Umparken Schwabing
Aktuell, Stadt

Erst Umparken dann Umdenken – Das Henne-Ei-Problem der Münchner Automobilität

Yannik Gschnell

Wie abhängig sind Münchner*Innen vom Auto? Dieser Frage widmete sich das Projekt „UMPARKEN Schwabing“ geleitet durch ein Expertenteam rund um den Digital Hub Mobility der UnternehmerTUM. Eng damit verknüpft ist die Frage, wie öffentlicher Raum nachhaltig und fair transformiert werden kann. Denn bei genauem Hinsehen ist es doch eigentlich Irrsinn, wie viel Fläche unserer Stadt durch geparkte Autos eingenommen wird. Über das Henne-Ei-Problem der Münchner Mobilität und den Schritt vom Umparken zum Umdenken habe ich mit Daniel Kühbacher vom Digital Hub Mobility und Frank Hansen gesprochen, der bei BMW im Bereich Nachhaltige Mobilität arbeitet und „UMPARKEN Schwabing“ mitbetreut hat.

Das Konzept „UMPARKEN“ ist eigentlich ganz einfach: acht PKW-besitzende Haushalte aus Schwabing-West haben ihren PKW für vier Wochen in einem Parkhaus in Fröttmaning abgestellt. Im Gegenzug wurde ihnen ein Mobilitätsbudget über 300 Euro zur Verfügung gestellt und ein Mobilitätspaket geschnürt, über das sie frei verfügen konnten. Zeitgleich hat das Projektteam gemeinsam mit den Anwohner*Innen eine Straße in Schwabing umgenutzt und dort die Aufenthaltsqualität erhöht und neue Mobilität bereitgestellt.

Zusammen mit den Start-Up Partnern, moovster und Veomo wurde eine Mobilitätsapp kreiert, die es den Teilnehmenden erlaubte, alle verfügbaren Mobilitätsangebote auf einem Blick zu sehen, um so flexibel und bequem von A nach B zu gelangen.

Die Münchner Verkehrsvision

Für Daniel Kühbacher ist die Idee dahinter „gemeinsam mit Partnerunternehmen, aber insbesondere mit Startups, Expert*Innen aus der Stadtverwaltung und den Bürger*Innen Mobilitätsprobleme zu lösen. Das ist unsere Vision: ‚Gemeinsam gestalten wir nachhaltige Mobilität für alle in einer lebenswerten Stadt‘.“ Die Teilnehmenden sollen das breite Mobilitätsspektrum Münchens, sei es der ÖPNV, Bike-, E-Scooter- oder Carsharing, ausprobieren und auf Alltagstauglichkeit testen.

„Unser Zielbild ist es, ein Mobilitäts-Ökosystem aufzubauen, das PKW-Besitzende vor eine wirkliche Wahlsituationen stellt. Brauche ich meinen eigenen PKW überhaupt noch, oder steig ich nicht doch einfach um?“ so Frank Hansen. „Wenn dieser Prozess von selbst läuft, braucht es diese Kampagnen auch nicht mehr. Es geht nur um den Anstoß. Darum einen Stein ins Rollen bringen.“

Vom Umparken zum Umdenken

Die deutsche Liebe zum Automobil, das gelebte Klischee, muss im urbanen Raum problematisiert und kritisch betrachtet werden. Eine wirkliche Auto-Abhängigkeit ist in Stadtquartieren eher die Seltenheit. Bleiben wir in Schwabing, trifft hier die höchste Bevölkerungsdichte Münchens auf die höchste PKW-Dichte, gemessen an der Fläche. „Das merkt man ja, wenn man dort durch die Straßen läuft oder fährt. Die Quartiere sind sehr sehr stark zugeparkt und die PKW-Bestände steigen und steigen,“ findet auch Frank Hansen.

Dabei sorgt die Kompaktheit des dichtbesiedelten Stadtgebiets für einen engen Aktionsradius im Alltag. In diese Richtung weisen auch die Daten der Schwabinger Projekt-Teilnehmer*Innen: „Knapp 70% der Wege wurden im Testzeitraum zu Fuß, mit dem Fahrrad oder dem ÖPNV erledigt. Das war davor schon so und das war ohne ein Auto auch nicht anders,“ so Daniel Kühbacher. „Wir würden diesen PKW-Besitzer-Typus als die ‘auto-affinen Pragmatiker’ einstufen, mit einer geringen objektiven und subjektiven Auto-Abhängigkeit.“

“Wir versetzen Menschen in die Lage, das eigene Mobilitätsverhalten zu reflektieren und mal was Neues auszuprobieren.“

Diese Typisierung wurde vom KIT – dem Karlsruher Institut für Technologie – in Zusammenarbeit mit der BMW Group eingeführt. In einer umfassenden und aktuellen Studie zur Auto-Anhängigkeit in München wurden etwa ein Drittel der PKW-Besitzer in dieser Kategorie zusammengefasst. Für Frank Hansen ist das die prädestinierte Zielgruppe für „UMPARKEN“:

„Mobilitätsverhalten ist ein sehr stark gelerntes Verhalten, das im Alltag wenig hinterfragt wird. Das macht man so, weil man das schon immer so gemacht hat, oder weil man so gelernt hat, oder weil es keinen Grund gibt, das zu hinterfragen. Dieses Drittel an PKW-Besitzern ist es gewohnt, einen PKW zu haben, für die seltenen Anlässe, in denen ein PKW auch mal tatsächlich benötigt wird. Das kann dann im Extremfall die jährliche Urlaubsfahrt sein. Es braucht in der Regel Impulse von außen, um diese Routinen zu durchbrechen.“

Das Henne-Ei-Problem

Für Frank Hansen, aus Sicht von BMW, liegt ein großer Ansatzpunkt in der Verfügbarkeit alternativer Mobilitätsangebote, denn selbst wenn ein Bewusstsein für multimodale Mobilität geschaffen werden kann, muss der Zugang erleichtert werden.

„Die wirkliche Schwachstelle, nämlich die mangelnde Verfügbarkeit vor der eigenen Haustür, ist eigentlich ein Henne-Ei-Problem. Diese Quartiere sind dauerhaft zugeparkt. Die Besitzer dieser privaten PKW, die wenig genutzt werden, sind einerseits prädestiniert, umzusteigen. Andererseits sind sie aber auch Teil des Problems, weil sie selbst durch ihr dauergeparktes Auto dafür sorgen, dass diese Angebote gar nicht verfügbar sind, weil man schlicht und ergreifend nicht parken kann.“

Deswegen ist die vermeintlich einfache Lösung, beispielsweise die Vergrößerung der Carsharing Flotte in München, noch nicht umsetzbar. Wäre erst einmal Platz geschaffen für eine Carsharing-Offensive könnte sich unser Stadtbild radikal ändern. So denkt auch Daniel Kühbacher.

„Bedenkt man, dass ein privatbesessenes Fahrzeug normalerweise 95% seiner Zeit steht, während ein Carsharing Fahrzeug eine viel höhere Verwendung findet, dann ist natürlich die Belegung der Parkplätze durch Carsharing Fahrzeuge wesentlich geringer. Zehn bis zwanzig, vielleicht sogar bis zu 100 Nutzer teilen sich ein Fahrzeug. Das ist natürlich ein Prozess, dorthin zu kommen, doch schlussendlich ist es eine Möglichkeit, um in der Stadt nachhaltiger zu werden und dabei auch deutlich platzeffizienter.

Hoffnungsschimmer am Piazza Zenetti

Im Sommer hat sich bereits gezeigt, welch positiver Impact neuinterpretierten ehemaligen Parkplätzen für unser Stadtleben innewohnen kann – am Beispiel der Schanigärten. „Da konnten wir alle sehen, was für ein Mehrwert auf solchen Parkflächen entstehen kann,“ so Daniel Kühbacher. „Man kann Mobilitäts-Hubs einrichten, ordentliche Fahrradabstellanlagen, außerdem gibt es auch sehr coole Urban Gardening-Ideen. In München haben wir auch ein gutes Beispiel dafür mit der Piazza Zenetti. Da wurden solche Mobilitäts-Hubs eingerichtet auf den ehemaligen Parkplätzen.“

In Zusammenarbeit der Stadtverwaltung, verkehrsbewussten Bürgern und Mobilitätsprovidern kann hier Großes entstehen, findet Frank Hansen. Auch von Seiten des Bundes gibt es Unterstützung: „Mittlerweile gibt es die Möglichkeit, dass Kommunen, sprich die Stadtverwaltung öffentlichen Straßenraum, vor allen Dingen Parkplätze privilegieren können, so ähnlich wie Taxi-Stellplätze. Im Rahmen des Bundes-Carsharinggesetzes können Carsharing-Parkplätze geschaffen werden. Das ist ein ganz wichtiger Baustein.“ So geschehen unter anderem zum Beispiel am Piazza Zenetti.

Den Stein ins Rollen bringen

Auch wenn eine Lösung des Auto-Problems weiterhin noch nicht in Sicht ist, bleibt das „UMPARKEN Schwabing” Team weiterhin optimistisch:

„Sinn und Zweck dieser Kampagnen und solcher Projekte ist es, darauf aufmerksam zu machen, dass man urbane Mobilität lokal anders und nachhaltiger gestalten kann. Erst einmal geht es aber darum, überhaupt eine Situation zu schaffen, in der die Straßen, öffentliche Räume und Bürgersteige nicht über Gebühr zugeparkt sind,“ so Frank Hansen.

Doch jede große Entwicklung fängt klein an – im Falle von „UMPARKEN Schwabing” bei den acht beobachteten Haushalten. „Das Feedback der Teilnehmer*innen war überragend. Wir haben schlussendlich auch drei Haushalte, die ihr Fahrzeug nach Abschluss des Experiments abgeschafft haben,“ resümiert Daniel Kühbacher.

Beitragsbild: © Elia Pellegrini auf Unsplash

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