Kultur, Nach(t)kritik

Wir sind die Guten

Annette Walter
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Der Musikenthusiast liebt die Vorstellung, dass eine Plattenfirma existiert, deren Hauptinteresse der Kunst gilt und nicht dem Profit. Die Künstler können sich frei entfalten. Kommerzielle Interessen interessieren nur zweitrangig. Eine Heimatstatt dieses idealistischen Denkens gibt es tatsächlich. Sie nennt sich Buback Tonträger und kommt aus Hamburg. Ist das subversive Potenzial dieses Labels, das einst Pate bei der Namensgebung stand, noch vorhanden? Reichlich, so die klare Antwort nach dem gestrigen Abend in den Kammerspielen.

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Zwischen den Sets durften einige politische Aktivisten gegen die Sicherheitskonferenz und Krieg protestieren. Da schlägt das linke Herz noch doller.

Als Vorband stolperte Kristof Schreuf, der “Bourgeois with Guitar”, auf die Bühne. Das Hemd zerknittert, die Gitarre im Anschlag und mit charmant-sensibler Ausstrahlung, klampfte er sich eloquent-plaudernd durch sehr coole Coverversionen und reanimierte tot gedudelte Popleichen wie “Last night a DJ saved my life”. Ja, der Kristof, der gehört zu den Guten! Mehr Schreufs für diese Welt!

“Bye-bye, Irony is over” sagte einst der legendäre Jarvis Cocker und das haben 1000 Robota, die zweite Buback-Kapelle des Abends, zu ihrem Leitmotiv gemacht. Sänger Anton Spielmann kam hasenfüßiger daher als man ihn sonst so aus seinen Interviews kennt. Ein bisschen mehr verbaler Rabatz wäre doch so schön gewesen!

Na gut, dann halt auf die Doku ” Utopie Ltd.”, die bei der Berlinale als Eröffnungsfilm der Sektion “Perspektive Deutsches Kino” läuft, warten und Sätze wie “Das Musikbusiness fickt meine Seele” genießen. Kalkulierte Pose oder aufrichtige Punk-Attitüde? Mal abwarten, was der Film so über die 1000 Robota erzählt. Eine abschließende Meinung kann man sich nach der Darbietung in den Kammerspielen nicht bilden. Wobei die musikalische Intensität, die dieser Band live innewohnt, durchaus beeindruckt.

F.S.K. zogen ihren Auftritt routiniert durch und spielten ganz neue (“Aeropuerto Internacional Maria Montez”, “Coupé”) und ganz alte Songs frei nach der Devise “Das Lied ist älter als ihr und fast so alt wie wir”, aus ihrer über dreißig Jahre währenden Bandgeschichte. Gut, dass es ein Sitzplatz-Konzert war, so konnten auch viele Fans der ersten Stunde dem Vergnügen beiwohnen.

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Ein subversiv-experimenteller Auftritt der Goldenen Zitronen mit hohem Lärmpotenzial und lustiger Kostümierung mit Schorsch Kamerun in weißem Kaftan krönte den Abend. Die Zitronen sind mittlerweile ein eigenes musikalisches Universum: experimentell, kompromisslos und selbstironisch. Wenn es jemanden gibt, der Punk als Geisteshaltung definiert, dann sind es die “Goldies”. Da kann Anton “Ich trag einen schwarzen Anzug als Ausdruck meines Protestes” Spielmann noch was lernen.

Und weil Buback Tonträger eine große Familie ist, kamen fast alle Künstler zum Fast-Finalsong “Munich” auf die Bühne. Besonders schön: “Beautiful People” vom letzten Goldenen-Zitronen-Album “Die Entstehung der Nacht” mit einem Duett von Kamerun und Michaela Mélian, in dem sie verdammt cool nach Nico klingt.

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