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Studentische Wohnungsnot in München: Eine anhaltende Krise?

Simon Hirler

Zu Semesterbeginn stehen tausende Studienanfänger*innen vor der Herausforderung, auf dem überlaufenen Münchner Wohnungsmarkt eine Unterkunft zu finden. Stress und Frust sind dabei vorprogrammiert. Wie sieht die aktuelle Lage auf dem studentischen Wohnungsmarkt aus? Und gibt es überhaupt Aussicht auf Besserung?

Studienanfänger*innen auf dem Campingplatz – Anfang September sorgte dieser Vorschlag des Stadtrates für Erheiterung und Kopfschütteln in der Münchner Bevölkerung. Ein Beschluss der Rathauskoalition sollte es Erstsemesterstudierenden ohne Wohnplatz ermöglichen, im Oktober vergünstigt auf einem Campingplatz in Thalkirchen unterzukommen. Die Übergangslösung zielte darauf ab, ihnen mehr Zeit bei ihrer Wohnungssuche zu verschaffen. Nun ist der Oktober vorbei und die Bilanz des Angebotes eindeutig: Nicht ein*e Studierende*r hat auf dem Platz in Thalkirchen gezeltet. Bedeutet das, dass dieser skurrile Vorschlag letztendlich unnötig war? Simone Burger, die wohnpolitische Sprecherin der Fraktion SPD/Volt, betont auf Nachfrage, dass der Vorschlag von Anfang an als vorübergehende Lösung gedacht war: „Deshalb sind wir auch nicht traurig, wenn niemand die Notlösung in Anspruch nehmen musste. Aber das heißt im Umkehrschluss auch nicht, dass alles ist gut.“

Wohnungsknappheit unter Studenten: Hohe Nachfrage, lange Wartezeiten, wenig Alternativen

Tatsächlich spitzt sich gerade zu Semesterbeginn die Lage des studentischen Wohnungsmarktes noch einmal zu: Das Studierendenwerk München betreut am Standort München rund 7.800 Wohnungsplätze, mit einer durchschnittlichen Bruttowarmmiete von 346,80 Euro (inklusive Nebenkosten und Internet) sind die Zimmer vergleichsweise günstig. Das führt zu starker Nachfrage, gerade zu Beginn des Wintersemesters: Seit Juli stiegen die Bewerberzahlen täglich an. Aktuell stehen insgesamt etwa 12.100 Bewerber*innen auf den Wartelisten für den Standort München, wie das Studentenwerk mitteilt. Dadurch ergeben sich oft lange Wartezeiten. Je nach Beliebtheit des Standortes müssen Bewerber*innen mit Wartezeiten von bis zu fünf Semestern rechnen – wenn ein Bachelor-Studium nach der Regelstudienzeit zum Beispiel quasi schon wieder vorbei ist.

Parallel zu den eigenen Wohnungen betreibt das Studierendenwerk eine Datenbank zur Privatzimmervermittlung: Im September 2023 wurden von Privatvermietern 183 Angebote eingestellt, etwas mehr als die 131 Angebote im selben Monat des Vorjahres. Das Studierendenwerk fungiert jedoch lediglich als Vermittler und kann daher keine genauen Angaben darüber machen, wie viele Mietverhältnisse tatsächlich zustande kommen. Generell empfiehlt das Studierendenwerk den Studienanfänger*innen, sich frühzeitig mit der Wohnungssuche zu beschäftigen und auch die Angebote privater oder konfessioneller Wohnheime in Betracht zu ziehen.

Durch die Lage des studentischen Wohnungsmarktes sind auch ungewöhnliche Wohnkonzepte entstanden, wie etwa das Projekt „Wohnen für Hilfe“ der Vereins Beinander e. V.: Der Verein vermittelt Studierende an ältere Menschen, die günstige Zimmer anbieten. Im Gegenzug erhalten sie dafür von den Mieter*innen Hilfe im Alltag, sei es beim Einkaufen, Kochen oder bei der Gartenarbeit.

Der Münchner Wohnungsmarkt – eine Hürde für Studierende

Diesen Angeboten steht der undankbare Immobilienmarkt Münchens gegenüber: Nirgends in Deutschland ist Wohnen im Durchschnitt so teuer. Der MLP-Studentenwohnreport 2023, der in Zusammenarbeit mit dem Institut der deutschen Wirtschaft vom Finanzkonzern MLP erstellt wird, gibt Aufschluss über die Entwicklung des studentischen Wohnungsmarktes in ganz Deutschland. Laut dem Report fallen in München viele problematische Entwicklungen zusammen: Das Mietpreisniveau ist in München mit Abstand am höchsten – der Quadratmeter für eine Kleinwohnung (unter 40qm) kostet hier im Mittel 25 Euro. Bedenklich ist auch der Rückgang an Wohnangeboten in der Landeshauptstadt. Im Vergleich zum Vorjahr ist das Angebot an WG-Zimmern und Kleinwohnungen um 10 Prozent gesunken. Hinzu kommt die vergleichsweise geringe Förderung durch das BAföG. Die enthaltene Wohnpauschale von maximal 360 Euro reicht in München nur für 14qm. Auch bei den Heiz- und Nebenkosten (1,94 Euro/qm bzw. 3.90 Euro/qm) befindet sich München unter den Spitzenreitern.

Insgesamt entsteht ein deutliches Bild:  Der studentische Wohnungsmarkt in München ist derart teuer und umkämpft, dass Studierende ohne finanzielle Unterstützung kaum eine Chance haben. „Wir wollen, dass die Wahl des Studienorts nicht vom Geldbeutel der Eltern abhängt und sich München nur noch Kinder reicher Eltern leisten können“ sagt Burger. Doch der Immobilienmarkt in München scheint immer mehr finanzstarke Studierende anziehen zu wollen. Dies zeigt sich an den zahlreichen Angeboten für möblierte Ein-Zimmer-Apartments, die mit Luxus und bester Lage in der Nähe der Universitäten werben. Gleiches gilt für exklusive Wohnheime, die kein Durchschnittsstudierender finanziell stemmen kann.

Mehr bezahlbarer Wohnraum in Sicht: BayernHeim saniert die Studentenstadt

Die angespannte Situation auf dem Wohnungsmarkt in München hat verschiedene Ursachen. Die Bautätigkeit in ganz Deutschland ist aufgrund gestiegener Baukosten und Zinsen in den letzten Jahren zurückgegangen. Hinzu kommen gestiegene Rohstoffkosten, die hohe Inflation und ein Mangel an verfügbarem Bauland. Das begrenzte Angebot an Wohnraum führt in Verbindung mit der hohen Nachfrage zu kontinuierlichen Mietsteigerungen. Laut Burger trägt auch der Freistaat Mitverantwortung für die aktuelle Lage. Dieser habe das Thema bislang nicht ausreichend ernst genommen und “die letzten Jahre komplett verschlafen.” Es sei die Aufgabe der Landesregierung, ausreichende finanzielle Mittel und Bauflächen bereitzustellen, um leerstehende Apartments schnellstmöglich zu sanieren und neuen bezahlbaren Wohnraum zu schaffen.

Die Sanierung der zwei leerstehenden Wohnblocks in der Studentenstadt ist ein erster Schritt in diese Richtung. Im Mai diesen Jahres wurde beschlossen, die BayernHeim GmbH mit der Sanierung der Häuser 9 und 12 des Studentenwerks zu beauftragen. Wissenschaftsminister Markus Blume bezeichnete die Übernahme der Sanierung als einen entscheidenden Schritt “für mehr Leben statt Leerstand” in der Studentenstadt.

Ralph Büchele, Geschäftsführer der BayernHeim, gibt an, dass derzeit die vertragliche Absicherung des Erbbaurechts und des Immobilienankaufs kurz vor Abschluss stehen. Parallel werde das Vergabeverfahren für die verschiedenen Auftragnehmer vorbereitet. Nach aktuellem Stand sei geplant, Mitte nächsten Jahres mit der Schadstoffsanierung zu beginnen. Die Anzahl der insgesamt 1056 Apartments soll möglichst beibehalten werden, es bestehe sogar die Möglichkeit, den Wohnraum je Apartment durch neue Grundrissgestaltung und Möblierung zu vergrößern, so Büchele. Trotz vieler noch unbekannter Faktoren hofft er, dass die veranschlagten Sanierungskosten von 150 Millionen Euro eingehalten werden können. Darin sind rund 70 Millionen Euro Eigenkapital von BayernHeim enthalten. “Die Sanierung muss am Ende natürlich wirtschaftlich darstellbar sein”, betont Büchele. Unter den aktuellen Rahmenbedingungen sei dies auch umsetzbar. Jedoch stehe die schnelle Bereitstellung der Studentenwohnungen klar im Vordergrund, so Büchele. Die Wiedereröffnung der Häuser 9 und 12 ist für Ende 2027 bzw. 2028 geplant.

Keine klaren Pläne zur Bekämpfung der Wohnungsnot: Koalitionsvertrag in der Kritik

Der neue Koalitionsvertrag der Landesregierung enthält Pläne zur Verbesserung der Bau- und Wohnsituation im Freistaat. Ein eigenes bayerisches Baukonjunkturprogramm soll heimische Bauunternehmen unterstützen. Gleichzeitig ist geplant, die staatliche Bauverwaltung zu stärken und das Baurecht zu vereinfachen. Dadurch soll die Bautätigkeit im Freistaat angekurbelt werden. Bei der Förderung des studentischen Wohnungsbaus bleibt die Regierung jedoch vage: Man wolle den staatlichen Wohnungsbau „priorisieren und durchfinanzieren“, sowie „studentisches Wohnen gezielt fördern“. Der Arbeitskreis Wohnen – ein Zusammenschluss der Münchner Studierendenvertretungen – forderte in einer Pressemitteilung klare Pläne und konkrete Maßnahmen zur Bekämpfung der studentischen Wohnungsnot. Auch Simone Burger äußert deutliche Forderungen an die neue Koalitionsregierung – es brauche schlichtweg „viel mehr Geld für bezahlbares Wohnen für Studierende und Auszubildende!“


Beitragsbild: © Nguyen Dang Hoang Nhu on Unsplash

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