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Life is good im NY.Club

Valerie Schuiling

Es ist kurz vor elf abends und es regnet in Strömen. Das Wetter ist alles andere als optimal aber die Stimmung ist schon ausgelassen. Zu viert stehen wir vor dem NY.Club und warten darauf eingelassen zu werden. Die anderen drei Jungs kenne ich nicht, aber wir haben die Art von kurzweiliger, aber tiefer Verbundenheit, die man eben hat um elf abends vorm Club. Drinnen ist die Tanzfläche noch leer, also ist unser erstes Ziel Shots an der Bar. Und Winnie trinkt mit. Sie ist Drag Queen und davon nicht die Einzige im NY.Club. Denn der NY.Club ist DER Gay-Club Münchens.

Freddies Geheimtipp

Und den Laden gibt es nicht erst seit gestern. Inmitten der erwachenden Gay-Szene in den frühen Achtzigern war Freddie Mercury regelmäßig im ursprünglichen „New York, New York“ zu Gast und verschaffte dem Club internationale Popularität. Und seitdem hat der sich zu einer regelrechten Institution für die queere Szene in München entwickelt. Auch Umzüge hat das Tanzlokal schon einige hinter sich: Anfangs im heutigen Paradiso, zog das Lokal in die Thalkirchner Straße und dann in den Neunzigern in die Sonnenstraße, die es aber 2017 für ein neues Hotel räumen musste.

Wer braucht eigentlich das nächste x-beliebige Hotel in München statt einem Safe-Space in der Partyszene? Das hat sich auch Ken Koch damals gedacht. Er ist Besitzer des Nachtclubs seit 2005 und hat den vierten Umzug mitgemacht. Nach langem Suchen und zeitweise Unterschlupf im Jack Rabbit fand er mit Unterstützung seiner alten Nachbarn von der Milchbar die neue Location am Hauptbahnhof. Er sei sofort begeistert gewesen. „Egal wie hoch die Miete ist, die nehm’ ich“, erzählt er mir von seiner ersten Besichtigung. Denn die Räumlichkeiten, heute mit Tanzfläche, VIP-Bereich und Dark Room haben sogar einen Außenbereich an dem Getränke konsumiert werden dürfen – eine Seltenheit in München.

Einsame Zeiten

Eine weitere Hürde der letzten Jahre war Corona. Mit Biergarten, Kiosk und Terrassen-Lounge haben sie die Zeit überbrückt und waren so für ihre Community da. Die Dankbarkeit für die Unterstützung während dieser Zeit sieht man gleich, wenn man in den Club kommt. Auf der Wall of Friends stehen alle Namen derer, die während Corona gespendet haben, um das Bestehen dieses Freiraumes zu garantieren. Denn das ist etwas was man oft in der Corona Zeit vergisst. Natürlich war es nervig, das Haus nicht zu verlassen, aber für die meisten von uns hieß das sich im gemütlichen Bett zu kuscheln und endlich mal den lang ersehnten Netflix-Marathon abhalten zu können. Für viele aus der LGBTQIA+ Community hieß es aber ein Wegfallen von Anlaufstellen. Safe-Spaces. Gleichgesinnter Community. Nicht alle haben das Privileg, zuhause akzeptiert zu werden und sich ausleben zu können.

Von diesen Menschen kommen viele in Kens Club: Transgender, die sich erst spät oder immer noch nicht geoutet haben, Einkommensschwache der LGBTQ-Community auf der Suche nach Zugehörigkeit, Männer in Makeup von dem sich der ein oder andere (inklusive mir) noch einiges abschauen können. Sie alle schütten normalerweise Ken, Mutti oder Winnie an der Bar ihr Herz aus. „Wir sind nicht nur Club, wir leisten auch einen sozialen Beitrag zur Community“, sagt Ken. Während der Schließungen waren Mutti und Winnie auch Anlaufstelle per Mail, waren da bei Coming Outs und Trennungsschmerz und unterstützten aus der Ferne. Aber natürlich fehlten die „echten“ Kontakte.

Und Ansprechpartner vor Ort sind wichtig, nicht nur als Kontakt mit Gleichgesinnten, sondern auch um gegen Homophobie vorgehen zu können. Auch wenn ich in meiner links-grünen Bubble feststecke, heißt das nicht, dass Schwulenhass aus der Welt ist. Ken erzählt mir, dass sich viel getan hat über die Jahre, besonders bei der Akzeptanz von Trans-Menschen. Aber auch von unschöneren Vorfällen hat er zu berichten. Als er vor nicht allzu langer Zeit in einem anderen Nachtclub unterwegs war wurde es fast handgreiflich nur weil sich zwei Männer geküsst haben. Und das in 2022. Umso mehr zeigt es, dass wir in diesen Situationen eingreifen und weiterhin für die Rechte der queeren Gemeinschaft einsetzten müssen. Und umso wichtiger sind Freiräume und Räume der Akzeptanz für Menschen, die nicht als cis oder hetero gelesen werden.

Buntes Treiben

Die Freude war deswegen groß, als die Tore des Nachtclubs im März endlich wieder ohne Beschränkungen geöffnet werden konnten. „Ein absolutes Highlight“, schwärmt der Nachtclubbesitzer, „Schlangen länger als beim CSD“. Und das zeigt, wie groß der Trennungsschmerz der Feiernden vom Club war. Aber jetzt wird endlich wieder getanzt, jeden Freitag und Samstag. Bei Luxuspop kann man freitags zu Pop auf der Tanzfläche abgehen. Das Publikum ist auf den Partys, die sogar schon mehrmals bei den Munich Nightlife Awards ausgezeichnet wurden, bei 18 bis 25 etwas jünger. Samstags geht es bei der Raw Riot-Partyreihe zu Tech-House-Musik dann etwas älter zu. Auch während dem CSD ist das NY-Team dabei mit Truck auf der Parade und Party am 16. Juli an zwei Locations.

Sogar international ist das Team unterwegs: Erst vor kurzem war der NY.Club on Tour in Nizza. Einen kleinen Party-Einblick gibt es hier:

Queerness gefeiert wird hier immer sobald sich die Türen öffnen, nicht nur an speziellen Events. Auf der Tanzfläche ist jeder willkommen, denn das war Ken Koch bei der Übernahme des Clubs besonders wichtig: „Wir wollen kein reiner Schwulen-Club sein. Wir sind offen für alle: ob hetero, bi, lesbisch oder sonstiger Teil der LGBTQIA+ Community“. Solange alle sich wohlfühlen und einander akzeptieren natürlich. Bei Anfeindungen oder unangenehmen Situationen wird sonst auch der ein oder andere hinausgeworfen – egal ob Stammgast oder nicht.

Baby, I was born this way…

Willkommen fühle ich mich auf jeden Fall im Club. Man merkt, dass sich viele kennen und regelmäßig herkommen. Sie grüßen den Besitzer, unterhalten sich mit Winnie oder den Barkeepern. Drinnen tanzt die Menge tanzt zu „Born this way“ von Lady Gaga, als wollten sie Kens Worte Unterstützung verleihen: „No matter gay, straight or bi…“. Die ein oder anderen Jungs ziehen ausgelassen ihre T-Shirts aus und mittlerweile ist die Tanzfläche so voll, dass ich mehrere Anläufe brauche, um überhaupt nach draußen zu kommen. Auf dem Weg zum Ausgang sehe ich Ken, wie er sich angeregt mit einer Gruppe Jugendlicher unterhält. Vielleicht geht es um Coming Outs, vielleicht aber auch um Fußball. Wer weiß das schon.


Beitragsbild: © Ken Koch; Wall of Friends: © Valerie Schuling