Aktuell, Kultur

“Kultur ist immer das erste Opfer in Krisenzeiten”– Katha Walpoth (Import Export) über ausbleibende Besucher:innen

Tobias Wullert

Update vom 31. August: Das Import Export hat zur finanziellen Unterstützung in Form eines Crowdfundings aufgerufen:

„Die Lage ist ernst. Wir benötigen 25.000 €, damit das Import Export bleibt, wie es ist. Um weiterhin Künstler:innen die Möglichkeit zu geben, ihre Kunst darzubieten, faire Gagen, Honorare und Gehälter zu bezahlen, erschwingliche Ticketpreise bieten zu können und die Stadt mit vielseitigen und oft kostenlosen Angeboten bereichern zu können, benötigen wir eure Unterstützung.“

Hintergrund sei das „finanzielle Loch“, das in den letzten Jahren immer größer wurde, die derzeitige Inflation und auch die monetären Spätfolgen der Pandemie, die jetzt durchschlagen. Hier könnt ihr spenden und das Import Export supporten.


Mit einem Rant auf Facebook hat sich Konzertbookerin Katha Walpot (Import Export) kürzlich nicht nur Luft sondern auch Aufmerksamkeit verschafft. Sie beschwerte sich über fehlende Konzert-Besucher*innen und mangelnde Wertschätzung für die Arbeit der vielen (Sub-)Kulturschaffenden der Stadt. Fast zeitgleich erschien in der Frankfurter Rundschau ein Kommentar von Autor, Clubbesitzer und Humorist Rocko Schamoni, der ein Artensterben in der Kultur vorhersagte. Das Problem ist also nicht nur ein Münchnerisches: unbekanntere Acts verdienen oft kaum noch etwas durch Liveauftritte, weil oft schlichtweg das Publikum fehlt. Zeit für ein Krisengespräch: MUCBOOK traf die engagierte Bookerin zum Interview.

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Katha, dein Post auf Facebook ist jetzt ein paar Wochen her und er wurde dutzendfach geteilt. Wie hast du die Sache erlebt?

Katha Walpot: Mein Rant war nicht nur an fehlende Besucher:innen gerichtet. Das möchte ich gleich zu Beginn klarstellen. Wir haben ein sehr treues Stammpublikum, das uns sehr viel Zuspruch gibt und uns unterstützt. Aber natürlich können die nicht alles tragen. Unser Programm ist so breit und vielfältig, dass ich mich wundere über das ausbleibende Interesse an Kultur in der Münchner Stadtgesellschaft. Und da kommen wir eben schon zum nächsten Punkt: Das hat mit fehlender Sichtbarkeit und Wertschätzung zu tun – und die müsste von der Seite der Stadtpolitik und auch der Presse noch viel stärker sein. Das ist in meinem Rant wohl zu wenig zum Vorschein gekommen.

Wie kann es sein, dass ich erst einen solchen Post machen muss, um gleich mehrere Interviewanfragen von der Presse zu bekommen und nicht schon viel früher, wenn es ums Sichtbarmachen unseres Programms im Import Export geht? Und dann kommt noch dazu, wie viel Aufmerksamkeit und Priorität die Stadtpolitik der (Sub-)Kultur geben will. Manchmal ist das für uns Veranstalter:innen aus dem nicht kommerziellen Sektor sehr sehr schwer nachzuvollziehen. Ideen und Aktionen ermöglichen, bürokratische Hürden heruntersetzen und vor allem an der Sichtbarkeit der von der Stadt geförderten Kultur zu arbeiten: Da muss die Stadtpolitik noch mehr tun!

Alles hat wieder geöffnet und eigentlich sollten die Leute doch hungrig nach Live-Konzerten sein. Warum ist das trotzdem nicht so? 

Das hat viele verschiedene Gründe. Wie du sagst, hat alles wieder geöffnet. Gerade im Sommer finden so viele Veranstaltungen gleichzeitig statt, dass das Angebot scheinbar die Nachfrage übersteigt. Da wären wir wieder bei dem Interesse und der Sichtbarkeit, von der ich vorher sprach. Es gibt aber auch eine Lethargie nach Corona – der erwartete Run auf Konzerte und Events bleibt aus, die Leute haben es sich zu Hause gemütlich gemacht. Da stellt sich auch die Frage, ob die Pandemie denn schon vorbei ist? Aber natürlich spielt auch die Inflation und die wirtschaftliche Situation eine große Rolle. Kultur ist immer das erste Opfer in Krisenzeiten. 

Wie versucht Ihr dieser Entwicklung gegenzusteuern?
Wir haben für unser Sommerprogramm sehr viel in Werbung und Öffentlichkeitsarbeit investiert. Wir veranstalten hauptsächlich Open Air, so können sich auch diejenigen wohl fühlen, die sich schützen wollen oder müssen. Und natürlich arbeiten wir mit sehr vielen unterschiedlichen Künstler:innen, Veranstalter:innen und Kollektiven – da ist wirklich für alle etwas dabei!

Gerade im Moment veranstaltet Ihr das OPEN Festival. Was sind deine persönlichen Highlights?
Draußen zusammen sein mit unglaublich tollen Menschen und Musiker:innen in einer sehr herzlichen Atmosphäre ist ein Dauerhighlight für mich! Wir geben internationalen Acts eine Bühne – es ist uns wichtig, dass wir für und mit den unterschiedlichen Communities der Stadt einen Raum schaffen. Am 18. August bringt Ayom Musik von Brasilien bis Angola und Kap Verde auf unseren Hof und trifft mit den Klängen aus dem Mittelmeerraum von Séferia zusammen. Und dann freue ich mich natürlich auf den 7. September: da habe ich endlich eine Musikerin aus meinem Heimatland eingeladen. Maria Mazzotta erforscht auf einzigartige Weise die verschiedenen Klänge der Regionen Süditaliens. Das Finale Furioso am 10. September ist der Abschluss unseres OPEN Festivals und der Open Air Saison. Das Programm wird bombastisch mit der Wahnsinnsband Isaac Birituro And The Rail Abandonaus Ghana und weiteren Suprise DJs und Live Acts auf mehreren Floors.

Du kommst ursprünglich nicht aus München, sondern aus Südtirol. Wie hat sich deine Meinung über die Münchner Subkultur verändert im Laufe der Zeit?
Ich beobachte, dass die Stadtgesellschaft viel internationaler geworden ist. Die Menschen, die wie ich nach München gezogen sind, haben großen Bedarf ihre Community zu stärken und über Musik einen Raum für sich einzunehmen. Es ist total schön, dass wir einen Ort haben, um das zu ermöglichen. Orte der Subkultur empowern Menschen darin, Experimente zu wagen und sich Räume anzueignen. Auch die junge Generation ist voller Antrieb und Energie – sie wissen was sie wollen und positionieren sich künstlerisch, politisch und gesellschaftlich sehr klar. 

Sind die Münchner:innen an sich dennoch zu verwöhnt?
Hahaha! Das ist doch, was ihnen nachgesagt wird. Wenns um innerstädtische Distanzen geht: JA! Und auch wenns ums Ausgeben von Geld für Kultur geht. Und manchmal habe ich das Gefühl, die Leute erkennen nicht, welche Schätze in der lokalen Szene zu finden sind! 

Kann Subkultur nur noch subventioniert überleben? 
Ja, leider! Im Moment zeichnet sich das ja sehr deutlich ab. Nicht nur wir im Import Export merken das. Es ist unmöglich, kulturelle Veranstaltungen in unserem Sektor ohne Förderungen zu stemmen. Und leider sind die Fördergelder auch immer so knapp, dass wir alle total prekär und weit über unsere Kapazitäten arbeiten. Was alles dazu gehört, um eine Veranstaltung durchzuführen, ist vielen Menschen und leider auch vielen in der Politik gar nicht klar. Wenn ich anfange aufzuzählen, wie viel Menschenpower in einer Kulturveranstaltung steckt, wäre meine Antwort um fünf Zeilen länger – siehe mein Facebook Post. Wir arbeiten daran, das transparent zu machen und hoffen, dass wir damit für alle Beteiligten bessere Voraussetzungen und Arbeitsverhältnisse schaffen können – irgendwann! 

Was wünscht Du Dir von der Stadt München?
Diese Frage habe, ich glaube ich, schon beantwortet. Mehr Sichtbarkeit, mehr Verständnis für das, was wir für für die Stadt tun! Ich höre von extrem vielen Menschen, dass Orte wie das Import Export die Stadt extrem aufwerten und lebenswert machen. Kultur macht Städte lebenswert. Das muss München noch viel besser verstehen und fördern. Wir wollen innovative und engagierte Menschen hier halten: das klappt durch Orte, an denen kultureller Freiraum passieren darf! Ich wünsche mir, dass die Stadt versteht, was für einen großen Wertebeitrag das Import Export für München leistet!

Geht doch: gut besuchtes Konzert im Innenhof des Import Export – ©IE

In aller Kürze:

Was? Import Export Open Festival
Wann? bis 10.09.
Wo? Import Export
Tickets: 15 Euro

Infos und Tickets


Beitragsbild: Bekky Bekks auf Unsplash

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