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“Darf’s noch etwas mehr sein?”

Simone Mellar
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santo

4 in muc – der einzige Fortsetzungsroman, in dem Du vielleicht auch einmal auftauchen wirst. Chapter III.Mucl saß im Café Puck und kämpfte sich durch sein “Wellness-Frühstück”. Auf der kleinen Tischplatte drängelten sich so viele verschiedene Teller, Tassen und Schüsseln, dass er Mühe hatte, seine Zeitung zu lesen. “Wieso müssen diese Dinger auch immer so riesig ausfallen”, dachte er sich mürrisch. Nach einem beherzten Biss in eine Scheibe Vollkornbrot garniert mit hauchzartem Parmaschinken und einem großen Schluck Milchkaffee war sein Mund zwar voll, doch sein Kopf noch immer leer. Obwohl, das stimmte nicht ganz. Viel mehr kreisten seine Gedanken stets nur um ein Thema oder – noch deutlicher gesagt – um eine Person. Bavi.
Mucl wusste selbst nicht genau, was er sich von seiner ersten Woche zurück in München erwartet hatte. Dass er und Bavi sofort wieder ein Paar wären? Wohl kaum. Aber irgendwie … doch mehr, als bisher passierte. Sicher, sie schenkte ihm letzten Donnerstag beim Culture Clubbing diesen vertrauten Blick und er übernachtete erstmal bei ihr, da er noch keine eigene Wohnung hatte und man bei Max und Gustl wirklich nicht schlafen konnte bzw. wollte. Der eine probte bis zum Abwinken mit seiner Band “Max and the Haxn” bajuwarischen Indierock, der andere hielt penible Ordnung in seiner einem Ikea-Ausstellungsraum ähnelnden Einzimmerwohnung für oberstes Gebot. Nur bei Bavi fühlte er sich in dieser doch noch so fremden Stadt auch zu Hause. Dank ihrer gemeinsamen Zeit kannte er sich hier noch gut aus. Er wusste, wo welche CDs herumlagen, welches Buch von wem kam und wie ihre Meinung dazu war, wann sie ins Bad ging und er besser nicht, in welcher Küchenschublade das Besteck lag und wo auf dem Balkon der Aschenbecher für Gäste stand.

Als sie beide an diesem Abend wohlig in die Sofakissen sanken, lachte sie viel mit ihm und legte hin und wieder ihre Hand auf seine Schulter. Oder seinen Oberschenkel. Sie hatten schon einiges getrunken und waren mehr als nur “angeheitert”. Der letzte Absacker hätte auch nicht unbedingt sein müssen, aber was tut man nicht alles, um seine Leber zu trainieren. Mucl hoffte jedoch inständig, dass diese letzte Einheit nicht an anderen Kraftreserven seiner selbst zehren würde. Doch als er seinen kritischen Blick von seiner Gürtelschnalle löste und sich wieder an Bavi wandte, war klar, dass dies nicht passieren würde. Dafür schimmerten ihre Wangen zu rosig und in ihren Augen lag zu viel fiebriger Glanz – mehr Motivation brauchte er nicht. Gerade, als er seinen Arm um ihre Taille legen und sie ein Stückchen näher an sich heranziehen wollte, erhob sie sich plötzlich von der Couch.

Sie stand vor ihm, kreuzte die Hände in ihrem Nacken, streckte sich ausgiebig und fuhr sich mit ihren grazilen Fingern, die er unbedingt wieder auf sich spüren wollte, durch ihre langen blonden Locken. Mucl starrte sie einfach nur leicht debil grinsend an und freute sich auf den nächsten Schritt. Den tat Bavi auch – in ihr Schlafzimmer. Sie gluckste fröhlich vor sich hin und erzählte Mucl von irgendetwas, dass ihr anscheinend letztens passierte. Er konnte ihr nur leider schon lange nicht mehr folgen, nippte aber dafür umso engagierter an seinem Bier und platzierte hier und da ein auf ihre Tonart angestimmtes “Mhm” oder auch mal ein “Ja, klar”.

Nach einer gefühlten Ewigkeit kam Bavi zurück ins Wohnzimmer. Er sah jedoch nur ihren Kopf und ihre Füße. Der Rest ihres Körpers versteckte sich hinter einem großen Ungetüm von Bettdecke. Mucl war leicht verwirrt, setzte sich trotzdem gentleman-like wieder auf und strahlte sie erwartungsfreudig aus seinen großen brauen Augen an. Bavi lächelte zurück, legte ihm die Decke auf seinen Schoß, gab ihm einen Kuss auf die Stirn und wünschte ihm eine gute Nacht. Danach drehte sie sich um und ging zurück in ihr Schlafzimmer. “Dir auch gutnacht”, stammelte Mucl gerade noch, als sie die Tür hinter sich schloss.

“Darf’s noch etwas mehr sein?”, erkundigte sich plötzlich ein aufmerksamer Kellner und hielt den Bestellblock bereit. Ja, hoffentlich, dachte Mucl innerlich, schüttelte jedoch den Kopf und legte einen Zwanziger auf den Tisch. Im Freien angelangt, schlug ihm ein eisiger Wind um die Ohren. Langsam und noch immer in Gedanken, schritt er die Türkenstrasse entlang Richtung Odeonsplatz. Als er vor einem Plattenladen stand, kam ihm plötzlich die Idee: Er würde mit Bavi in ein paar Tagen zu “anno tre“, der Geburtstagparty zum zweijährigen Bestehen des Santo Angers gehen. Schließlich war das ihre Punkrock Pizzeria gewesen, für einige Zeit sogar so etwas wie ihr zweites Wohnzimmer. Wenn hier keine Sentimentalität hochkam, wo dann? Oder sollte er gar eine große Geste am Valentinstag wagen? Nein, das war dann doch zu kitschig – auf keinen Fall. So ging Mucl am Siegestor vorbei, sah nach oben und nickte seinem tapferen Kameraden, der ebenso wie er mutig in die nächste Schlacht zog, anerkennend zu.

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