche Mesmer-Klang auch noch dazu. Das war genial. In dem Dokumentarfilm über Mesmer gibt es eine Szene, bei der er mit seinen Kollegen aus dem Altersheim, in dem er zuletzt war, auf einem Hügel steht und jeder hat ein Instrument in der Hand und spielt. Das ist eine wahnsinnig berührende Szene.

Wie seid ihr dann vor Ort vorgegangen? Habt ihr direkt auf den Instrumenten gespielt oder die Klänge nur als Samples verwendet?

Nein, wir sind hingefahren mit Computer und Mikrofonen und haben das ganz nah mikrofoniert und probiert welchen und ob man überhaupt einen Ton herausbekommt. Alles was man als Musiker gelernt hat, kann man da nicht brauchen, weil man auf den Instrumenten eigentlich nicht spielen kann. Wir waren wie auf Null zurückgestellt.

Sie sind nicht spielbar, weil sie so zerbrechlich sind?

Man kann sie eigentlich nicht stimmen und man kann auch auf keinem der Instrumente eine Tonleiter oder ähnliches spielen. Es sind auch keine Saiten sondern nur Drähte und Schnüre. Alles was er so in der Werkstatt zur Verfügung hatte, eigentlich Recycling.

Wird diese Erfahrung Auswirkungen auf eure weitere Arbeit als Musiker, auch bei The Notwist haben?

Generell fließt immer alles was man macht und wo man sich Inspirationen holt, in die Musik ein. Hier ist es das Prinzip von Gustav Mesmer, sein Ding zu machen ohne Kompromisse. Man wird nie abheben aber man versucht trotzdem weiter zu fliegen und das ist auch bei uns so,  dass wir immer weiter machen.

Wenn man so will ist ja Gustav Mesmer auch DIY (Do-It-Yourself). Da gibt es ja auch Parallelen zu The Notwist. So hat zum Beispiel Martin Gretschmann, als er noch Teil der Band war, einen Wii-Controller zweckentfremdet, um damit zu Musik zu machen.

Absolut. Auch bei unseren Aufnahmen nehmen wir keine Preset-Sounds, Martin hat aus Aufnahmen von Geräuschen von Fliegen und Käfern Beats gebastelt und auch wir trommeln auf Müllsäcken oder ähnlichem rum. Das machen wir eigentlich schon immer, dass wir keine konventionellen Sounds verwenden.

In der Villa Stuck kuratiert ihr jetzt eine Konzertreihe „I Hear A New World“ mit verschiedenen Künstler*innen. Dabei sind auch die Tenniscourts aus Japan, die ja auch Teil eures Projekts Spirit Fest sind und auch schon bei Alien Disko in den Kammerspielen aufgetreten sind. Wie habt ihr die weiteren Künstler*innen der Reihe ausgesucht?

Zu Rie Nakajima hatte Markus bereits Kontakt, weil er sie zu einem anderen Festival in Schwäbisch Hall einladen wollte. Pierre Berthet arbeitet immer mit ihr zusammen. Sarah Kenchington wollte Markus auch bereits einladen und sie passt natürlich perfekt, wenn es darum geht DIY-Maschinen zu basteln, die alles andere als perfekt sind. In der Beschreibung zu Sarah Kenchington heißt es auch, es mache den Eindruck als ob die Maschine sie spielen würde und nicht der Künstler die Maschine.“ In einem Video sitzt sie auf einer Art Fahrrad und hat in ihrer Konstruktion eine Violine, eine Tuba und mehrere Trommeln verbaut und alles um sie herum wackelt. Total genial.“

Hatten die Künstler die ihr eingeladen habt, schon vorher eine Verbindung zu Gustav Mesmer oder kommt die nur durch die Ausstellung zustande?

Einigen haben wir das Buch geschickt und die waren begeistert.

Alle Konzerte der Reihe:

8.6. – Spirit Fest (D, JP)
17.6.- Ichi (JP)
18.6. – Workshop mit Ichi (JP)
25.6. – Günter Baby Sommer (D) und Sarah Kenchington (UK)
30.6. – Live-Hörspiel: „Ich Mensch zu fliegen such“, Andreas Ammer, Markus Acher, Micha Acher, Cico Beck in Zusammenarbeit mit dem Bayerischen Rundfunk (D)
8.7. – Pierre Berthet & Rie Nakajima (B, JP)
9.7. – Workshop mit Pierre Berthet & Rie Nakajima (B, JP)


Fotos: © Tobias Wullert

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