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4 in muc – Chapter IV

Simone Mellar
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munich city

4 in muc – der einzige Fortsetzungsroman, in dem Du vielleicht auch einmal auftauchen wirst. Chapter IV.

Als der Radiowecker ansprang ahnte Mucl bereits, dass dieser Tag nicht zu seinen besten zählen würde. Aus seinen klinisch sterilen, weißen Boxen strömte ein Song, der ihm Ohrenkrebs bereitete. Der verzerrte Klang dieser “Musik” gepaart mit den völlig miserablen Textbausteinen jagte ihn schneller aus dem Bett als dies früher das Gezeter seiner Mutter zustande brachte. Er sprang Richtung HiFi-Anlage und suchte hektisch nach dem Regler, um den Sender zu wechseln. Doch dank seiner komatösen Müdigkeit verfehlte er den Button und erhöhte stattdessen unfreiwillig die Lautstärke. Und so brüllte Markus Becker in höllischer Euphorie “Hörst Du die Regenwürmer husten” durch seine bescheidenen vier Wände.

Ganz recht: seine eigenen vier Wände. Denn zwischen ihm und Bavi ging in letzter Zeit alles schief, was nur schief gehen konnte. Bei der Geburtstagsparty ihrer gemeinsamen Stamm-Pizzeria überraschte Bavi ihn mit ihrem seltsamen Verhalten. Streng genommen lief alles glatt: Sie lachte viel, fuhr sich hin und wieder durchs Haar, fühlte sich scheinbar wohl, da sie immer wieder nach körperliche Nähe suchte. Nur galt all die Balz nicht ihm, sondern doch tatsächlich Max! Dem Aufreißer ihrer kleinen Clique! Mucl war stinksauer und konnte sich dabei noch nicht einmal entscheiden, wem denn nun sein angestauter Ärger galt: Bavis Blödheit oder Max’ Mädlverschleiß? Wie konnte Bavi nur so unglaublich naiv sein und sich einbilden, Max würde sie anders behandeln als all die Groupies seiner Indie-Rockband “Max and the Haxn”? Max war für seine Masche bekannt: einmal drüber und hinüber. Mucl verstand die Welt nicht mehr. Und Bavi war seine Welt.

Da Mucl nicht mehr länger auf Bavis Couch schlafen konnte, ohne sich ständig vorzustellen, wer wohl in den letzten zwölf Monaten in diesen Kissen Schutz gesucht hat, zog er bei ihr aus. Schnell fand er eine typische Münchner Wohnung: die Quadratmeteranzahl ließ zu wünschen übrig, der Preis sowieso. Doch das war ihm egal – Hauptsache Freiraum und Abstand von Bavi. Hier konnte er sein definitives Single-Leben genießen und sich auch besser auf seinen neuen Job konzentrieren. Vor ein paar Tagen nahm er eine Stelle als Strickwarenverkäufer an. Sicher, das war nicht sein Traumjob, aber immerhin befand er sich in einem überwiegend weiblichen Team und wurde von seinen leicht verschrobenen Kolleginnen liebevoll gehegt und gepflegt. Schließlich müsse sich ja jemand “um den kloana Bua” kümmern.

Heute hatten sie ihr erstes, großes Jour Fix und besprachen die neue Verkaufsstrategie für die Woll-Kollektion “cozy love”. Mucl war schleierhaft, wie man Wolle an den Mann – oder besser –  die Frau bringen sollte und daher sehr dankbar um die hilfreichen Tipps der erfahrenen Wollfachverkäuferinnen. Zwischen großen staubigen Krapfen und kleinen schwarzen Esspresso-Tassen sprudelten besonders aus Filialleiterin Irmgard und Stricknadel-Beauftragte Dörte die Ideen nur so über. Seltsamerweise kamen beide aus dem Schwabenland. Man müsse “die Kunde berühre – auf ämmosionaler Ebene”, erklärte Irmgard zwischen zwei Bissen Schmalzgebäck. Dörte gab jedoch zu bedenken, dass die Käufer auf die angebotene Ware einfach “heisch drauf werde müsche”. Und das beste Model sei nunmal in “heutige Zeite” auch das “günschtigschte, sprisch: wir selbscht!”.

Mucl verschluckte sich vor Lachen beinah an einer sonderbaren Nuss-Nougat-Champagner-Krapfen-Kreation. Doch als er in die ernsten Gesichter von Irmgard, Dörte & Co. sah, dämmerte ihm, dass es sich bei diesem Vorschlag keineswegs um den erhofften Scherz handelte. Schneller als er Helau riefen konnte, wickelte ihm seine Chefin ein besonders hässliches Exemplar der aktuellen Kollektion um den Hals. Der Schal war aus schwerem Grobstrick, froschgrün und mit kleinen fuchsiafarbenen Erdbeeren bestickt. Außerdem wurde ihm ein kanariengelber Pullunder über den Kopf gezogen, auf dessen Mitte eine große, „wunnabar neckische“ Tomate prangte. In diesem Outfit durfte Mucl nun seinen ersten Tag im schwäbisch dominierten Strickwarengeschäft mitten in der Münchner Innenstadt – mit besonders viel junger, attraktiver Laufkundschaft – absolvieren. Als Dörte das eiserne Türgitter nach oben zog und die Türen entriegelte, erinnerte sich Mucl an den Morgen: Dies war definitiv nicht sein Tag.

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