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Catcalls: “Schockiert, was in München eigentlich abgeht”

1.794 Fälle sexueller Belästigung, die zur Anzeige gebracht wurden. Allein 2018. Allein in Bayern. Die Dunkelziffer solcher Vergehen – überwiegend an Frauen – dürfte um einiges höher sein. Noch höher ist die der Frauen und Mädchen, die in Alltagssituationen belästigt werden. Durch anzügliche, unangemessene und unanständige Kommentare oder Handlungen.

In München gibt es jetzt eine neue Plattform an die sich Betroffenen wenden können: den Instagram-Account catcallsofmuc.

Es reicht – #stopstreetharassment

Im Club, im Park oder auf dem Weg zur U-Bahn und auf einmal gepfiffen oder jemand schreit: “Geiler Arsch”. Fast jede Frau musste solche “Catcalls” schon über sich ergehen lassen. Aber keine Frau und kein Mädchen (und auch sonst niemand) muss sich Straßenbelästigung gefallen lassen.

Aber man kennt das ja: In dem Moment fällt einem nichts ein, man fühlt sich einfach nur unwohl, hat vielleicht sogar Angst. Kein Wort kommt über die Lippen. Kopf einziehen. Schnell weitergehen. Drei junge Menschen aus München helfen denen, deren Lippen in solchen Momenten verschlossen bleiben.

Weil Julia und Sofija selbst schon mit Catcalls belästigt wurden und ihr Freund Ege findet, dass das keiner Frau passieren sollte, betreiben sie seit gut vier Wochen den Account catcallsofmuc. Betroffene können ihnen dort schreiben, was sie erlebt haben. Aber das ist nicht alles.

Mit bunter Straßenmalkreide gegen Belästigung

Vielleicht sind dir in letzter Zeit Sprüche aufgefallen, die an abgelegenen, aber auch an gut besuchten Plätzen in München mit bunter Straßenmalkreide auf den Boden gemalt sind.

Zum Beispiel am Marienplatz: “Er fasste mir an den Arsch und sagte: Reg dich nicht so auf, Süße! Passiert halt mal…”

Oder am Sendlinger Tor: “Du siehst so exotisch aus. Darf ich mal anfassen?… Ich darf doch bestimmt noch mehr anfassen?”

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Dahinter steckt das dreiköpfige Team von catcallsofmuc. Wenn eine Nachricht sie erreicht, teilen sie diese nicht nur anonymisiert in ihrem Feed, sondern sie schnappen sich ihre bunten Kreiden, machen sich auf den Weg zu genau dem Ort in München, an dem das Catcalling stattfand und schreiben dort den anzüglichen Satz auf den Boden. Um Aufmerksamkeit auf das Thema zu lenken. Um dafür zu sorgen, dass Streetharassment seltener vorkommt.

Eine Idee aus New York geht viral und global

Die Idee dazu kam den dreien, als sie gemeinsam am sozialen Leadership-Programm “Youthbridge” teilnahmen. Dafür machten sie unter anderem eine Reise nach New York und lernten dort Sophie Sandberg, die Gründerin von catcallsofnyc, kennen.

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Sofija sagt, man könne damit so viel bewirken. Deshalb wollte sie mit ihren Freunden einen ähnlichen Kanal in München etablieren. Die drei Münchner*innen sind damit nicht die Einzigen. Auf Instagram gibt es catcallsofams, catcallsoflndn und viele, viele Accounts mehr hinter denen Menschen auf der ganzen Welt stehen, die anderen helfen ihre Geschichte zu erzählen.

Belästigung ist dann, wenn du dich belästigt fühlst

Schon jetzt ist Sofija schockiert darüber, “was in München eigentlich abgeht“. Es seien viel mehr Nachrichten eingegangen, als sie erwartet hätten. Teilweise bekämen sie fünf Catcalls am Tag rein. Sie seien sogar ein bisschen überfordert und überlegen, noch mehr Unterstützer ins Team zu holen. Aktuell haben sie 25 offene Catcalls, die noch gemalt, fotografiert und geteilt werden müssen.

Das zeigt: Hier gibt es wirklich ein Problem. Und Betroffene, die gehört werden wollen. Trotzdem müssen sich Sofija, Julia und Ege immer wieder anhören, dass ein blöder Spruch ja noch lange keine sexuelle Belästigung sei. “Das nervt mich schon echt,” sagt Sofija. Sie und ihr Team finden, jeder Mensch habe eine andere Wahrnehmung. Was für den einen ein Kompliment ist, ist für den anderen eine Belästigung. Für sie gilt: Belästigung ist dann, wenn du dich belästigt fühlst. Dafür müsse Sensibilität geschaffen werden.

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Mit Followern, Likes und Klicks in den Kampf gegen Belästigung ziehen

Obwohl sie zur Zeit viel zu tun haben, um all den Catcalls nachzukommen, verspricht Sofija, dass die Seite bleiben wird. Tatsächlich plant sie zusammen mir ihren Freunden, die Plattform bald auch für andere, ähnliche Projekte zu nutzen.

Die Reichweite mit ihrem Account sei enorm. Umso mehr Reichweite, umso mehr Menschen, die sich einsetzen. Und bei dem Thema kann es nicht genug Unterstützer*innen geben.


Wenn du auch Catcalls erlebt hast und deine Geschichte mit jemandem teilen möchtest, kannst du dich mit einer Nachricht hier an catcallsofmuc wenden.


Beitragsbild: © catcallsofmuc

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