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Das neue Bayern 2-Programm: Kulturoffensive oder Kahlschlag?

Simon Hirler
Anfang April geht die hitzig diskutierte Neuausrichtung des Kulturprogramms von Bayern 2 an den Start. Mit neuen Sendestrecken und digitalen Formaten will der BR sein Radioprogramm zukunftsfähig gestalten und mehr junge Hörer*innen für sich gewinnen. Die Gegner*innen der Neugestaltung sprechen von „kulturellem Kahlschlag“.

BR-Programmdirektion: Bayern 2 in Zukunft mit mehr Kultur und Reichweite

Die Umgestaltung des Kultursenders ist Teil der bereits 2017 beschlossenen Strukturreform der ARD – zu der auch die Landesrundfunkanstalten gehören. Durch eine effizientere Verwaltung und Modernisierungen im Programm des ÖRR sollen bis 2028 ganze 558 Millionen Euro eingespart werden. Die einzelnen Landesrundfunkanstalten werden dafür in die Verantwortung genommen, die Neuausrichtung von Bayern 2 ist einer dieser Reformschritte.

Am 8. Februar wurde der Rundfunkrat des BR abschließend über die zukünftige Programmstruktur informiert. Der Rat setzt sich aus Vertretern politischer und gesellschaftlicher Gruppen beziehungsweise Vereine zusammen. Ziel des Reformprogramms ist es, die Kulturinhalte des Senders an ein breiteres Publikum heranzutragen. Dafür sollen bisherige Sendungen zusammengelegt und als neue Sendestrecken zu besseren Sendezeiten ausgespielt werden, ebenso sind mehr digitale Formate wie Podcasts und Vor-Ort-Veranstaltungen im Freistaat geplant.

In der Sitzung des Rundfunkrates begründete die Intendantin des BR Katja Wildermuth die Reformen mit einer stärkeren Schwerpunktsetzung auf Wirtschaftlichkeit und Generationengerechtigkeit: Bisher würden etwa drei Viertel der Programmgelder des Senders in Formate für die Zielgruppe Ü50 fließen. Mit Blick auf das Erreichen größerer Zielgruppen brauche es deshalb mehr reichweitenstarke Inhalte, die auch junge Menschen ansprechen. Stefan Maier, der Leiter des Programmbereichs Bayern 2, versicherte, der Sender werde als „Kulturwelle“ wie bisher „im Tiefgang erhalten bleiben“.

Einige Punkte der Reform führten aber auch zu Kritik des Rundfunkrates: Einerseits müsse der BR den Erfolg des neuen Programms in Zukunft genau und vor allem nachvollziehbar überprüfen. Andererseits dürften Inhalte, die zukünftig in die ARD-Audiothek wechseln, nicht in den Hintergrund geraten und sollten weiterhin gut auffindbar sein, so die Forderung.

„Give Kultur A Chance“: Radioliebhaber fürchten um ihr Bayern 2

Deutlich härtere Kritik erhält die Reform seit einiger Zeit aus Teilen seiner Hörerschaft. Unmittelbar vor Beginn der BR-Ratssitzung fand vor dem Rundfunkhaus eine weitere Demonstration gegen die Reformpläne statt.

Organisiert wurde die Demonstration gegen die BR-Pläne durch die „Bayern2Freunde“, einem Zusammenschluss aus Radio-Fans und Kulturschaffenden. Für sie sind die Reformen des Senders – wie übrigens auch der geplante Abriss des BR-Studiobaus – die Fortführung eines zu harten Sparkurses seitens der Geschäftsleitung. In den Redebeiträgen der Kulturschaffenden und Hörer*innen wurde ihre Kritik deutlich: Die beschworene „Kulturoffensive“ des BR sei in Wahrheit ein drastischer Kulturabbau ohne Rücksicht auf Inhalte, Gebührenzahlende und Mitarbeiter*innen. Sie fürchten, dass das Programm zur Monokultur verkommt und das Zusammenlegen von mehreren Sendungen „keine Ecken und Kanten“ zulässt.

Auch politisch gesehen sei das „Kürzen von Kunst und Kultur“ grob fahrlässig. Gerade in Zeiten eines gesellschaftlichen Rechtsrucks und politischer Krisen sei der BR verpflichtet, die Vielfalt an kulturellen Sichtweisen in seinem Programm auszubauen und nicht einzuschränken, schließlich habe der ÖRR einen „demokratischen Auftrag“. Stattdessen folge die Geschäftsleitung aber Marktimperativen, die wenig Vielfalt oder hintergründige Inhalte zulassen. „Kunst und Kultur als Schonkost“ befürchten die Demonstrierenden.

Im Gegensatz dazu fordern sie den Erhalt liebgewonnener Kulturformate wie kulturWelt oder radioWissen in ihrem bisherigen Umfang. Auch wünschen sie sich als Hörer*innen und Gebührenzahlende in die Planungen des BR eingebunden zu werden. Diese Forderung teilen auch manche Mitarbeiter*innen des Radiosenders: In einem Brief, der Ende November 2023 von Mitarbeiter*innen der Redaktion „Kultur aktuell“ an den Rundfunkrat und den Programmausschuss adressiert wurde, heißt es: „Die große Linie der Reform wurde ohne breite Beteiligung und Mitsprache aus der Redaktion „Kultur aktuell“ entworfen. Sie stand nie zur Diskussion.“ Auch habe man in der Ausarbeitung der neuen Sendestrecken Ideen und Ergebnisse der Mitarbeiter blockiert oder ganz abgelehnt.

Das ändert sich im Programm von Bayern 2

Mit seinem neuen Bayern 2-Programmschema will der BR das lineare Radio zu seinen Kernzeiten stärken und so mehr Hörer*innen erreichen. Geplant sind längere Formate, etwa „Bayern 2 Die Welt am Morgen“ von 6 bis 9 Uhr zu politisch-kulturellen Themen oder „Bayern 2 Nah dran“ von 9 bis 12 Uhr, in die die bisherigen Formate „radioWissen“, „Kalenderblatt“ und das „Gesundheitsgespräch“ eingebaut werden. Ab 14 Uhr beschäftigt sich „Bayern 2 Kulturleben“ mit täglichen Schwerpunkten aus „Literatur, Hintergrund, Kulturlandschaft Bayern, Debatte sowie Film und Serie.“ Bewährte Sendungen wie „Eins zu Eins. Der Talk“ oder der „Zündfunk“ bleiben erhalten. Alle Programmänderungen finden sich im Detail hier.

Kahlschlag statt Kulturoffensive?

Für Eva Demmelhuber, eine Mitorganisatorin der Demonstrationen, sind die nun bekanntgewordenen Änderungen im Kulturprogramm untragbar: Viele Sendungen wie die „kulturWelt“, das Kinderprogramm „radioMikro“, die „radioTexte“ oder „Jazz und Politik“ seien auf schlechte Sendeplätze verschoben oder ganz gestrichen worden. „Damit verliert die Kultur in der Primetime ihre Stimme“, sagt sie. Auch das Zusammenlegen von mehreren Formaten sieht Demmelhuber kritisch und befürchtet, dass dabei Anspruch und Tiefgang des Kultursenders verloren gehen. Die Entwicklung von neuen digitalen Inhalten für junge Zielgruppen begrüßt sie zwar, aber dies dürfe nicht auf Kosten des Radioprogramms geschehen. „Dieses Jung gegen Alt Ausspielen ist doch kontraproduktiv!“ Stattdessen wünscht sie sich eine bessere Förderung von Angeboten wie PULS, FUNK oder auch radioMikro auf Bayern 2. Insgesamt glaubt Demmelhuber nicht, dass die Hörer*innen in Zukunft mit dem Programm zufrieden sein werden. Ein Rückgängigmachen der Programmreform aufgrund negativen Hörer*innen-Feedbacks hält sie aber für unrealistisch.

Neues Bayern 2-Programm ab 2. April

Das neue Programm des Senders wird am 2. April 2024 an den Start gehen, ob es von den Hörer*innen angenommen wird bleibt abzuwarten. Der BR-Rundfunkrat wird den Erfolg des Programms durch eine Akzeptanzstudie evaluieren und will die Ergebnisse der Nutzerzahlen sowie des Hörer*innen-Feedbacks diskutieren.


Beitragsbild & Text: Simon Hirler

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