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Neues Paketpost-Areal oder: die leidige Frage nach der Höhe

Caroline Priwitzer

Heute Donnerstagmorgen, ab halb acht, zierten rote Höhenballons den Himmel neben der Friedenheimer Brücke auf rund 155 Metern Höhe. Sie sollten einen Eindruck vermitteln, wie hoch die beiden Türme im Paketpost-Areal werden könnten. Ein heikles Thema – zumindest für alpenblickverliebte und sich gebetsmühlenartig auf die 99 Meter der Frauenkirche berufenden Münchner*innen, oder?

Dieses Thema ist eng mit der ebenso heiklen Frage nach Wohnraum in München verbunden. Das geplante Paketpost-Areal, entwickelt von der Büschl Unternehmensgruppe unter der Leitung des Investors Ralf Büschl, wirbt damit, auf der Fläche über 1100 Wohnungen schaffen zu können. Dafür müsste man aber in die Höhe bauen.

Wir wollten uns das mal aus der Nähe anschauen und waren auf der vierten und damit vorerst letzten eigentlich architektonischen, aber zwangsläufig ins Politische driftenden Arealsführung mit dabei.

Aktueller Stand des Paketpost-Areals

Zugegebenermaßen: viel gibt es noch nicht zu sehen. Logisch, denn das Paketpost-Areal befindet sich – wenn nun auch schon seit langer Zeit – in der Planung. Das Gelände rund um die denkmalgeschützte Paketposthalle wird noch von gelben Sprintern befahren und in der Halle selbst sortieren Mitarbeiter*innen der Post noch immer fleißig Briefe.

Aber grob kann man sich ausmalen, welche Dimensionen das urbane Quartier mit seiner öffentlich zugänglichen und kulturell genutzten Paketposthalle, den sechsstöckigen Wohnanlagen und eben den beiden im Gespräch stehenden, 155 Meter hohen Türmen haben könnte. Uns wird auf der Führung erzählt, die Vorgaben der Sozial gerechten Bodennutzung (SoBoN) sollen sogar übertroffen werden. Es sollen 3000 Arbeitsplätze auf dem Areal entstehen und der Autoverkehr soll lediglich unterirdisch stattfinden. Auch die eine oder andere aberwitzige Ankündigung, wie ein Biergarten auf einem der beiden Hochhäuser, ist dabei.

Ein Plan des Paketpost-Areals, orange markiert: die Türme (Grafik: © Herzog & deMeuron, Markierung: Mucbook)

Warum mag München keine Hochhäuser?

Am Ende der Tour können Fragen gestellt werden und natürlich geht es auch hier um das viel diskutierte Thema der Turmhöhe. Man hört den Einwand der Verdichtung und den Vorschlag, lieber weiter draußen zu bauen. Dass dort aber oftmals die Infrastruktur zu wünschen übrig lasse, lässt sich als Argument so leicht nicht entkräften. Außerdem sei der Boden auf dem Grundstück bereits größtenteils versiegelt.

Zudem wird die Frage nach dem Schattenwurf angesprochen: “Hätte ich eine Wohnung hier in der Nachbarschaft, ich würde sie tunlichst verkaufen”, so eine Führungsteilnehmerin. Die Anwohner*innen und damit zukünftige Nachbarschaft des Paketpost-Areals, von denen viele an der Tour teilnehmen, sind aber gar nicht diejenigen, die sich an den Türmen stören. Auch sie sehen das Problem des Wohnraummangels. Und auch ein weiterer Teilnehmer sagt, er sei zwar kein Fan von Hochhäusern, aber an dieser Stelle, in S-Bahn Nähe, fände er es “gar nicht verkehrt”.

Und auch sonst ist die Resonanz der Gruppe überwiegend positiv. Ob das nun stichprobenartiger Zufall war, oder sich das auf die Gesamtbevölkerung beziehen lässt, kann man nur vermuten. Doch auch die Stadträtin Sibylle Stöhr (Grüne), ist der Meinung, es sei Zeit für Mut und Veränderung: “Ich denke, wir müssen in die Höhe bauen, wir haben einfach wenig Flächen und die Preise zeigen: es gibt nur einen Weg – nach oben!” Auf die kritischen Stimmen in der Gruppe geht ein Sprecher der Büschl-Gruppe ein und beteuert, jeder Einwand sei von Nutzen und jede Stimme werde gehört. Er fordert die Leute auf, ihre Bedenken auch schriftlich zu äußern.

Aber: Büschls Paketpost-Areal hat’s nicht leicht

Die Frage, ob die Türme tatsächlich 155 Meter in den Himmel ragen werden, diskutieren für ein Bürgergutachten ab Oktober über 100 zufällig ausgewählte Münchner*innen. Die Ergebnisse dieses Bürgergutachtens, das sich auch anderen Fragen zum Paketpost-Areal widmet, werden dann in die weiteren Planungen einfließen.

Und noch eine Sache ist unklar: Die grün-rote Rathauskoalition fordert nun nämlich einen Architekturwettbewerb für eben diese Türme. Zwar hatte der Planungsausschuss des Stadtrats im Oktober 2019 dem Masterplan des weltbekannten Basler Archtiekturbüros Herzog & de Meuron grundsätzlich zugestimmt. Für ein Bauwerk, das das Stadtbild aber so stark beeinflusse, benötige man den städtebaulichen Wettbewerb. Daran könnten Herzog & de Meuron jedoch mit dem bereits vorgestellten Plan nicht mehr teilnehmen, weil die geforderte Anonymität fehlt.

Das ganze Areal könnte 2029 fertig entwickelt sein, heißt es bei der Führung. Das wären dann ja nur 15 Jahre nach der Fertigstellung der letzten Hochhäuser in München im Jahr 2004. Im selben Jahr hatte sich daraufhin knapp die Mehrheit der Münchner*innen gegen weitere derartige Hochhausprojekte über 100 Meter ausgesprochen. Rechtlich bindend war der Entscheid jedoch nur ein Jahr.


Alle Beitragsbilder und Visualisierungen: © Herzog & de Meuron