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Zwölf neue Parklets für die Landwehrstraße – Das Freiraumviertel stellt sich vor

Aufmerksame MUCBOOK-Leser*innen werden das FreiRAUM-Viertel München vielleicht schon kennen. Die Initiative setzt sich für eine grünere Stadt und Experimente im öffentlichen Raum ein. Nach einem erfolgreichem Auftakt im letzten Jahr, werden auch dieses Jahr wieder Parklets in der Landwehrstraße aufgebaut. Aber wer steckt eigentlich dahinter? Und wieso machen die das überhaupt? Um das zu beantworten, hat sich die Initiative kurzerhand einmal selbst interviewt und stellt sich vor:

Sagt mal, Was ist da los in der Landwehr?

Wir haben vor drei Wochen angefangen, sieben Parklets zwischen Schiller- und Goethestraße aufzubauen und zu begrünen. Wir haben Parkplätze in Orte für Menschen umgewandelt – mit viel Grün, Tischen und Bänken. Wer abends durch die Landwehrstraße zieht, sieht sofort, was dort passiert: Menschen spielen Backgammon. Familien sitzen dort und essen. Freunde treffen sich, um ein Bier zu trinken und zu quatschen. Kurz: die Nachbarschaft kommt zusammen, lernt sich kennen und kann den Sommer in der Stadt ein wenig genießen.

Und wer hat das alles gebaut?

Wir. Beziehungsweise: unser CEO Martin Laschewski, der nicht nur Fahrradmechaniker ist, sondern auch Schreinerskills hat. Typischer Ossi halt: immer alles selber machen. Der Rest unterstützt, so gut er kann. Beziehungsweise: erledigt Papierkram, Verwaltung, Fundraising, Blümchen pflegen, Bretter anreichen, etc. Es gibt genug zu tun.

Zwölf Parkplätze weniger. Geht jetzt nicht das Abendland unter?

Im Gegenteil: Weniger Platz für Autos, mehr Orte für Menschen. Es ist grün, gesellig und nett. Kommen Sie doch mal vorbei und trinken ein Bier mit uns.

Und ist dann nicht alles voller Müll und Lärm?

Da haben Sie einen Punkt. Wir haben diesmal zusätzliche Mülltonnen aufgestellt, um der Abfallflut Herr zu werden. Diese werden von den meisten Menschen genutzt, zumal dort auch kaum Mülleimer im öffentlichen Raum stehen. Was den Lärm angeht: wir fahren abends durch die Straßen und reden mit den Menschen in den Parklets, um sie darauf hinzuweisen, dass andere hier auch schlafen möchten. Das klappt ziemlich gut, denn eigentlich wollen es ja alle nett und schön haben und niemand möchte gerne ein Arschloch sein.

Wer ist Freiraum?

Der harte Kern sind acht engagierte – und etwas wahnsinnige – Münchner*innen, die gemeinsam und unter persönlichem Einsatz die Stadt gerechter, grüner und klimaresilienter gestalten möchte.

Habt Ihr kein Leben?

Doch. Wir alle haben Berufe, zum Teil Kinder, zusätzliche Ehrenämter. Aber wir meinen: angesichts der Erhitzung der Städte läuft uns die Zeit davon, wir müssen dringend handeln. Und der Stadt fehlt es zum Teil am politischen Willen, zum Teil an Ressourcen, um diese Maßnahmen zu ergreifen. Wir wollen mit Freiraum zeigen, dass die Verkehrswende nicht nur dringend notwendig ist, sondern den Anwohner*innen und Gewerbetreibenden mehr Lebensqualität schenken kann. Dafür muss sie allerdings nicht nur gut gemeint, sondern gut gemacht sein.

Seid Ihr dubios?

Nein, Freiraum ist eine anerkannte gemeinnützige Gesellschaft. Wir sind Gründer, wenn auch nicht so Höhle-der-Löwen-mäßig.

Sabine Enderle  (Freiraum) und Marco Hölzel (Lehrstuhl für Land- und Bodenordnung und Landentwicklung) beim Pflanzen

Seid Ihr eine Vorfeldorganisationen der Grünen?

They wish! Nein, im Ernst: natürlich unterstützen uns die Grünen, weil wir ein Mosaikteil ihrer politischen Vision umsetzen. Und wir sind in Kontakt mit Politikern der Linken und der SPD, das liegt auch in der Natur der Sache: wir schaffen in der Landwehr neue Räume für die Menschen, die sonst weder das Geld noch die Ressourcen haben, um auf ihre Probleme aufmerksam zu machen. ABER: im Bezirksausschuss haben alle Parteien unser Konzept durchgewunken und finanziell unterstützt, also auch FDP und CSU. Denn alle haben verstanden: In der Landwehrstraße muss etwas passieren. Dort ist nicht nur die Straße versiegelt, sondern auch alle Hinterhöfe. Links und rechts der Straße wird geparkt, der Verkehr staut sich in der Mitte. Die Luft ist furchtbar und die Hitze immens. Wenn dort nicht etwas passiert, wird sie weiter zunehmen und die Menschen dort sind völlig ungeschützt. Mit anderen Worten: wenn unsere Maßnahmen nicht bald ausgebaut und verstetigt werden, wird es dort bald so heiß sein, dass alle unfreiwillig am Asphalt festkleben, und zwar überparteilich.

Macht Ihr das alleine?

Um Himmels Willen, nein. Wir haben einen Sponsoren aus der Wirtschaft, den Starnberger Immobilieninvestor Ehret und Klein. Sie haben uns nicht nur Geld gegeben, sondern auch in der Franzi in der Schwanthaler Straße in der ehemaligen Sabelschule Raum für eine Werkstatt und unsere Pflanzen zur Zwischennutzung gegeben. Ohne diese logistische Unterstützung würden wir das kaum schaffen. Die Gärtnerei Bösel aus München findet unser Projekt super und hat uns zahlreiche Pflanzenspenden vorbeigebracht, darum ist es auch so schön geworden.

Außerdem haben wir Geld vom Klimaschutzreferat und vom Mobilitätsreferat für unsere Ausgaben bekommen – gerade Holz ist immens teuer geworden. Der BA2 unterstützt uns ebenfalls finanziell. Doch ohne einen Freundeskreis aus circa zehn weiteren Mitgliedern, das geistige Starterpaket vom dänischen Städteplaner Gehl Architekten, den Männern aus dem Bodelschwinghhaus, der Freiwilligenagentur Tatendrang und all den netten Gewerbetreibenden, die die Pflanzen gießen und uns mit Baklava füttern, wenn die Kräfte nachlassen, würden wir das gar nicht schaffen.

Okay, verstehe. Noch eine letzte Frage: Spinnt Ihr?

Vermutlich, ja. Aber ist es nicht viel verrückter, angesichts der Erhitzung unserer Stadt nichts zu tun?


FreimRAUM-Viertel sind (u.a.): Sabine Enderle, Stephan Esser, Toni Heigl, Georg Leipold, Henriette Kuhrt, Martin Laschewski, Michaela Wiese, Thomas Wiest


Fotos: ©Stephan Esser, Foto Fahrradabstellmöglichkeiten & Nachbarschaftstreffpunkt: © Valerie Schuiling, Foto Backgammon & Gartenarbeit: ©FreiRAUM-Viertel München

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