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Zentrum des Protests – Das Mobilitätswende-Camp auf der Theresienwiese

Anne Lenz

Zum Zeitpunkt der Internationalen Automobil-Ausstellung in München vom 7. bis 12. September sollen sich tausende Aktivist*innen zu Gegendemonstrationen in der Stadt einfinden. Die Veranstalter der Anti-IAA-Demos organisieren für die von außerhalb anreisenden Demonstrierenden private und öffentliche Übernachtungsmöglichkeiten. Im “Mobilitätswende Camp München“ auf der Theresienwiese sollen ca. 1.500 Menschen Zeltmöglichkeiten, Toiletten, Küchen und Support-Strukturen geboten werden.

Das Ziel des Camps ist es „solidarische Praxis direkt erfahrbar [zu] machen, und [] Bildungsangebot und vernetzendes Element für die Klimabewegung [zu] sein“. Die bisher noch utopischen Ideale einer demokratischeren und gerechteren Gesellschaft sollen hier weiter entwickelt und in die Praxis umgesetzt werden. Mit Vorträgen, Workshops, Podiumsdiskussionen und Filmen schaffen die Organisator*innen Bildungsangebote und Austauschmöglichkeiten für die teilnehmenden Klima*aktivistinnen. Das Mobiliträtswendecamp soll während der IAA einen Sammelpunkt des Widerstands darstellen und einen Ort bieten, an dem „der Protest greif- und erfahrbar wird“.

Vorbereitungen für die Demozüge am Wochenende

„Über die Verlagerung unseres Schlaf- und Lebensmittelpunktes in die Innenstadt machen wir die durchgängige Präsenz der Teilnehmer*innen zu einer Ausdrucksform des Protests. Wir wollen die Politik eine Woche lang konstant dazu aufrufen, endlich zu handeln“.

Strenge Auflagen und Verbote

Die Versorgung und Unterbringung der Campteilnehmer*innen erwies sich von Beginn an als Herausforderung. Bereits nach dem fertigen Aufbau mehrerer Zelte und dem Aufstellen des Küchenzeltes, inklusive Wasserversorgung usw., wurden die Helfer*innen des Camps dazu aufgefordert, die Zelte erneut zu versetzen. Die Polizei stellte die Forderung, alle Zelte müssten von allen Seiten einsehbar sein. Das Aufstellen größerer Zelte für Bildungsveranstaltungen wurde den Aktivist*innen gänzlich untersagt. Die Organisator*innen des Mobilitätswendecamps reichten am Sonntag, dem 5. September, eine Klage gegen die strengen Auflagen des Kreisverwaltungsreferats (KVR) ein. Zusätzlich dazu genehmigte das KVR dem Camp ursprünglich nicht, die erwarteten 1.500 Teilnehmenden mit veganem Essen zu versorgen, sondern erlaubte nur die Versorgung von 150 Menschen.

Die Veranstalter*innen stellen veganes Essen für 1500 Teilnehmende

Awareness und Arbeitsteilung

Zur Einhaltung der Hygienemaßnahmen und der nötigen Abstände planten die Veranstalter*innen des Camps eine deutlich größerer Fläche der Theresienwiese zu verwenden. Durch die auch hier geltenden Einschränkungen des KVR sind nun weniger Schlafplätze für die anreisenden Demonstrierenden zur Verfügung. Ein Laufsystem und drei dezentrale Waschstationen sollen für möglichst wenig Kontakt zwischen den Campteilnehmer*innen sorgen. Diese werden von den Organisator*innen dazu aufgefordert, sich an den anfallenden Aufgaben, wie zum Beispiel der Kinderbetreuung oder der Essensausgabe zu beteiligen. Alle Aufgaben sollen als Gemeinschaft bewältigt werden und auf möglichst viele Menschen verteilt werden.

Anlaufstellen zur Arbeitsteilung im Camp

Besonders wichtig ist den Klimaaktivist*innen auch das Miteinander der Teilnehmenden. In einem Awareness-Zelt haben die Besucher die Möglichkeit sich zu den Themen Anti-Rassismus, Anti-Sexismus, Inklusivität, Barrierefreiheit uvm. weiterzubilden. Den Organisator*innen ist es bewusst, dass jeder Einzelne seine eigene Wertvorstellung mitbringt und ein gänzlich diskriminierungsfreies Camp nicht erreichbar sein wird, jedoch soll durch verschiedene Bildungsveranstaltungen, Vorträge und Diskussionsrunden eine Annäherung an diese Utopie erreicht werden.

Mehrere Bündnisse, unter anderem Sand im Getriebe und nofutureiaa, sind im Camp vertreten, allerdings getrennt vom Camp zu betrachten. Die Gruppierungen veranstalten eigene Aktionen innerhalb und außerhalb des Camps und unterstützen dessen Strukturen.

Autobahnblockaden und Durchgangswege

Die Forderung der Campveranstalter*innen ist eine sozial gerechte Verkehrswende, weg von einem CO2-intensiven motorisierten Individualverkehr, der auch in seiner elektrischen Ausformung unnötig Rohstoffe und Energie verbraucht. Bereits am Morgen des 7. Septembers fand eine Protestaktion gegen motorisierten Individualverkehr statt. Aktivist*innen seilten sich nach Polizeiangaben auf der A8, auf der A92, der A94 und der A96 von Autobahnbrücken ab und entrollten Banner. Auf der A9 kletterten die Demonstrierenden von Aktion Autofrei eigenen Angaben zufolge auf eine Schilderbrücke und überklebten die Aufschrift. Neun Ak­ti­vis­t*innen müssen bis zum Ende der IAA wegen drohender Gefahr in Präventionshaft, heißt es vom zuständigen Amtsgericht Erding. Möglich macht das das bayerische Polizeiaufgabengesetz. Ziel des Vorhabens, war es laut Aktion Autofrei möglichst viel mediale Aufmerksamkeit auf die Kritik an der IAA zu lenken.

Auch abseits der aktivistischen Proteste stößt die IAA aufgrund der Veranstaltungsorte in der Innenstadt auf Widerstand. Die Vereinnahmung der öffentlichen Plätze durch die Ausstellungen sowie die fehlenden Durchgangswege für Fußgänger und Fahrradfahrer werden deutlich kritisiert. Beispielsweise im Hofgarten versperren die aufgebauten Stationen der IAA den barrierefreien Durchweg und blockieren die Fahrradwege.

Die Fraktion ÖDP/München-Liste und die Fraktion DIE LINKE./DIE Partei fordern in einem Eilantrag die geplanten Querungsmöglichkeiten für Fußgänger*innen und die Umleitungen für den Radverkehr unverzüglich durchzusetzen. Zudem verlangen sie nach der Möglichkeit alle von der Messe belegten Plätze jederzeit zu Fuß durchqueren zu können, Alternativrouten für Fahrradfahrer*innen zu schaffen und die ausreichende Ankündigung und Beschilderung im Vorfeld.

Das Camp als Protestzentrum

Die Veranstalter*innen des Mobilitätswendecamps hoffen ebenfalls auf eine starke Medienpräsenz durch die vielfältigen Proteste gegen die IAA, um die öffentliche Debatte um das Thema Mobilität anzutreiben. Gerade die (Re-)aktivierung und Vernetzung der Klimaaktivist*innen und unterschiedlichen Gruppierungen nach 1,5 Jahren Pandemie und Online-Plena soll durch das Camp als Anlaufstelle erzielt werden. Besucher und Interessierte, die selbst nicht auf der Theresienwiese übernachten, werden herzlich eingeladen die Veranstaltungen des Camps zu besuchen und sich an dessen Aktionen zu beteiligen.

Perfekt organisiert: Alle Bereiche des Camps sind genau aufgeteilt

Der „zivilgesellschaftliche […] Protest in Form eines Camps soll als eine (an)dauernde Mahnung verstanden werden“.


Hier kommst du zum Helfertool Mobilitätswendecamp

Hier kommst du zur Aktionsbörse für private Übernachtungsmöglichkeiten


Beitragsbild: © Mobilitätswendecamp/Instagram

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