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Aus unserem Podcast: Wir sprechen mit David Süß (Die Grünen, Harry Klein) über Clubs und Kultur

MUNICH NEXT LEVEL

Vom Techno-Club in den Stadtrat: Was klingt wie die wilde Episode in einer Netflix-Polit-Serie, bildet in etwa auch den Werdegang unseres nächsten Podcast-Gastes ab. In den 1990ern brachten David Süß und seine Mitstreiter*innen mit ihrer Pionierarbeit München auf die internationale Szene-Landkarte – mit legendären Clubs wie dem Ultraschall. Seit 2020 sitzt er jetzt als gewählter Vertreter für die Grünen im Münchner Stadtrat.

CO2-neutraler Club

Dass Techno nicht nur Hedonismus bedeutet, sondern auch mit nachhaltigem Verständnis betrieben werden kann, bewies das Harry Klein, sein späterer Club, aber eh schon seit Jahren mit seiner C02-neutralen Policy. So müssen inländische DJs inzwischen etwa mit der Bahn anreisen, wenn sie Gigs im Club an der Sonnenstraße spielen. Gleichzeitig werden die unvermeidbaren CO2-Emissionen während des Clubbetriebs durch den Kauf von Umweltzertifikaten ausgeglichen – und so beispielsweise Aufforstungsprojekte unterstützt.

Fast folgerichtig bei so viel Awareness und Engagement für das Klima erscheint da, dass David Süß als einer der drei Betreiber und Gründer nun in den Stadtrat gewechselt ist, um dort das Amt als Stadtrat für die Grünen anzutreten. Von seinen operativen Tätigkeiten als Geschäftsführer im Harry Klein hat er sich für diese Zeit getrennt, bleibt aber als normaler Angestellter im Betrieb.

Neue Tätigkeit im Stadtrat

Bevor er zur Wahl antrat, hätte er sich natürlich informiert, wie zeitaufwendig das denn ist, erfahren wir von Süß im Gespräch. Von Parteikollegin Kathrin Habenschaden kam daraufhin die euphemistische Einschätzung, es sei im Prinzip sowas wie ein Halbtagsjob. Diese wohlmeinende Fehleinschätzung erleichterte Süß wohl, den Schritt in die Lokalpolitik zu wagen, teilt er uns schmunzelnd mit. Immerhin hat er als Vorstand des Verbands der Münchener Kulturveranstalter (VDMK) auch noch jede Menge zu tun.

Bei Süß laufen somit momentan viele Knoten zusammen. Als jahrzehntelanger Veranstalter fühlt er sich zuvorderst der Kulturszene verpflichtet und will für ihre Bedürfnisse und ihre Bedeutung auch im Stadtrat werben. Das Verständnis für die Szene, Fachwissen sowie viele Kontakte bringt er mit.

Gleichzeitig schwingen die Uhren in der Lokalpolitik und der Stadtverwaltung in einem langsameren Takt, als man das als (Techno-)Unternehmer vielleicht gewohnt ist. Das sind „sehr komplexe Abläufe, die ich so von draußen nicht gesehen habe“, erzählt er. Früher im Unternehmen haben sie zu Dritt schnell etwas entscheiden und dann gleich umgesetzt. „Das ist in der Politik anders“, musste Süß erkennen. „Es ist aber auch gut so, dass es anders ist. Das sind die demokratischen Prozesse.“

Amtsantritt zur Pandemie

Nun fiel sein Amtsantritt ausgerechnet auf den Pandemiebeginn. Das machte das Leben weder für das Harry Klein noch für die Lokalpolitik leichter. „Wir werden Verluste haben, die wirklich bitter sind, aber am Ende glaube ich schon, dass man mit einer Stärkung daraus hervorgeht“, zeigt sich Süß aber vorsichtig optimistisch, was die Zukunft der Münchner Kulturszene anbelangt.

Als positive Beispiele für einen neuen Pragmatismus und Pioniergeist in der Lokalpolitik und Stadtverwaltung nennt er die beliebten Schanigärten („vor zwei Jahren hätten wir uns ja gar nicht getraut, das ins Wahlprogramm zu schreiben“) sowie die Open Air Parties am Maximiliansplatz letzten Sommer (die ohne langwierige Anträge möglich gemacht werden konnten). „Das zeigt mir: Die Sachen lassen sich auch ändern“, resümiert er.

Nachtbürgermeister

Lange herbeigesehnt und – unter anderem – von Süß gefordert war ein Nachtbürgermeister für München. Er soll vermitteln, wenn es Stunk gibt, Probleme erkennen und zwischen der Szene und dem Rest der Stadt moderieren. Letzte Mitte letzten Jahres hat Kay Mayer die Stelle als Nachtbeauftragter der Stadt angetreten. Er initiiert jetzt zum Beispiel einen neuen runden Tisch zum Nachtleben mit Vertreter*innen von zum Beispiel Verwaltung, Unternehmen, Verbänden, Polizei und Bezirksausschüssen. Nicht zuletzt soll Mayer auch ein Sprachrohr für die vielen Feiernden der Stadt sein, die ja sonst keine wirkliche Vertretung im behördlichen Sinne haben, sagt Süß, der sichtlich überzeugt von der Besetzung und dem bisherigen Einsatz von Mayer ist.

Großes Problem: zu wenig Freiraum

Als David Süß und co. in den Neunzigern ihre ersten Techno-Parties starteten, profitierten sie vom Umstand, dass es viele Leerstände in alten Fabriken und auf Industrieflächen (oder auch am alten Flughafen Riem) gab. Auch der Kostendruck war damals noch nicht so immens. Dass München heutzutage eine „Schlafstadt“ ist, will er nicht gelten lassen. Aber im Fehlen von Freiräumen für den Nachwuchs sieht er ein großes Problem. Einen neuen Club in der Stadt zu etablieren ist für junge Menschen zum Beispiel sehr schwierig. „Du wirst scheitern“, prophezeit Süß: „Dafür ist es zu teuer und du brauchst so viel Erfahrung.“ Freiräume wo man sich austoben, experimentieren und auch mal etwas daneben gehen darf, fehlen also.

Gerade nicht-kommerzielle Kollektive und Künstler*innen tun sich außerdem sehr schwer, Räume für Projekte zu finden, die nicht Profit-orientiert sind. Süß sieht es daher auch als Aufgabe der neuen Stadtregierung und von zukünftigen runden Tischen, diese Freiräume wieder zu erschließen und möglich zu machen.

Ein Schritt in diese Richtung könnte die städtische Agentur für Zwischennutzungen sein, die nach einem Beschluss der Stadtregierung jetzt geschaffen werden soll. Durch diese Agentur sollen Leerstände aufgespürt und an Kulturschaffende und Künstler*innen vermittelt werden. “Ziel einer solchen Zwischennutzungsagentur soll es sein, Gebäude, die saniert, umgebaut oder umgenutzt werden, auf deren Möglichkeiten für eine kulturelle beziehungsweise künstlerische Zwischennutzung auf Zeit zu überprüfen”, heißt es dazu im Antrag der Stadt. Auch beim notwendigen Papierkram soll die Agentur helfen. Der kann für Neulinge ja schnell mal überfordernd oder abschreckend sein kann.

Wir sind gespannt, wenn es damit dann los geht. Was wir sonst noch mit David Süß besprochen haben, hört ihr wie immer in der kompletten Folge:

Mit der aktuellen Folge endet die laufende Staffel Munich Next Level. Was hat euch gefallen? Was können wir in Zukunft besser machen? Wen sollten wir unbedingt mal einladen? Wir sind auf euer Feedback gespannt – schreibt uns eine Email an redaktion@mucbook.de oder einfach unten einen Kommentar.


Disclaimer: Das Gespräch wurde bereits im Oktober geführt


Beitragsbild: © David Süß/Die Grünen München

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