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Münchner Gesichter mit Mathias Götz / Le Millipede
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Wer sich auch nur ein kleines bisschen für Musik aus München interessiert und ab und zu auf Konzerte ging, als es noch welche gab, wird ihn schon mal auf der Bühne gesehen haben: Mathias Götz.
Der Posaunist, Komponist und Multiinstrumentalist ist in sehr, also wirklich sehr vielen Formationen aktiv. Warum wir aber ausgerechnet jetzt mit ihm sprechen wollen, ist sein eigenes Projekt namens “Le Millipede” (französisch für Tausendfüßler). Seit Dezember veröffentlicht er da einzelne Songs, die neben der digitalen Version nur ein einziges Mal gepresst und mit einem handgemachten Cover von Elisabeth Forster gestaltet. Außerdem gibt es zu jedem Track einen Essay, geschrieben von Féderico Sànchez. Dazu aber unten mehr. Jetzt ist es Zeit, einzutauchen in die Welt von Mathias Götz, mit viel Musik und Vogelgezwitscher:
Lieber Mathias, aufmerksame Verfolger*innen der hiesigen Musikszene kennen dich von verschiedensten Bandprojekten, wo bist du aktuell überall mit von der Partie?
Mathias: Wenn man das aktuell nicht stattfindende ausblendet, gibt es ein paar Projekte, die ich hier gerne erwähne. Es gibt zum Beispiel eine noch relativ junge Band von Benjamin Schäfer: Das Acony Bell Trio. Da spielen wir Stücke von Benny, die ihre Inspiration der amerikanischen Sängerin Gillian Welch zu verdanken haben. Das gefällt mir sehr, sehr, sehr. So einfache, aber ergreifende Musik. Man kann mich kurz auf dem neuen Album „Vertigo Days“ oder bei Konzerten von The Notwist hören/ sehen, wenn sie ihr Filmmusikprogramm „Messier Objects“ spielen, wie z.B. letzten Juni auf dem Moers Festival. Außerdem gibt es natürlich nach wie vor die Hochzeitskapelle, die sich schon sehr freut, an irgendwelchen unbekannten (oder auch bekannten) Orten, in Hinterhöfen, auf Dächern, auf Seen, an der Isar oder endlich wieder in Kneipen zu spielen. Es gibt eine etablierte Band wie die Allotria Jazz Band, mit der wir im Januar 2020 das 50 jährige Jubiläum mit einem komplett ausverkauften Konzert im Gärtnerplatztheater gefeiert haben. Das war schon sehr besonders – und ich bin mit 48 Jahren das jüngste Mitglied, aber auch schon 7 Jahre dabei. Es gibt die Unterbiberger Hofmusik, wo ich seit über 15 Jahren dabei bin, in der bayerische Volksmusik mit Einflüssen aus der ganzen Welt verschmilzt. Es gibt G.Rag und Landlergschwister von meinem Freund Andreas Stäbler, wo ich ab und zu als Gast dabei bin. Es gibt ein Duo-Projekt mit dem Schlagzeuger Colin Gilder, der eigentlich gar kein Schlagzeuger ist. Doch. Natürlich schon. Sonst würde ich ja nicht mit ihm spielen. Deshalb sogar. Das Colin Gilder – Mathias Götz Duo. Ich hab ihn mal gefragt, ob er denn auch andere Musik außer Freejazz hört. Da musste er lange überlegen und sagte dann: “eigentlich nicht“. Wir haben letztes Jahr dreimal vor 10 Leuten gespielt. Wir haben frei gespielt, aber nicht free. Schön, aber auch mal hässlich, laut und leise. Quasi improvisierte Musik. Könnte sich aber gelegentlich auch als eine Komposition anhören. Dieses Duo gibt es noch um die Tänzerin und Performerin Katrin Schafitel erweitert, die sich im Vordergrund sitzend zur Musik bewegt. Eher unaufgeregt, aber sehr kraftvoll. Und nicht zu vergessen, dass es neben Le Millipede noch eine zweite Band gibt, für die ich die Musik schreibe: Lovebrain and Diskotäschchen. Aktuell spielen wir ein Programm, das von Filmen wie „M. ein Stadt sucht einen Mörder“, „Im Reich der Sinne“, „Die Kunst des Ausklangs“ oder auch “Wolf Creek“ inspiriert sind. Zwei Geigen, eine Bratsche, Kontrabass, Schlagzeug und Posaune. Herrlich, für so einen Klangkörper schreiben zu können.
Was ist bei Le Millipede anders als bei den anderen?
Bei Le Millipede nehme ich die Musik zu Hause in meiner Wohnung auf, und zwar ganz alleine. Ich kann mich da voll verwirklichen. Ich darf Percussion spielen, Keyboards, Klavier, ohne dass ich wirklich Klavier spielen kann. Ich kann Trommeln aufnehmen, meine Stimme aufnehmen, sie als Instrument einsetzen, die aufgenommenen Spuren mit irgendwelchen Effekten weiterverarbeiten. Und es gibt die Posaune, die allerdings meistens ein Bassflügelhorn ist. Da habe ich sogar zwei verschiedene, die sehr verschieden und schön klingen. Eine ziemlich alte und eine ganz neue. Ein Prototyp von meinem ehemaligen Arbeitgeber Robert Worischek. Das aktuelle Stück “5th Leg” ist zum Beispiel damit gespielt.
Woran arbeitest du gerade?
Es gibt zu der Single-Reihe auch ein fast fertiges Le Millipede-Album, dieses Mal mit ein paar Gästen. Das gab es davor noch nie. Es wird eine Sängerin geben, Effi Rabsilber, die in Athen wohnt und auf Griechisch, Englisch und Deutsch singt. Kama Aina wird bei einigen Stücken Gitarre spielen und es gibt einige Klarinetten-Arrangements von Daniel Glatzel, der eigentlich für sein Andromeda Mega Express Orchestra schreibt.
Wie wichtig ist dir dabei die Zusammenarbeit mit anderen Künstler*innen?
Es ist natürlich am schönsten, wenn man was mit anderen Künstlern zusammen entstehen lassen kann. Das aktuell aufregendste Projekt ist für mich die Zusammenarbeit mit Elisabeth Forster und Féderico Sánchez. Alle drei Arbeiten stehen für sich und gehören doch irgendwie zusammen.
Es ist eine im Dezember gestartete Reihe mit Musik von Le Millipede, hochgeladen auf Bandcamp. Es gibt alle paar Wochen eine Single, ein Einzelstück – digital, aber auch physisch. Also nur eine Scheibe, geschnitten in Augsburg bei Duophonic, wo es extra dafür ein handgemachtes Cover gibt, von Elisabeth Forster gestaltet. So schöne und verschiedenartige Bilder/ Arbeiten sind bis jetzt schon entstanden. Einmal im Aquarellstil, dann als Fotodruck mit einer Arbeit von ihr, mal werden Hände mit der Nähmaschine skizziert, mal gibt es einen Linoldruck, dann eine Technik mit Glasplatten, die man Monotypie nennt. Im guten alten DIY-Style auf jeden Fall. Und dazu gibt es jeweils noch einen Filmessay. Pico Be, alias Féderico Sánchez, lässt sich von der Musik inspirieren, fühlt und hört in sich hinein, überlegt, an welchen Film ihn das erinnert. Er gräbt tief in seinem geistigen Filmarchiv, und entscheidet sich intuitiv für einen Film. Dann beschreibt er die Musik anhand des Films. Z.B. Béla Tarrs Film „Die Werckmeisterschen Harmonien“. So ergreifend… Für mich ist das Tolle, dass ich mir danach die zitierten Filme anschauen kann, die schon sehr besonders sind. Es gibt zum 4th Leg noch den hochgelobten Film „Der Geist des Bienenstocks” zu entdecken.
Was machst du als erstes, wenn Corona vorbei ist (hoffentlich bald…)?
Naja, das wird ja ein fließender Prozess sein. Auf jeden Fall freue ich mich, wenn man sich wieder mit seinen Freunden treffen kann, ohne dass immer irgendjemand einen Schritt zurückgeht. Dass man zusammensteht. Zusammen lacht, ohne schlechtes Gewissen…
Du bist auch leidenschaftlicher Vogelbeobachter. Welcher ist dein Lieblingsvogel, den man in München antreffen kann und warum?
Das ist eine gemeine Frage, da ich im letzten Jahr so viele tolle Vögel kennengelernt habe. Aber ich versuch’s mal. Es gibt den Gelbspötter, den man bei einem wahnsinnig idyllischen Ort zwischen Isar und Isarkanal bei der St. Emmeran-Brücke hören und sehen kann. Idyllisch leider nur in der Früh. Vielleicht sogar mit Sonnenaufgang. Wer es schafft, ganz früh da hinzukommen (noch vor den Joggern), und sich das Krötenkonzert, gepaart mit dem Vogelgezwitscher anhört, wird beeindruckt sein. Und in diesem Ambiente singen dann mindestens zwei Gelbspötter. Der Gesang ist so beeindruckend. Klingt an manchen Stellen etwas nasal. Oder gequäkt. Ansonsten ist er eher unscheinbar in einem schlichten gelblichen Kleid. (Und jetzt noch ganz schnell lesen: es gibt ja auch noch so tolle Vögel, den Neuntöter im Perlacher Forst, die Eisvögel an den ganzen Bächen, Wintergoldhähnchen in der ganzen Stadt, die Wasseramsel beim deutschen Museum, Gartenbaumläufer, gefühlt an jedem 7. Baum, sogar Schwarzspechte am Herkomerplatz…jetzt wieder normal weiterlesen.)
So, und jetzt zu den wirklich wichtigen Fragen: Weißwurst oder Leberkas?
Weißwurst
Worüber fluchst du am häufigsten in München?
In letzter Zeit über Autos, über große Autos, über zu große Autos. Aber das muss ja jeder selber entscheiden. Ich freu mich sehr und bin auch sehr dankbar, dass es einige Vereine und Initiativen gibt, wie z.B. Green City und den LbV, die sich immer wieder für sinnvolle und artenschützende Stadtplanung einsetzen.
Und was läuft doch irgendwie ganz gut?
Ich bin beeindruckt vom ehemaligen Bundesgartenschau-Gelände, in dessen Mitte der Riemer See liegt. Dafür, dass sich da an einem Sommerwochenende mehrere Tausend Menschen aufhalten, ist er ein richtiger Glücksfall. Das Wasser ist so klar und im Sommer immer noch erfrischend. Das ist so genial umgesetzt. Ich hatte letztes Jahr meine erste Vogeltour zum See gemacht und hatte gleich drei verschiedene Rohrsänger aufgenommen, die ich bis dahin noch nicht kannte. Ich wußte, dass es sie gibt. Die Drossel-, Sumpf- und Teichrohrsänger. Außerdem habe ich dort noch den Gelbspötter gehört, einen Bluthänfling, und ich habe einen kleinen Grauschnäppertrupp gesehen. Und das trotz der vielen Menschen, die das Gelände zur Erholung nutzen.
Dein bayerisches Lieblingssprichwort?
Scheiss da nix, dann feid da nix.
Das macht dich zum Münchner:
Meine Tochter.
Geht immer:
Ein Helles.
Dein Lieblings- Insta- oder Twitteraccount?
Ganz aktuell finde ich das Bergwaldprojekt auf Insta super. Da werden seit 1987 Projekteinsätze im Wald und anderen Naturlandschaften organisiert.
Wo findet man dich?
Aktuell oft am Flaucher, wo man neben dem Eisvogel auch einige Bergpieper sehen kann.
Und die Musik von Mathias findet ihr zum Beispiel hier. Oder hier. Oder hier.
Beitragsbild: © privat