Aktuell, Kennen wir uns?, Kolumnen

Kennen wir uns? Die Frauen in meinem Leben

Carina Eckl

Also, liebe Leser*innen, folgendes Thema: Fabelwesen. „Oh nein, jetzt fängst du schon wieder damit an. Wir haben verstanden, DU LIEBST MEERJUNGFRAUEN. Und war dein Thema nicht Weiblichkeit in der Gesellschaft?“, ereifert sich der wütende Mob.

Diese Themen hängen enger miteinander zusammen, als man erst einmal denkt. Frauen wurden jahrhundertelang von männlichen Autoren als Fabelwesen dargestellt: Engel und Elfen, Nixen und Nymphen. Wie vielseitig wir Frauen sind, oder? Ganz toll.

Wahrscheinlich bekomme ich schon allein deswegen Probleme mit den Herren der Schöpfung, alias die Katholische Kirche, weil ich Engel als Fabelwesen bezeichne.

Ich persönlich liebe die Vorstellung von Elfen und Meerjungfrauen. Die Welt kann ein bisschen Magie gebrauchen. Aber: Ich will als Frau nicht darauf reduziert werden, dass ich entweder ein perfekter Engel bin oder sonst mangelhaft und nicht würdig bin, verheiratet zu werden. Klingt unschön nach 18. Jahrhundert? Eben. 

Was bedeutet Weiblichkeit also, wenn sie nicht darauf reduziert sein soll, ein märchenhaftes, verführerisches Wesen zu sein? Ähnlich wie die Männer in meinem Leben sind sich meine Freund*innen einig, eine Frau sei jede*r, die sich als eine fühlt.

Wahl oder Qual?

Eine Freundin beschreibt sich so: „Äußerlich passe ich wohl sehr gut in das gesellschaftliche Bild von Weiblichkeit, denn ich mag Schminke, Kleider und lange Haare. Charakterlich passe ich dagegen eigentlich gar nicht ins Bild. Mein Ziel im Leben ist zum Beispiel nicht, die perfekte Hochzeit, Kinder und Familie zu haben. Im Endeffekt habe ich sogar Angst davor, das sein zu müssen, was die Gesellschaft von Frauen erwartet.“

Frauen durften jahrhundertelang nicht selbst entscheiden, wer sie sein wollten. Was eine Frau ist, war davon abhängig, was ein Mann ist oder wie er sie sieht. Wir waren Geliebte, wir waren Hausfrauen, Mütter. In vielen Ländern können wir mittlerweile mehr sein als das, wenn wir möchten. Ich denke übrigens, es ist genauso feministisch, Mutter zu sein wie Business-Frau.

Feminismus bedeutet für mich, die Wahl zu haben und selbst entscheiden zu dürfen. Dafür, wir selbst zu sein, müssen wir uns trotz dem gesellschaftlichen Wandel noch oft rechtfertigen. Das ist nicht nur in Deutschland so.

„Ich weiche in meinem anerzogenen Konzept von Weiblichkeit dahingehend von der Norm ab, dass ich als albanische Frau unabhängig bin: Ich zahle meine Rechnungen alle selbst und habe meine eigene Wohnung. Dies führt wiederum zur Annahme, dass ich doch ‚keine richtige albanische Frau‘ wäre”, erzählt eine Freundin.

Accessoire und Anhang

Die Regeln und Normen, die bestimmen, was eine Frau ist und wie sie sein sollte, sind unüberschaubar und teilweise widersprüchlich. Manche Frauen wären zu freizügig, manche zu prüde. Herzlos, wenn sie keine Kinder wollen und zu sentimental, wenn sie als Hausfrau und Mutter glücklich sind.  

„Ich würde mir wünschen, dass die Gesellschaft nicht mehr feststellt, sondern fragt. Dass sie keine Forderungen an Frauen stellt, sondern sich darüber freut, was so viele verschiedene Frauen können“, meint eine Freundin.

Ich muss oft daran denken, dass unserer Gesellschaft so viele Erfindungen, Kunstwerke und charakterliche Werte entgangen sind, weil eine Frau lange nur Accessoire und Anhang für den Mann war.

Wir leben in einer Gesellschaft, in der Männlichkeit und Weiblichkeit als zwei unvereinbare, getrennte Konzepte wahrgenommen werden. Frauen wie auch Männern wird suggeriert, dass es etwas Schlechtes sei, wenn man männliche und weibliche Eigenschaften hat.

Anders als die anderen Frauen

„Ich würde sagen, dass ich 50/50 weiblich/männlich bin. Ich liebe zwar Schminke, aber auch Skaten. Ich denke, ich habe eine wenig ‚weibliche‘ Art zu sprechen, weil ich schnell aggressiv werde. Und Aggressivität ist ein No-Go als Frau – das wurde mir oft genauso gesagt“, erklärt eine Freundin.

Ich war in meiner Teenager-Zeit der Typ ‚Ich bin anders als die anderen Frauen‘. Außerhalb meiner Schule hatte ich einen überwiegend männlichen Freundeskreis und wurde dort dafür gemocht, dass ich ‚anders‘ war als die kichernden, sich mit Schminke zukleisternden Tussis. Darauf war ich stolz.

Nicht nur Männer haben Vorurteile gegenüber Frauen, sondern traurigerweise auch Frauen. Ich glaube, was unsere Gesellschaft am meisten ausmacht, ist der fast zwanghafte Wunsch, sich von anderen abzugrenzen. Das bedeutet manchmal, sich von seiner eigenen Weiblichkeit abzugrenzen.

Frau vs. Frau

Nach der Scheidung meiner Eltern legte ich mir eine harte Schale zu, damit mich niemand mehr verletzen würde. Und war ‚zu cool‘ für pinkes Girly-Zeug und Emotionalität. Mit den Jahren habe ich zu meiner Sensibilität zurückgefunden, mag meinen sehr weiblichen Körper und bin stolz darauf, dass ich nicht das Bedürfnis habe, mich in ein Geschlechterklischee zu pressen.

Ich habe meine Meinung damals für viel zu wichtig genommen. Weder ich noch irgendein Mann sollte eine Frau dafür bewerten, was sie mit ihrem Äußeren macht. Schminke kann auch ein Ausdruck von Empowerment sein.

Das wurde mir paradoxerweise klar, weil ich Männer schon immer feierte, die sich gern mit Mode beschäftigten. Ich dachte mir: „Wenn ich es bei Männern okay finde, warum dann nicht bei Frauen?“ Ich musste mich von meinen Vorurteilen gegenüber Weiblichkeit lösen.

Sexobjekte, Kunstobjekte, Wunschobjekte

„Meine Cousine hat als Kleinkind mal an meine Brüste gefasst. Sie fand es faszinierend, dass ich auch Brüste hätte, wie ihre Mutter. Aber auch verwirrend, weil ich noch keine Kinder hatte. Meine Oma beobachtete das und meinte zu mir daraufhin: ‚Sogar deiner Cousine ist aufgefallen, dass du den Körper einer Frau hast. Du musst aufpassen, weil dieser Körper im Bikini auch Männern auffallen wird.'”, erzählt eine Freundin.

Frauen sind Sexobjekte, Kunstobjekte, Wunschobjekte. Aber genauso wie Männer auch wollen wir einfach nur wir selbst sein. Wir wollen unseren Körper lieben, ohne dass er von anderen bewertet wird. Unsere Sexualität ausleben, ohne dabei auf einen Fetisch reduziert zu werden oder uns entscheiden zu müssen, ob wir Heilige oder Hure sein wollen.

„Nach meinem ersten Mal habe ich geweint. Ich war keine ‚gute albanische Frau‘ mehr. Es war etwas passiert, was nie wieder rückgängig gemacht werden konnte. Ich fragte mich: ‚Was habe ich nur getan?‘ Mittlerweile bin ich froh, dass ich entschieden habe, von der albanischen Norm von Weiblichkeit abzuweichen. Innerlich bin ich stolz und dankbar, dass ich Liebe in welcher Form auch immer erleben durfte“, erzählt sie.

Jung, dünn und schön

Wenn wir ehrlich sind, sehnen wir uns alle nach Zuneigung und Anerkennung. Danach, für die Person geliebt zu werden, die wir wirklich sind.

Egal mit welchem Geschlecht ihr euch identifiziert, seid ihr es wert, geliebt zu werden. Und auch unabhängig davon, wie euer Körper aussieht. Fatshaming ist für mich beispielsweise ein Thema, das noch viel zu selten angesprochen wird, wenn es um Feminismus geht.

(Andere) Frauen für ihren Körper zu verurteilen, ist ein misogynes Denkmuster: Eine Frau sei nur etwas wert, wenn ein Mann sie begehrlich findet, also idealerweise jung, dünn und schön. Wir Frauen müssen uns das doch nicht antun, uns gegenseitig auf unser Aussehen zu reduzieren, oder?

Liebe wird nicht weniger, wenn man sie teilt

Eine Freundin erklärt, dass sie sich in letzter Zeit viele Gedanken darum gemacht habe, dass wir aufhören müssen, schlecht über andere Frauen zu sprechen und in einem ständigen Konkurrenzkampf zueinander zu stehen. Wenn wir Liebe wollen, müssen wir auch lernen, sie anderen zu geben.

Ich will meine Freund*innen feiern, sie unterstützen und nicht schlecht über sie hinter ihrem Rücken reden. Ich bin nicht weniger klug oder schön, wenn ich meine Freund*innen als klug und schön bezeichne. Mir wird nichts von meinem Liebeskonto abgezogen, wenn ich großzügig mit Komplimenten und Zuneigungsbekundungen umgehe.

Anders als J.K. Rowling es vermutlich wahrnimmt, wird unsere Weiblichkeit oder Männlichkeit auch nicht bedroht, wenn sich jemand nicht damit identifizieren kann.

„Ich persönlich weiß, dass man mich als Frau liest. Ich weiß, dass man Erwartungen deshalb an mich stellt. Aber ich fühle diese Verbindung nicht. Wenn ich andere Frauen sehen, dann weiß ich, dass es zumindest den gemeinsamen Nenner gibt, dass wir mit vergleichbaren Erwartungen im Alltag konfrontiert sind. Aber ich habe nicht das soziale Zugehörigkeitsgefühl dabei“, erzählt eine befreundete Person.

Mit den Erwartungen, die wir an andere stellen, schränken wir nicht nur sie ein, sondern auch uns selbst. Unsere Gesellschaft muss aufhören, etwas als Mangel oder Fehler darzustellen, das anders als die ‚Norm‘ ist.

„Bin ich falsch?“

„Die Gesellschaft sagt mir, ich müsste mich so verhalten, weil mein Körper so aussieht, wie er aussieht. Ich neige intuitiv dazu, mich nicht so zu verhalten… was ist an mir falsch?“

Es macht mich wütend, dass Menschen in unserer Gesellschaft das Gefühl bekommen, sie wären ‚falsch‘, nur weil sie nicht mit den Schubladen glücklich sind, in die man sie pressen will. Lebt es sich gut in einer stickigen, engen Schublade? Nein.

Letztendlich komme ich immer wieder zur Freiheit zurück: Wir alle wollen frei sein, wir selbst zu sein. Und jede*r von uns kann etwas dafür tun, anderen ihre Freiheit zu lassen, indem man sie nicht auf ihr Geschlecht oder Aussehen reduziert.

Wenn ich anfange, Menschen so zu lieben wie sie sind, merken sie wie schön das ist und fangen dann vielleicht selbst damit an. Gesellschaften funktionieren wie ein Dominospiel.

Was mich selbst anbelangt, ist mir mittlerweile klar, dass ich beides sein kann: weiblich und männlich. Dass ich nicht einem Typ entsprechen muss, nur damit ‚mich Jungs süß finden Hihihi.‘

Ich bin wie die kleine Meerjungfrau: ich mochte immer beide Welten. Anders als sie fühle ich mich aber nicht dazwischen hin- und hergerissen, ich kann Teil von beiden sein. Das sollte jede*r von uns dürfen.  


Beitragsbild: © Unsplash/Gemma Chua Tran

No Comments

Post A Comment

Simple Share Buttons
Simple Share Buttons