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„Drohende Gefahr“: Warum wir auf die #noPAG-Demo gehen sollten

Das neue Polizeiaufgabengesetz (PAG). Was nach einem harmlosen Gesetzesanpassung à la Freund und Helfer klingt, soll der bayerischen Polizei künftig Vollmachten erteilen, die die rechtsstaatlichen Prinzipien unseres Freistaates untergraben, wie viele Experten kritisieren. Mit dem Totschlagargument „Terrorabwehr“ sollen der Polizei weitgehende Befugnisse eingeräumt werden, wenn es nach dem bayerischen Innenminister Joachim Herrmann und seinem Chef Markus Söder geht.

Sicherheit vor Grundrechten? Hier sind drei Gründe, warum wir am 10.5. in München zur #noPAG-Demo gehen sollten:

Präventivgewahrsam: Sag beim Abschied leise Servus

Schon seit letztem Sommer kann die Polizei Personen bis zu drei Monate präventiv einsperren, nur kann die Haft künftig unendlich fortgesetzt werden. Ein Richter muss dem zwar schnellstmöglich zustimmen und den Fall alle drei Monate wieder neu beurteilen – damit kann man aber ohne ordentliches Gerichtsverfahren unbegrenzt inhaftiert bleiben. Potenziell reicht dafür auch schon ein Platzverweis auf einer Demonstration aus, der mit Präventivgewahrsam durchgesetzt wird.

Im Grundgesetz der Bayerischen Verfassung Artikel 102 heißt es dazu übrigens:

(1) Die Freiheit der Person ist unverletzlich.
(2) Jeder von der öffentlichen Gewalt Festgenommene ist spätestens am Tage nach der Festnahme dem zuständigen Richter vorzuführen. Dieser hat dem Festgenommenen mitzuteilen, von welcher Behörde und aus welchen Gründen die Festnahme verfügt worden ist, und ihm Gelegenheit zu geben, Einwendungen gegen die Festnahme zu erheben. Er hat gegen den Festgenommenen entweder Haftbefehl zu erlassen oder ihn unverzüglich in Freiheit zu setzen.

Sind wir nicht alle eine „drohende Gefahr“?

Das Hauptproblem der Gesetzesreform ist die Formulierung der „drohenden Gefahr“. 2016 hatte das Bundesverfassungsgericht dem BKA zwar erlaubt bei der „drohenden Gefahr“ von Terroranschlägen verdächtige Personen zu überwachen. Nun wird der Begriff aber auch auf andere polizeiliche Maßnahmen angewendet, nicht nur bei der Terrorabwehr, sondern um „die Entstehung einer Gefahr für ein bedeutendes Rechtsgut zu verhindern“. Damit macht man den Betroffenen überhaupt erst keinen Strafvorwurf, den man widerlegen könnte – sie werden einfach als gefährlich eingestuft.

Wie schnell man in den Augen der CSU zur Gefahr wird, zeigte sie unlängst im Landtag: In einem Dringlichkeitsantrag war die Rede davon, dass „SPD und Grüne Seite an Seite mit Linksextremisten und anderen verfassungsfeindlichen Organisationen gegen das PAG kämpfen“ und der Widerstand dagegen eine „Gefahr für den Rechtsstaat“ sei.

Drohnen, Bodycams und Sprenggeschosse

Mit dem neuen Gesetz soll die bayerische Polizei in Zukunft ihre Einsätze filmen dürfen. Kritisch ist daran vor allem, dass die Aufnahmen auch bei Durchsuchungen von Privatwohnungen möglich sein sollen. Auch Drohnen soll die Polizei einsetzen dürfen, um damit Verdächtige zu filmen, deren Handydaten zu speichern oder Telefon- und Internetverbindungen kappen zu können. Immerhin ist man davon abgerückt, die Drohnen mit Pfefferspray zu bewaffnen (ja, das war ursprünglich auch vorgesehen).

Die Sache mit den Handgranaten wurde in den Medien (z.B. Zeit Online) zuletzt allerdings oft falsch dargestellt. Denn Spezialeinheiten der Polizei dürfen bereits nach der jetzigen Gesetzeslage mit Granaten hantieren. Neu sind allerdings die Sprenggeschosse. Fragt sich nur, wie man sich das in der Praxis dann vorstellen darf. Steht bei der nächsten Sicherheitskonferenz die Spezialeinheit mit der Panzerfaust im Anschlag da?

Oder um es mit Polt zu halten: Braucht’s des?


In aller Kürze:

Was? #noPAG-Demo in München (Facebook-Event)
Wann? Donnerstag, 10. Mai, 13 – 16 Uhr
Wo? Marienplatz, über Tal und Altstadtring zum Odeonsplatz (Abschlusskundgebung)


Beitragsbild: Polizeiklasse.org

2 Comments
  • O. Thom.
    Posted at 07:29h, 10 Mai

    Zum Ersten: ein PV auf einer Demo, also einer Versammlung reicht nicht für einen Präventivgewahrsam. Schon alleine dHer nicht, weil auf einer Versammlung ein Platzverweis nicht ohne weiteres möglich ist. Das Versammlungsgesetz ist polizeirechtsfest. D.h. das PAG ist grds. Nicht anwendbar. Nur unter ganz bestimmten voraussetzungen kann jemand von der Versammlung ausgeschlossen werden.

    Zum Zweiten: Das Pag hat die Verwendung von Handgranaten und Sturmgewehren nie nur für Spezialeinheiten vorgesehen. D.h. bei entsprechender Lage kann jeder Polizist schon immer theoretisch welche verwenden. Wieso das sinnvoll ist solllte sich jedem leicht erschließen. Ihr würdet euch auch nicht freuen, wenn bei euch eine Terrorlage ist und die Streifen auf Spezialkräfte warten müssen, weil sie die erforderliche Ausrüstung nicht haben und in derzeit kann der Täter wild weiter morden.
    Sprenggeschosse erweitern nur die Handlungsmöglichkeiten der Polizei im direkten Kampf mit diesen Mördern. Was sollte jemanden daran stören? Das kann ich nicht nachvollziehen.

    Bei der Überwachung und dem ausgedehnten Gefährdergewahrsam mit Richtervorbehalt bin ich zu 100 Prozent bei euch. Aber man sollte nicht so reflexartig alles verteufeln, was der Polizei hilft im direkten Kampf mit Personen, die unseren Tod wollen.

    Bitte informiert euch besser, bevor ihr so einen Artukel veröffentlicht. Informiert die Leute richtig! Es gibt auch mit der Wahrheit immernoch genug Grund auf die Demo zu gehen.

  • Max Büch
    Posted at 10:13h, 14 Mai

    Lieber O. Thom.,
    danke für Deinen konstruktiven Kommentar. Das Beispiel des Platzverweises stammt von den Jura-Studenten, die gegen das Gesetz klagen wollen. Das stimmt zwar, dass ein Gewahrsam nicht ohne weiteres möglich ist. Aber wenn es beispielsweise zu Ausschreitungen bei einer Demo kommt, reicht es manchmal aus, zur falschen Zeit am falschen Ort zu sein. Das habe ich selbst am 1. Mai in Berlin erlebt mit einem Freund, der angeblich eine Flasche auf die Polizei geworfen haben soll und auf Grund der Fehleinschätzung eines einzelnen Polizisten eine Nacht in Gewahrsam verbringe musste und wegen schwerer Körperverletzung und schweren Landfriedensbruchs angeklagt wurde.

    Zu Punkt zwei: Ich denke, dass Handgranaten und Sturmgewehre völlig ausreichend sind und nicht noch Sprenggeschosse benötigt werden. Darüber lässt sich natürlich streiten, aber auch “diese Mörder” sollen nach meinem Verständnis von Polizeiarbeit nicht einfach über den haufe geschosse oder gesprengt werden, sondern sich im besten Fall vor Gericht verantworten müssen.

    Ich denke, dass unsere Polizei auch jetzt schon sehr gut ausgerüstet ist und auf etwaige Gefahrensituationen gut vorbereitet ist und sehe auch bei den genannten Gründen keinen hinreichenden Mehrwert für die Gesetzesänderung.

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