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„Ich steh darauf, wenn der Sound psychedelisch ist!“ – Terra Magica Rec. feiert 4 Jahre im Import Export (Interview)

Bei 4 YRS TERRA MAGICA REC im Import Export zeigen zehn Acts die ganze Bandbreite des elektronischen Labels aus München. Wir verlosen 2×2 Tickets für den 03. Mai!

Als DJ, Veranstalter und Herausgeber des Stadtmagazins „SuperPaper“ hat sich Mirko Hecktor längst in die Nachtleben-Geschichte Münchens eingeschrieben. Seit vier Jahren betreibt er zusammen mit Partner-in-Crime Tom Sprenger eine weitere kreative Spielwiese: das Label „Terra Magica Rec.“.

Irgendwo zwischen Breakbeats, Acid, Trance und Disko buchstabieren die beiden elektronische Musik noch einmal durch. Immer auf der Suche nach neuen Raffinessen und Grooves. Zum jungen Jubiläum zeigen zehn Acts im Import Export die Bandbreite des Labels. Höchste Zeit also für ein Gespräch mit den beiden Label-Masterminds!

Hey Mirko, hey Tom, ihr macht euer Label seit vier Jahren. War Terra Magica zu Beginn ein klassisches Lockdown-Projekt oder hattet ihr das schon länger im Ärmel?

Tom: Crazy, wie die Zeit vergeht! Ich wollte immer ein Vinyl-Label machen. Der Lockdown hat uns den entscheidenden Schub gegeben, es wirklich umzusetzen. Wir kennen uns schon lange aus München. Richtig gut aber erst, als ich im Düsseldorfer Salon des Amateurs auflegte und dazu Merch entwarf, das die elektronische Musikszene beider Städte widerspiegelte – inklusive Mirko der darauf verewigt wurde. (lacht)

Mirko: Der Hoody auf dem mein Namen falsch und bei meinen Klammern das Projekt von jemand anderen dran steht. Das fand ich sauwitzig! (beide lachen) 

Tom: Dann fingen wir an, uns zusammen mit Sound auseinanderzusetzen und wir saßen in Mirkos temporärem Studio in der Maroto Bar, die wir dank Corona umnutzen konnten.

Mirko: Das war auch so eine Schnappsidee, im Lockdown in einer vollbestückten Bar ein Tonstudio zu machen. Da kann man sich ja vorstellen, was passiert, wenn man die Sperrstunde verpasst. Ich hatte davor ein Label im Eigenvertrieb. Als Toms und meine Social Rub E.P. fertig war, sagte ich, nie wieder Eigenvertrieb. Man beschickt ja nicht mal eben so schnell Plattenläden in Tokyo oder New York, wenn keiner das Label kennt. Dann haben wir den Plattenvertrieb Bordello A Parigi in Amsterdam mit an Board bekommen.

Tom: Also ja, Terra Magica Rec. war vielleicht kein typisches Lockdown-Projekt, aber die Umstände haben definitiv dazu beigetragen, dass wir schnell gemerkt, dass wir gut harmonieren und Ideen umsetzen können.

Was ist euch beim Kuratieren wichtig und wo ist der gemeinsame Nenner?

Tom: Unser Kuratieren folgt einer klaren kosmischen Philosophie: Null Einschränkungen. 

Mirko: Jeder von uns macht, was er will. Dann streiten wir. Oft sehen wir ein, dass der andere gute Argumente hat, manchmal nicht. Keine Angst vor Fehlern. Falsch ist manchmal auch richtig. Cosmic halt. 

Tom: Ich stehe darauf, wenn der Sound psychedelisch ist und definitiv nicht in die Kategorie ‘funktional’ fällt.

Mirko: Ich höre mir Demos und unsere eigenen Tracks immer auf dem Handy an, Hauptsache darauf ist es fett. (lacht) Letztes Jahr habe ich auf dem Meadows Festival in Bulgarien gespielt und hatte unseren Labelmerch an. Nach der 40. Person, die meinte „wkd amazing label. fukn chuggy mate!“, habe ich gecheckt, dass die Engländer*innen uns auf dem Schirm haben. Terra Magica Rec. ist eines der wenigen deutschen Labels, das unter dem Begriff „Chug“, also „tuckern“ eingeordnet werden kann. Das ist dieser analoge, hängende, psychedelische Drive der alle verschiedenen Genres, LowFi Krautrock, Acid-Trance, Candomblé-Disco, UK Electro, elektronischer Cumbia, Big und Break Beats etc. zusammenhält.

Ihr kommt inzwischen auf neun Vinyls, die alle auch digital erhältlich sind. Welcher Release war ein ganz besonderer für euch?

Tom: Das war zweifellos die Veröffentlichung der Cosmica Bandida LP. Das Release zeigt die Vielfalt und Kreativität unseres Labels. Die Remixe  unter anderem von Grischerr & Heap, Lipelis, Los Pulpitos, Kobermann und uns rundeten den Release perfekt ab. Es markierte auch einen Wendepunkt für uns. Der Sound ist zugänglicher für ein breiteres Publikum.

Mirko: Da hast du recht. So á la 90ies-Heavenly Rec. mit Indiebands und DJ-Producern, die sich alle gegenseitig remixen und covern. Wie du plötzlich immer noch mit einem neuen Remixer ankamst und ich immer nur meinte drei Tracks und 40 Remixes. (Lacht)

Tom: Yes, vier originale Tracks und gefühlt ein Dutzend Hitremixer-Remixes.

Die Holzrassel und das Vocal-Sample eurer Single „Chiqui Tan“ (als Hektisch Sprengen DJs) verfolgen mich immer wieder, wenn ich den Track höre. Es ist ein Remake des House-Klassikers „Paper Moon“ von 51 Days. Wie kam es zu dieser Idee und dem Track?

Mirko: Ja eigentlich ist es ein Cover vom Remix. Ich spiele den deepen Liquidhouse-Klassiker von 51 Days (R.I.P.) seit ca. 1994. In den Nullern habe ich dann verstanden, dass das Ritsche-Ratsche-Sample auf „Paper Moon“ eigentlich von der MPB-Coverversion von Carol Kings „Corazon“ kommt. Das habe ich das halt mit einem Holz live eingespielt. 

Tom: Klang dann wie eine Kröte. 

Mirko: Dann meinte Tom, ich soll die TR-808 anmachen. Die klang dann nach Ed DMX UK-90s-Elektro. Dann haben wir uns den Sixtrack geschnappt und plötzlich war Windrauschen auf dem Track. Und dann wollte Tom das spanische 90s-Trance Vocal. Das haben wir klassisch auf 45 statt 33rpm aufgenommen. Dann kam noch eine SH-101 Lead dazu. Scheisse ist das jetzt nerdig. (lacht)

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Wie schwer oder leicht ist es eigentlich, 2024 ein kleines Label zu betreiben?

Tom: Es ist definitiv eine Herausforderung. Wir bieten zusätzlich zu den Vinyl Releases noch Bonus Digital Tracks an, was ein Anreiz mehr ist, unsere Releases zu kaufen

Mirko: Das Bizz hat sich natürlich schon seit der MP3-Kompression stark verändert. In den 1990er-Jahren konntest du mit experimentellem Sound als Label wachsen, weil du mit dem schwierigsten Zeug trotzdem 500 bis 1000 Scheiben verkauft hast. Das ist heute komplett anders, aber wir werden alle älter und das heißt auch, dass sich mit uns der Begriff der Hochkultur verändert. Dadurch verändert sich auch die Förderlandschaft in Deutschland. Elektronische Musik ist auch Erinnerungskultur. 

Als erfahrene Nachteulen seid ihr nun schon etwas länger dabei in München. Was hat sich hier im Nachtleben deiner Meinung nach verändert, seit du 2008 „Munich Disco“ herausgebracht hast, Mirko?

Mirko: Naja. Social Media halt. Vor Social Media war halt das Nachtleben Social Media. Die Leute sind dahin gegangen, um Gossip zu hören, neue Fashiontrends, Musik und Diskurse zu verhandeln. Das läuft jetzt per Handy. Mit der fortschreitenden Demokratisierung der Produktionsmittel können Menschen vieles einfacher hinfaken. Hat alles Vor- und Nachteile.

Was macht ihr beide sonst so, wenn ihr nicht gerade ein Label betreibt?

Tom: Ich bin Art Director für eine Mineralien und Edelsteinmesse und Vater. Für die Gestaltung unserer Platten-Covern bin ich bei uns zuständig und habe mit einigen internationalen Illustrator*innen zusammengearbeitet.

Mirko: In meinem Vertrag steht Referent. Ich verwalte öffentliche Fördermittel im Bereich zeitgenössischer Tanz in Deutschland und schreibe nebenher für das Groove Mag.

Wo zieht es euch momentan hin, was sind spannende Orte oder Personen?

Tom: Favo Bar, Unter Deck, Rio Bar, Bei Otto, Komitee, Import Export, Arkaoda in Berlin, Salon des Amateurs in Düsseldorf und auf jeden Fall das Sameheads in Berlin, wo im März unsere erste Labelnight veranstaltet haben!

Mirko: Das Unter Deck ist tatsächlich einer der wichtigsten vorpolitischen Läden Europas. Ansonsten Favo Bar, Truckerbabe2000, Cucurucu, Alternative Fakten, LiveEvil, Probl3matique, Halle6, Mancanflywhen, Der Nico vom Rio, Missing Vale (R.I.P.)! Tanzwerkstatt Europa. Ankali und Planeta Za in Prag waren auch fun.

Bei der Labelnacht habt ihr insgesamt sieben Acts am Start. Darunter mit Cosmica Bandida und Pont-Levis / Drawbridge auch zwei Livebands. Was dürfen wir vom Abend erwarten und worauf freut ihr euch besonders?

Tom: Das kann definitiv eine aufregende Nacht werden, denn wir haben insgesamt zehn Acts auf dem Programm, darunter zwei Live-Sets, Cosmica Bandida und Pont-Levis/Drawbridge. Es wird eine polymorphe Mischung verschiedener Sounds und Genres, so wie unser Label funktioniert nur als Nacht, von türkischem und ägyptischem Psychedelic-Sound der 70er-Jahre über Latin-Rhythmen bis hin zu Synth-Wave. Drawbridge wird mit einem Live-Set aufwarten, das von Dub, Trance, Breakbeat und Experimentalmusik geprägt ist. Oko DJ aus Athen und Heap aus Wien werden ebenfalls mit ihrem eigenwilligen Sound für Stimmung sorgen, der perfekt zur Atmosphäre von Terra Magica Rec. Wird lustig.

Mirko: Ich werde am Ende noch eine kleine Scratching-Einlage zusammen mit Tom und Drawbrige geben, nur so zum Abschluss. (lacht)

In aller Kürze:

Was? 4 YRS TERRA MAGICA REC – Cosmica Bandida LIVE uvm. (Tickets im VVK ab 8 EUR – 13 EUR Abendkasse)

Wann? 03. Mai 2024, Einlass: 20.30 Uhr, Beginn: 21:30 Uhr

Wo? Import Export, Schwere-Reiter-Str. 2h, 80636 München

Beitragsbild: ©Terra Magica (links: Mirko Hecktor; rechts: Tom Sprenger)

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