Bayrische Trachten, Dirndl und Lederhose
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Mythos Tracht: Die wahre Geschichte von Dirndl und Lederhose

Josephina Richardt

September und Anfang Oktober ist Wiesn-Zeit und das größte Volksfest der Welt hat die Stadt fest im Griff. Der Trend zur Tracht ist bei Besucher*innen ungebrochen. Aber woher kommt die Tracht eigentlich und hat sie wirklich soviel mit Brauchtum zu tun? Für diesen Beitrag blickt unsere Autorin einmal zurück in die jüngere Stadtgeschichte.

Wofür steht für dich die Tracht?

Für bayerische Geschichte und Tradition, Heimatgefühl und Erinnerungen an sämtliche Volksfeste.”

Das Oktoberfest und sowas wie die Alpen und das Landleben.”

Aufgepasst! Wenn du dich diesen Antworten junger Münchner*innen anschließt und an diesem Bild nicht rütteln möchtest, dann solltest du beim Weiterlesen die Augen schließen. Denn die gepriesene Tradition, auf die wir uns heute beziehen, ist gerade einmal knapp über 200 Jahre alt. Die Heimat der Tracht ist nicht einzig Bayern und seinen Ursprung hat weder die Lederhose noch das Dirndl direkt bei den Bauern und Bäuerinnen.

Die Wiesn- / Volksfesttradition

1810 heirateten König Ludwig I. und Therese von Sachsen-Hildburghausen und machten uns damit das größte Hochzeitsgeschenk: Die Wiesn. Auf dieser Hochzeit fand ein Trachtenumzug aus 16 Kinderpaaren aus zusammengewürfelten Regionen statt. Der Gedanke dahinter war nämlich, die Identität des Königreiches zu stärken – Hut ab vor der wohl genialsten Marketingstrategie der Geschichte. Sie hält sich bis heute.
Die vorgeführten Trachten waren zwar angelehnt an Gewänder des Kleinbürgertums, wirkliche Arbeitskleidung sah so aber nie aus. Das wäre auch eher problematisch geworden:

“Wenn Sie drei Tage mit einer Lederhose im Regen auf dem Feld stehen, haben Sie eine Blasenentzündung und Rheuma. Die wird nicht mehr trocken.”

Alexander Wandinger, Leiter des Trachten-Informationszentrums / Bezirk Oberbayern 

Vielmehr waren die damaligen Trachten Ausdruck der damaligen Mode einer bestimmten sozialen Schicht. Diese hat sich im Laufe der Jahre öfters gewandelt, wurde instrumentalisiert und hat geboomt. In den 50er und 60er Jahren beginnt das größte Hoch, von dem noch heute Menschen ihren Lebensunterhalt bestreiten. Und aus dieser Beliebtheit verfestigte sich ein Irrglauben an eine feste bayerische Tradition.

Wusstest du, dass es sogar bis in die 1990er ziemlich untypisch war, in Tracht auf das Oktoberfest zu gehen? Frag mal deine Großeltern!

Ganz schön adelig das Landleben

Zu Beginn des 20. Jahrhunderts ließen sich wohlhabendere Damen für ihren Sommerurlaub am Tegernsee Sommerkleider schneidern. Ganz wie die Wittelsbacher, nach Vorbild der ländlichen Tracht, jedoch natürlich an Mode und Stand angepasst. Und hier feiert unser Dirndl seine Geburtsstunde – bei reichen Städterinnen.
Die Lederhose zählte zum Jägergewand. Die Jagd allerdings war dem Adel vorbehalten. Das macht auch die Lederhose zum teuren Kleidungsstück eines herrschaftlichen Adels.
Damit ist das, was wir heute lieben – die Mode der Reichen – zwar angelehnt an die Kleidung der Landbevölkerung, aber hochwertiger und wesentlich arbeitsuntauglicher verpackt.

Lederhosn in verschiedener Ausführung

Die Farben allerdings sind keine Erfindung der oberen Schicht. Der häufig von den Medien verbreitete Mythos, auf dem Land hätte man lediglich graue und braune Gewänder getragen, ist genauso falsch wie das Bild von der einen bayerischen Tracht. Im Trachteninformtionszentrum des Bezirks Oberbayern liegt zum Beispiel eine elegante, kräftig rot strahlende Jacke und beweist das Gegenteil: Auch auf dem Land wurde bunt getragen.

Bauernjacke

Ausstellung von historischen Trachten im Trachteninformationszentrum

Fun Fact: Das Wort “Tracht” bedeutet ursprünglich schlicht “tragen” und stand allgemein für das äußere Erscheinungsbild. Somit gibt es nicht nur in Bayern eine Tracht, sondern genauso z.B. in der Schweiz, Österreich oder Osteuropa.

Unsere Tracht ist (High-) Fashion

Tracht ist eine Modeerscheinung. Und Mode verändert sich, so wie sie auch von der Geographie abhängt und Geschmacksache ist. Das kennen wir alle. Schau nur mal zurück auf das, was du vor zehn Jahren getragen hast. Und schauen wir uns Trachtenvereine an; sie alle haben eine unterschiedliche Vorstellung davon, wie eine Tracht auszusehen hat.
Frauenmode hält sich übrigens oft ein wenig länger als Herrenmode.

Zum Schluss noch ein letzter Fun Fact: Eine bedeutende Veränderung in der Trachtenmode war die Position der Taille. Ältere Mieder weisen eine Dreiecksform auf, hier saß sie weit unten. Die Erklärungen, warum sie nach oben gewandert ist, sind so vielfältig wie kurios: So soll die Taille durch eine Schwangerschaft etwa einfach mal eben nach oben rutschen.
Ob sich nun unsere Anatomie oder doch eher schlichtweg die Mode geändert hat, bleibt deiner Fantasie überlassen.

Am Ende ist es doch das Wichtigste, dass Tracht bei fast jedem mit einer guten Zeit mit Freunden und Familie verbunden wird. Und so soll es bleiben.
Darauf ein Prosit!

Bilder: Dirndl, Lederhosn & Beitragsbild: © Pixabay
Bauernjacke: © Trachten-Informationszentrum / Bezirk Oberbayern

2 Comments
  • Karoline Gruber
    Posted at 20:20h, 12 Juni

    Ha
    ein sehr schöner Artikel….
    allerdings – a bisserl oberflächlich.

    Was heute so auf die Wiesn oder sonstige Gelegenheiten rennt ist keine Tracht!
    Es ist – a Trachtengwand.
    A scheens – aber keine Tracht.
    Eine Tracht kennzeichnet den Träger / die Trägerin als zugehörig zu einem gewissen Stand und/oder einer gewissen Region.
    A Miebacher Tracht…a Dachauer Tacht….a Münchner Tracht des Bürgertums…usw usw usw….
    und diese Trachtenverbände sind ganz sicher nicht der Meinung es handelt sich hier um Mode.
    Veränderungen werden hier nicht oder nur ganz selten aktzeptiert.

    Trachtengewand hingegen unterliegt sehr wohl dem Wandel der Zeit.
    Die Landhausmode ist z.B. ein Ausfluss dessen.
    Das sollte schon beachtet werden.
    auch das Jugendliche heute zur Lederhosn oder Dirndl Turnschuhe tragen ist Mode.
    Mit Tracht hat das dann nichts mehr zu tun.

    Ansonsten – ein schöner Artikel.

    Servus
    Karoline Gruber

  • Axel Höner
    Posted at 11:53h, 28 Juni

    Um zu wissen, dass es eher eine neue Mode ist in ‘Tracht’ ein Volksfest zu besuchen muss man nicht seine Großeltern fragen – Eltern reicht schon.

    Die Herren haben früher ihren sonntagsanzug angezogen, dem Anlass entsprechend. Wer wollte im Bierzelt schon mit der Bedienung verwechselt werden. 🙂

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